KNS- Nur eine Formalität?

Nur eine Formalität?

Eine Briefspielgeschichte von RekkiThorkarson und Ro K.

Nur eine Formaität?

1043 BF, Ende Rahja, Stadt Kressenburg

Vor den Mauern der Stadt Kressenburg war, wie jeden Götterlauf zum Jahreswechsel, eine kleine Siedlung aus Turnierzelten entstanden. Überall flatterten bunte Wimpel und diverse Wappen Greifenfurter Familien, aber auch von weitergereisten Gästen waren zu sehen. Das Zentrum des kleinen Lagers war das große Schankzelt, welches vor allem abends immer gut besucht war. Direkt daneben war das Zelt des Turnierherolds aufgebaut, vor dem der Herold des Barons die Anmeldungen der Ritter, Krieger und Knappen entgegennahm.

An diesem Morgen hatte sich um das Zelt des Herolds eine Traube von Schaulustigen versammelt, in deren Zentrum zwei stattliche junge Zwerge standen. Ihnen gegenüber saß der ebenfalls noch sehr junge Herold Felian Sterneneisen, dem eine gewisse Verzweiflung auf dem Gesicht stand.

„Es tut mir sehr leid meine Herrschaften. Aber ich kann ihre Anmeldungen nicht entgegennehmen, bis mir der Turniermarschall die Echtheit eurer Kriegerbriefe bestätigt hat. Von Tosch-Mur und auch von den Schradoker Zwergen habe ich natürlich schon einmal gehört. Allein weiß ich deswegen weder, ob diese Schreiben hier ihren Status als Krieger bestätigen, noch ob die Teilnahme von Angroschim überhaupt statthaft ist.“

Die beiden in etwa gleichgroßen Angroschim schnaubte fast zeitgleich auf die Antwort hin. Es war mehr als deutlich, dass sie über die Worte des Menschen vor ihnen nicht erfreut waren. Der bulligere der beiden, welcher als Wappen auf seinem Wappenrock über einer prächtigen Plattenrüstung den goldenen Zwergenschlägel auf schwarzem Grund trug, schüttelte zudem den Kopf, wie um seinen Unmut weiteren Ausdruck zu verleihen.

„Ich diente dem Angarok Rogmarok auf Okdrâgosch bis ich mit meinen Brüdern und Schwestern aus dem Kosch gegen den Reichsverräter Helme Haffax zog und auf dem Weg dorthin zum Hauptmann des zweiten Banners der fürstlichen Hellebardiere bestellt wurde- der Orkentrutz. Ich habe als länger als Krieger und Soldat gedient als ihr…“, schnaubend brach der Zwerg mit dem langen, silbernen Haaren ab, als sein Begleiter beschwichtigend seine Rechte auf seinen Unterarm legte, die er stark gestikulierend erhoben hatte.

„Was mein Freund Cendrasch ausdrücken will ist sein Unverständnis über den Zweifel an der Echtheit der Dokumente“, erhob dieser eher drahtig gebaute Zwerg mit goldblondem Haar aber verstörend schwarzen Augen das Wort. Seine Stimme war ruhig, aber dennoch war deutlich, dass er in keiner glücklichen Stimmung war. „Wir zwei sind mit eben diesen Urkunden unserer Kriegerwürde bereits beim Fürstlichen Turnier in Angbar im letzten Jahr zugelassen worden. Warum sollte dies hier also ein Problem sein. Gelten hier andere Regeln? Wir dienen dem Raulschen Reich ebenso wie jeder tapfere Ritter oder Krieger eurer Rasse. Es gibt also keinen triftigen Grund uns von der Teilnahme auszuschließen. Also bitte schickt umgehend nach dem Turniermarschall.“

Mit dem Ende dieser Worte nahm Antharax seinen mit Runen verzierten Zweihänder von der Schulter und stellte ihn demonstrativ trotzig vor dem Tisch der Anmeldung mit der Spitze zuerst auf den sandigen Boden ab und hielt mit den Händen die breite Parierstange. Was diese Haltung ausdrücken sollte, war allen klar.

