Tommel
Fluss Tommel
Die (je nach Region auch der) Tommel ist ein 400 Meilen langer Fluss, dessen Quelle in den westlichen Koschbergen in der Grafenmark Gratenfels an der Grenze zur Baronie Kranick entspringt und bei Nostria in das Meer der sieben Winde mündet.
Der alte bosparanische Name lautete "Tumeo", was so viel bedeutet wie "aufbrausend, unruhig", was die Natur dieses Fließgewässers gut beschreibt. Am Oberlauf ist der Fluss wild und sprunghaft, zumal er durch bergiges Terrain verläuft. Die jährlichen Hochwasser überspühlen vor allem am Tommel-Knie (früher bosparanisch "Tumeo genu" genannt) ganze Landstriche und sorgen dort für kontinuierliche Vermoorung und ausgedehnten Auenlandschaften.
Nachdem sie die Baronie Kranick durchquert, grenzt sie die Baronie Witzichenberg im Norden von Vairningen und Tommelsbeuge ab. Spätestens ab Aran, je nach Wasserstand aber auch schon ab Tommelsbeuge, ist der Fluss für kleinere Schiffe befahrbar und wird dadurch zu einer wichtigen Lebensader für die Nordgratenfelser Baronien. Größere Flussschiffe, wie man sie vom großen Fluss kennt, gelangen vom Meer der Sieben Winde sicher bis Ambelmund. Dort müssen sie für eine Weiterfahrt flussaufwärts zumeist entweder geleichtert oder die Ware auf kleinere Schiffe umgeladen werden. Am Oberlauf des Flusses bereits ab Grenzmark können Bauholz und Güter mit Flößen transportiert werden. Hieraus ist die Tradition des Floßrennens geboren.
Nachdem die Tommel sich bei Aran gen Firun wendet, bildet sie eine natürliche Grenze zwischen den Nordmarken und Albernia, landschaftlich grenzt sie damit die westlichen Ausläufer des Koschgebirges vom Farindelwald ab. Wichtige Zuflüsse auf Nordmärkischem Grund sind der Ambla bei Ambelmund und die Nabla kurz vor Winhall.
Besonderheiten:
Im Edlengut Bösalbentrutz geht man gar soweit, die Tommel als einen von Efferd gesandten Schutzwall wider den Kreaturen des Farindelwaldes zu verehren. Der Schutzsegen wird jedes Jahr zum 1.Efferd vom Efferd-Geweihten des Dorfes Hjalderfurt erneuert.
Bei Markt Tommelsbrück am Scheitel des Tommel-Knies steht auf einer kleinen Insel in eine Altarm des Flusses eine uralte mystische Ulme. Der Ort soll angeblich das Grab eines von Orks erschlagenen Hesinde-Priesters aus der Zeit der Erstbesiedelung sein. Den Stamm des Baumes können drei Menschen nur gemeinsam umfassen, auch ist er ein ein gutes Stück hohl. Man kann hineinklettern und die eine gemütliche kleine Höhle genießen. Wer hier nächtigt soll sich am nächsten Tag etwas klüger fühlen. Die Rinde der Ulme ist von Knorpeln und Schwielen überzogen und Lebensraum für viel Getier. Die altehrwürdigen monströsen Äste bilden eine respaktable aber tiefe Krone.
1046 BF fiel die Tommel kurzzeitig trocken, was Ernteausfälle verursachte und Verwirrung bei der Bevölkerung am Flussoberlauf stiftete. Eine Truppe junger Adliger im Auftrag von Iriane Madalin von Kranick zum Kranickfluchs und Melcher Sigismund von Ibenburg entdeckte eine Zwergenbinge im Quellgebiet des Flusses. Diese entnimmt Flusswasser, um ein Hammerwerk zu betreiben. Ein alter, aber fortgeltender Vertrag regelt eine Begrenzung dieser Wasserentnahme. Melcher Sigismund von Ibenburg drängt auf eine Entschädigung der Flussanrainer und will die Quelle genau kartographieren lassen, vermutet er die Quelle doch auf Grund und Boden der Landgrafschaft Gratenfels, nicht - wie Iriane Madalin von Kranick zum Kranickfluchs auf Territorium der Baronie Kranick.
Fischfauna:
Wo die Tommel in den Nordmarken fröhlich oder zuweilen aufbrausend durch ihr steiniges Bett strömt, tummeln sich Bachforellen, Äschen und Saiblinge, aber auch Bachneunauge, Nase, Gründling, Schneider, Döbel, Quappe, Bachschmerle, Elritze, Groppe und nicht zuletzt Lachse sowie der wandernde Aal. Wo sie es ruhiger angehen lässt und stellenweise Schilfsbewuchs die Ufer und Altarme ziert, findet man Zander, Hecht, Hausen (Störe), Sterlets, Bitterlinge und - wo es ganz ruhig zugeht - auch das Moderlieschen. Hier sind auch die Heimatgewässer des Aals.
