Schwarzer Schatten

Ort: Grafschaft Isenhag, auf der Kaiserlichen Pfalz Angroschsgau

Zeit: RON 1046 B.F.

Inhalt: Zwischen Ivetta von Leihenhof zum Storchengarten und Allegria Hesinde zu Donnerhall ein informatives und vielleicht auch unterhaltsames Gespräch.

Eine Briefspielgeschichte von Galebquell


Schwarzer Schatten

„Aber sagt doch, Ivetta…“ Die so modisch gekleidete Magierin, deren Tracht gerade so haarscharf den Vorgaben des Codex Albyricus entsprach, lachte, schaute ihr Gegenüber jedoch zugleich neugierig und ernst an. „…wieso lasst Ihr Euch denn nun von einem Kor-Geweihten begleiten?“ Der Blick der Magierin schwenkte kurz herum. Tatsächlich stand einige Schritt entfernt wie eine Statue aus Basalt ein junger, hochgewachsener, breitschultriger Mann in einer schwarzen Lederrüstung mit eingeprägtem, blutrotem Panther. „Es erscheint mir doch etwas merkwürdig, eine Priesterin der gütigen Peraine und Magierin aus der Halle des Lebens zu Norburg mit einem brutalen Priester des Kriegsgottes.“
Ivetta lächelte und richtete ihren Schleier zurück, der ihr über die Schulter gerutscht war. Sie und Allegria Hesinda zu Donnerhall hatten sich am Tage nach dem kaiserlichen Hoftag vor ihrer gemeinsamen Abreise gen Süden noch einmal in das Gasthaus „Kaiserhütte“ zurückgezogen, um ein wenig von dem guten Kaiserschmarrn und dem süßen Kaisertropfen zu genießen. „Das ist eine, zugegeben, …äh… interessante Geschichte.“
Die Horaskaiserliche Gesandte lehnte sich zurück, griff nach dem Tonkelch mit dem süßen Kaisertropfen und nahm einen Schluck. „Diese Geschichte würde ich zu gerne hören.“
Ivetta zuckte mit den Achseln. „Leider wurde ich im Laufe meines Lebens oft genug in ziemlich düstere Umtriebe verwickelt.“
„Nein!“ entfuhrt es der Horasierin, eine Skandalgeschichte witternd.
„Doch!“ antwortete Ivetta.
„Ooooh!“ Allegria beugte sich vor. „Fahrt nur fort.“
„Nun, so sprengte ich gemeinsam mit Gefährten einen Zirkel des Namenlosen in Albenhus, wurde mehrfach Opfer von Angriffen von Vampiren, sogar einer mächtigen, wurde in der Kanalisation Punins von einer echsischen Paktiererin und bösartigen Stierkultisten attackiert.“ Die Perainegeweihte machte eine dramatische Pause. „Bei mehreren Gelegenheiten habe ich die Tempel oder Geweihten der donnernden Rondra aufgesucht, doch hatten sie nie Zeit für mich, die ich um Schutz suchte.“
„Die Kirche der Rondra, Schwert und Schild der Schwachen hat Euch …?“
„… im Stich gelassen! Sprecht es ruhig aus.“ Ivetta verschränkte die Arme. „In Punin erklärte die Schwertschwester, sie hätten gerade keine Zeit, da sie sich auf einer Sinnsuche im Geiste ihrer Göttin befänden.“
Die Gesandte hielt sich empört den Fächer vor den Mund. „Ihr habt solcherlei erzählt, ja. Dabei sollte doch der Sinn der Geweihten Rondras darin bestehen, Schwächere zu schützen. Unter anderem auch die helfenden und heilenden Priester Peraines.“
Die Priesterin Peraines nickte heftig. „Das dachte ich auch.“ bellte sie mit hörbarem Sarkasmus. „Während der Ereignisse in Rommilys waren auch zwei Kor-Geweihte, unter anderem der Vetter meines guten Freundes Irian von Tandosch, Seine Gnaden Radomir anwesend. Sie zögerten nicht angesichts meines Rufes um Hilfe und stellten sich schützend vor mich. Und in Punin erhörte ebenfalls mein junger Beschützer meinen Hilferuf und wurde mir Schwert und Schild.“
„Immerhin!“ entfuhr es der Magierin. „Wenn schon die Priester der Rondra … ich kann es noch nicht fassen.“