Inzwischen hatten sich ein paar Schweißperlen auf der Stirn des jungen Mannes gebildet, der mit den Augen immer wieder hektisch von den beiden vor ihm stehenden Zwergen in die Menge der Umstehenden schaute, ob er nicht endlich den Turniermarschall erblicken konnte. Zu seinem Ungemach sah er dagegen, wie sich ein paar Kressenburger Zwerge eingefunden hatten, die das Schauspiel mit eher grimmigen Mienen verfolgten.

„Natürlich, werte Herrschaften. Der Laufbursche ist schon unterwegs. Ich bin mir sicher es wird sich alles aufklären. Ich möchte euch nur um etwas Geduld bitten. Seine Gnaden wurde zu einem Streit zwischen einer Reichsforsterin und einem Harsteener Ritter gerufen. Es ging wohl darum was Graf Drego von Luring bei der Hochzeit von Odilbert von Hartssteen in Angbar gesagt haben soll. Es wird sicherlich nicht lange dauern.“

Da endlich teilte sich die Menge. Ein hünenhafter, athletisch gebauter Mann von über zwei Schritt Höhe und im Ornat der Rondrakirche kam gemessenen Schrittes auf das Heroldszelt zu. Überall senkten sich ehrerbietig die Köpfe. Als der Geweihte aus der Menge trat, konnte man erkennen, dass ihm die Hand am Schildarm fehlte.

„Meister Felian, was ist denn heute los? Den ganzen Morgen schon werde ich von einem Streit zum nächsten gerufen. Man möchte meinen, den Damen und Herren wird die Rahjasonne zu warm. Wenn das so weitergeht, werde ich tatsächlich die ersten Turnierverweise aussprechen müssen.“ Bei seinen Worten umspielte ein Lächeln die Lippen des blonden Riesen, das so gar nicht zu der angespannten Lage passen wollte. Bei den Zwergen angekommen breitete er seine Arme zu einer Willkommensgeste aus. „Also meine Herren. Wie kann dieser bescheidene Diener der Leuin euch helfen?“

„Das ist ganz einfach“, eröffnete der Sohn des Chrysoprax. „Mein Werter Freund Athax und ich sind den weiten Weg zum Turnier gekommen, um uns mit den werten Herren Rittern im rondragefälligen Zweikampf zu messen.“

Wie beiläufig nahm nun auch Cendrasch seinen Zwergenschlägel von der Schulter während er sprach und stellte ihn mit dem Kopf nach oben auf den Boden ab.

Antharax ergänzte derweil: „Leider scheint es hier eine kleines… Missverständnis zu geben, denn man zweifelt die Echtheit unserer Kriegerbriefe an. Ich sage, fragt mal Welfert von Mersingen, ob er meinen Freund Cendrasch für einen Krieger hält. In Angbar haben sie den wohl spektakulärsten Kampf ausgetragen. Rondra zum Gefallen.“

Der so gelobte nickte. „Antharax entstammt einer Sippe von Kriegern aus dem Phecanowald, dem Bergkönigreich Angoramtosch und dient als Hauptmann des ersten Banners im Eisenwalder Garderegiment Ingerimms Hammer. Er führt die Leibgarde des Marschalls der Nordmarken. Ich bin in Tosch- Mur geboren und wurde dort zum Krieger ausgebildet. Viele Jahre diente ich unserem Hochkönig auf der Schwarzdrachenwacht, bis ich zum Feldzug gegen den Reichsverräter abkommandiert wurde. Auf dem Weg nach Mendena wurde ich zum Hauptmann der fürstlichen Hellebardiere ernannt. Wir haben für das Raulsche Reich gefochten und geblutet. Niemand kann uns die Teilnahme verwehren.“

„Das sind wahrhaft ehrenvolle Referenzen, die anzuzweifeln mir fern liegt. Allein, ich kann sie nicht überprüfen.“ Rondrian von Reiffenberg ließ die Arme sinken, wodurch der Stumpf seines Schildarms auf der Parierstange seines Anderthalbhänders zu liegen kam und den Griff, wie zufällig, in eine Richtung schob, dass er ihn mit einer schnellen Bewegung der rechten Hand leicht erreichen konnte. „Meister Felian, Seine Hochgeboren von Mersingen war doch im letzten Götterlauf zu Gast bei uns. Hat er sich zufällig auch in diesem Jahr zu uns verirrt? So ließe sich die Aussage unserer beiden Gäste hier am leichtesten beweisen.“