Zur Frage der Schiffbarkeit der Tommel kursieren im Schrifttum unterschiedliche Angaben, wie folgendes Gespräch zwischen dem Hesindegeweihten Hesindian von Tannenfels und dessen Novizen verdeutlicht:
"Darf ich Euch mit einer Frage behelligen, Euer Gnaden von Tannenfels?"
"Auf der Suche nach Erkenntnis darfst Du mich nahezu immer behelligen." Hesindian von Tannenfels löste sich von dem Folianten, den er gerade studierte, und lächelte dem Novizen aufmunternd zu. "Nimm Platz." Er wies dem jungen Mann einen Stuhl neben seinem eigenen Pult. Er wusste, dass sich dieser gerade mit der Derographie der Nordmarken, im speziellen des Tommellaufes, auseinandersetzte. "Was möchtest Du denn erfragen?"
"Habt Dank, Euer Gnaden. Wisst Ihr, ich bin bei meinen Arbeiten an dem Tractat, das Ihr mir aufgegeben habt, auf widersprüchliche Quellen bezüglich der Schiffbarkeit der Tommel gestoßen. Selbst in der neuesten Abschrift der Derographia Nova Imperii Raulis Occidentalis et Regnorum Pugnantium (MI: irdisch: Die Streitenden Königreiche, S. 15) heißt es, die Tommel könne man nur bis Ambelmund mit dem Schiff befahren. Im Aventurischen Almanach steht dagegen (MI: auf S. 21), sie sei bis auf Höhe von Honingen, demzufolge also Aran oder gar Tommelsbeuge, schiffbar. Beide Werke gehören zu den getreulichsten derographischen Schriften, doch muss eine irren. Welcher darf ich jetzt vertrauen? Oder irren gar beide?"
"Nun," freute sich Hesindian, "so hast Du bereits eine erste wichtige Lektion gelernt - selbst vertrauenswürdige Quellen mögen sich widersprechen oder gar irren - drum also möge Dein Verstand stets wachsam bleiben und sorgfältig prüfen, wem oder was Du Glauben schenken darfst, oder wann Du besser eigene Nachforschungen anstellst. Manchmal mag es aber auch sein, dass zwei sich vermeintlich widersprechende Quellen doch beide die Wahrheit darstellen."
"Aber hier kann doch nur eine Angabe stimmen?" warf der Novize ein.
Hesindian schüttelte den Kopf. "Oft liegen Widersprüche nicht an der wahren Natur der Dinge, sondern nur an den Namen, die man diesen gibt!" Als der Schüler noch immer zweifelnd drein schaute, begann der weitgereiste Geweihte zu dozieren: "Ambelmund befindet sich an der Mündung der Ambla in die Tommel - durch den Zufluss erhöht sich die Wassermenge flussabwärts deutlich, und so ist tatsächlich erst ab dieser Stadt eine durchgängige Schiffbarkeit der Tommel über nahezu alle eisfreien Jahreszeiten gewährleistet - und zwar für Schiffe, wie Du sie vom großen Fluss her kennst, bei voller Zuladung. Das heißt jedoch nicht, dass die Tommel von Ambelmund flussaufwärts überhaupt nicht mehr schiffbar wäre: Unmittelbar nach dem schlimmsten Hochwasser im Frühling und im Herbst mag sogar ein größeres Flussschiff tatsächlich bis ungefähr Aran gelangen - 'ungefähr' deswegen, weil dort kein nennenswerter Fluss einmündet, so dass es keinen Sprung in der Wasserführung gibt. Im Rest des Jahres muss besagtes größeres Flussschiff aber spätestens in Ambelmund geleichtert werden, um seine Fahrt flussaufwärts fortsetzen zu können, oder - was häufiger geschieht - die Ware muss auf kleinere Schiffe umgeladen werden. Ich habe auf einer meiner letzten Reisen auf der Tommel sogar vernommen, dass man dort von Tommelschiffen der "Ambelmund-Klasse" und solchen der "Aran-Klasse" spricht." Schmunzelnd fügte Hesindian hinzu: "Letztere würde aber ein Elenviner Flusskapitän bestenfalls als Boote beschreiben."
Der Novize nickte verständig. "Habt Dank für Eure Ausführungen. Verstehe ich Euch also richtig, dass eigentlich in jedem wissenschaftlichen Text zuallererst alle Begriffe definiert gehören, selbst die vermeintlich einfachen?"
Nun war Hesindian wirklich erfreut. "Die Allweise sei gepriesen - genauso ist es!"
"Dann hätte ich nur noch eine Frage, wenn Ihr erlaubt: Heißt es jetzt richtig: 'die Tommel' oder eher 'der Tommel'?"
Hesindian begann zu strahlen: "Wieviel Zeit hast Du mitgebracht?..."