Ivetta schaute sich nach Korim um, den Geweihten des Kor, noch jung an Körper, aber reif im Geiste, weil er schon viele Schrecken gesehen hatte. „Ich bin keine Kämpferin, Allegria.“ räumte sie ein. „Und auch wenn man mir mächtige magische und göttliche Fähigkeiten andichtet, so stimmen diese Gerüchte nur zu einem kleinen Teil, wisst Ihr?“ Die der Peraine geweihte Magierin lächelte zaghaft. „Daher bin ich auch auf Beschützer angewiesen und angesichts der Bedrohungen, die sich mir entgegenstellen, brauche ich ein scharfes Schwert … oder einen mächtigen Hammer …“ Sie schaute noch einmal auf Korim. „…geführt von mutiger Hand…“
Allegria kicherte hinter ihrem Fächer. „Einen mächtigen Hammer.“
Ivetta rollte mit den Augen und seufzte. „Seid Ihr zufällig mit Rahjan Bader verwandt?“ Dann winkte sie ab. „Egal… also … geführt von mutiger Hand, mächtiger Hammer. Jaja. Ihr versteht. Ich brauche einen Beschützer und es gibt Wesenheiten, gegen die ich mich nicht selbst verteidigen kann. Korim verstand meine Not und er sah sich als Priester des blutigen Kor in der Verantwortung, mir – einer Priesterin der gütigen Peraine - in dieser Not beizustehen.“
„Und weil sicherlich noch mehr Vampire, Dämonen und Namenlosenkultisten Euch nach dem Leben trachten, mehr als nur eine Gelegenheit auf einen guten Kampf.“ warf die Horaskaiserliche Gesandte ein.
„Das möglicherweise auch.“ erwiderte Ivetta. „Auch wenn ich mir lieber wünschte, ich könnte ihm leicht verdientes Gold bieten.“
Diesmal nickte die Magierin ernst. „Und Euer anderes Geleit?“
„Der bereits von mir erwähnte Radomir von Tandosch, Sohn des Mantikor, ließ es sich nicht nehmen, mir weiteren Schutz an die Seite zu stellen.“ erklärte Ivetta. „Sein Bruder, mein Freund Irian von Tandosch...“
„Der Uthuriamagnat…“
„Der Uthuriamagnat…“ Ivetta nickte. „Nun, der jedenfalls ist Besitzer einer Söldnertruppe, der Dukatengarde…“
„Moment!“ hakte die Gesandte ein. „Der al’anfanischen…“
„Nein…“ winkte Ivetta ab, Allegria atmete scharf aus. „Natürlich nicht." Die Perainegeweihte hoffte, diese notwendige Lüge ging ihr glatt über die Lippen. Der horaskaiserlichen Gesandten mitzuteilen, dass ein mittelreichischer Adliger, quasi al'anfanische Söldner unter Vertrag hatte, musste doch nachgerade eine diplomatische Krise heraufbeschwören. "Eine zufällige Namensgleichheit. Jedenfalls vermittelte Radomir über Irian mir seine eigene Tochter Assara als Hauptmann und drei Dukatengardisten, die mich auf seine ausdrückliche Anweisung beschützen sollen!“ Die Geweihte der Peraine nahm nun selbst einen Schluck von dem süßen Kaisertropfen, um ihre Stimme und Kehle zu ölen. „Wisst Ihr, ich hänge doch an meinem Leben. Und ich weiß nicht, wie ich immer wieder in diese Kabalen stolpere und welchen Plan meine Göttin mit mir verfolgt.“
„Ihr schreit einfach ‚Hier!‘“ warf die Gesandte trocken ein.
Ivetta blinzelte. „W-Wie meint Ihr?“
„Wer hat sich denn gestern in das Getümmel gestürzt, als die Drachin zornbebend in den Saal stürmte?“
„Aber da waren Verwundete!“
„Aber diesen wutschnaubenden, wegschleudernde Magie wirkenden Drachen habt Ihr schon gesehen, dem Ihr Euch fast in den Weg gestellt habt?“ Die Magierin zuckte mit den Achseln. „Ich meine ja nur, so ganz schuldlos seid Ihr nicht.“ lachte sie.
Ivetta schnaubte in spielerischer Empörung. „Als ob ich es darauf anlegen würde, von Dämonen und Kultisten gejagt zu werden.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nun… so kam ich jedenfalls zu meiner derzeitigen Bedeckung. Und meinem schwarzen Schatten.“ Sie schaute erneut zu Korim, der den Blick schweifen ließ, die Arme vor der mächtigen Brust verschränkt, und selbst von dem einen oder anderen Gast, zwergischen oder menschlichen Blutes, skeptisch beäugt wurde.
Langsam beugte sich Allegria vor und hielt den Fächer so vor sich, dass er eine Barriere darstellte und nur Ivetta und sie die gesprochenen Worte zu hören vermochten. „Ich bleibe immer noch dabei, Ihr solltet Eure Geschichten niederschreiben. Lassen. Ich helfe Euch gerne während der Kutschfahrt. Kennt Ihr zuuuufällig Rapiro Floretti?“