„Es tut mir sehr leid, Euer Gnaden. Seine Hochgeboren Welfert von Mersingen hat sich bisher noch nicht angemeldet. Ich bin mir sicher, seine Ankunft in der Stadt hätte sich auch bis zu mir herumgesprochen.“

„Zu schade. Aber die Göttin schätzt nun einmal nicht den leichten Kampf.“

Nachdenklich blickte der Geweihte auf die beiden Kriegerbriefe auf dem Anmeldetisch hinter den beiden Zwergen vor ihm. Plötzlich fing er an zu grinsen und brach gar in heiteres Lachen aus.

Die beiden Zwerge sahen sich sichtlich verwundert an. Sie konnten sich wahrlich keinen Reim auf den Ausbruch des Rondrianers machen. Zum Lachen war ihnen jedenfalls nicht.

Cendrasch zuckte mit den massiven Schultern, Antharax hingegen verzog die Mundwinkel. Ihn beschlich so langsam das Gefühl, dass man sie nicht ernst nahm. Gerade wollte er etwas Entsprechendes kundtun, als der Geweihte wieder die Beherrschung wiedererlangte.

Als er die verwirrten Mienen der Umstehenden bemerkte schüttelte er noch immer lachend den Kopf und zwang sich zur Ruhe. Noch immer breit grinsend wandte er sich wieder an die Zwerge.

„Bitte entschuldigt meine plötzliche Heiterkeit, aber mir ist soeben in den Sinn gekommen, dass wir doch vor der einfachsten Lösung den Blick verschlossen haben.“ Damit wandte er sich zu den Kressenburger Zwergen in die Runde. „Werte Angroschim, sagt bitte, befindet sich zufällig die Ratsfrau Orlescha in der Nähe?“

Ein recht beleibter Hügelzwerg in edler Kleidung und einem aufwändig frisierten dunkelbraunen Bart trat vor. „Ja, Euer Gnaden, die ehrenwerte Orlescha, Tochter der Kangrascha, befindet sich gerade hier im Zeltlager.“

„Sehr gut Herr Ugrimm. Hättet Ihr wohl die Güte, sie in meinem Namen darum zu bitten, schnellstmöglich zu uns zu stoßen?“

„Stets zu Diensten, Euer Gnaden.“ Mit einer leichten Verbeugung eilte der Zwerg in Richtung des Schankzeltes davon.

"Ein guter Einfall. Bleibt zu hoffen, dass wir den Betrieb hier nicht noch viel länger aufhalten müssen, um zu einer Entscheidung zu kommen Euer Gnaden." Der Unterton in Antharaxs Stimme war gewichen. Offenbar keimte in ihm die Hoffnung, dass sie nun bald zum Turnier zugelassen werden würden.

„Ich bitte euch um Geduld meine Herren, es wird sich in Kürze alles aufklären.“ Beschwichtigend hob Rondrian die leere Rechte, ließ den linken Arm aber weiter auf dem Schwertgehänge ruhen.

Nach ein paar Minuten teilte sich die Menge erneut. Diesmal waren es vor allem die Zwerge, die ehrerbietig den Kopf neigten. Zwischen den Ritterinnen und Waffenknechten kam, den Weg bahnend, erst der dicke Ugrimm zum Vorschein, während hinter ihm zwei Zwerginnen folgten. Die eine war selbst für zwergische Verhältnisse alt, hatte ein runzliges Gesicht und schlohweiße Haare und mochte schon um die dreihundert Götterläufe gesehen haben. Hinter ihr folgte eine junge Zwergin, die aussah als wäre sie in ihren Vierzigern. Wieder blieb Ugrimm vor dem Rondra-Geweihten stehen und verbeugte sich leicht.

„Euer Gnaden, Orlescha, Tochter der Kangrascha und Nadeschda, Tochter der Orlescha, haben die Ehre eurem Ruf zu folgen.“

Cendrasch und Antharax nickten den beiden Angroschna ehrerbietend zu, schwiegen aber. Der Turniermarschall hatte nach den Zwerginnen geschickt, er würde das Wort führen. Etwas anderes würde seine Autorität untergraben. Der Sohn des Chrysoprax indes konnte trotz der noch immer angespannten Situation kaum die Augen von der jungen Nadeschda lassen, die ihm ausgesprochen gut gefiel. Die junge Zwergin indes musterte die Neuankömmlinge nur mit einem kurzen Blick, bevor sie sich wie ihre Mutter zum Rondra-Geweihten umwandte.

„Euer Gnaden Rondrian. Ihr habt nach mir rufen lassen. Wie kann ich Euch helfen?“ Die Stimme der alten Zwergin war erstaunlich klar und volltönend und verriet, dass sie trotz ihres gealterten Aussehens noch voll Lebenskraft steckte.

„Ehrenwerte Orlescha“, erwiderte der Geweihte, „ich bedarf Eurer Hilfe bei der Übersetzung der Kriegerbriefe dieser beiden Herren hier. Sie haben mir glaubhaft versichert bereits an Turnieren teilgenommen hohe militärische Posten im Kosch und den Nordmarken inne zu haben. Allein mein Rogolan ist bei weitem nicht ausreichend, um die Echtheit dieser Dokumente zu überprüfen. Wenn Ihr wohl die Güte hättet einen Blick darauf zu werfen?“

„Natürlich, wenn es weiter nichts ist, Euer Gnaden.“ Orlescha trat neben die beiden Zwergenkrieger an den Tisch des Herolds. Nacheinander nahm sie die Kriegerbriefe in die Hand und las sie sich aufmerksam durch. Danach besah sie sich die beiden Angroschim einmal von oben bis unten und wandte sich mit einem energischen Nicken zu Rondrian um. „Die beiden sind in Ordnung.“

„Wunderbar!“ Rondrian schlug mit seinem Armstumpf in die Handfläche der rechten Hand und grinste wieder über das ganze Gesicht. „Vielen Dank für Eure Hilfe, ehrenwerte Orlescha.“ Artig verneigte er sich vor der alten Zwergin.

„Ich helfe immer gern.“ Zu den beiden Zwergenkriegern umgewandt sagte sie auf Rogolan: „Viel Erfolg und Angroschs Segen, werte Vettern. Möge der Große Schmied euren Waffenarm führen und ihr den Langen zeigen was eine Zwergenaxt wert ist.“

Beide Angroschim, deren Mienen sich deutlich aufgehellt hatten, nachdem die Zwergin ihre Dokumente bestätigt hatte, begannen breit zu grinsen, als sie so ermutigt wurden.
Athax war es, der darauf antwortete: „Das werden wir bei Angroschs Hammer. Habt Dank ehrwürdiges Mütterchen.“

Mit einem kurzen Nicken verabschiedete sich Orlescha und wandte sich zum Gehen. Nadeschda warf noch einen letzten kurzen Seitenblick auf die beiden Krieger, ehe sie sich mit einem stolzen Augenaufschlag ihrer Mutter anschloss.

„Sehr gut“, sagte Rondrian, nachdem er den Abgang der Zwerginnen abgewartet hatte. „Meister Felian, die beiden Herren hier sind zum Fusskampf zugelassen. Notiert ihre Namen und tragt sie in die Liste ein.“ Mit plötzlich von Autorität erfüllter Stimme wandte er sich dann an die Umstehenden. „Und wer nichts mit dem Herold oder mir zu besprechen hat, verlässt jetzt den Platz und kümmert sich um seine Angelegenheiten!“

Aufmerksam verfolgten Cendrasch und Antharax, wie die Schreibfeder über das Pergament kratzte. Es ging nicht nur darum, dass ihre Namen endlich in der Teilnehmerliste eingetragen wurden, sondern es musste auch sichergestellt sein, dass ihre Namen, die ihrer Väter und ihrer Sippen richtig geschrieben waren.
Nachdem das geschehen war, hoben die beiden ihre schweren Waffen wieder über die Schultern und ließen sich ihre Kriegerbriefe wieder aushändigen. Danach rückten sie von der Anmeldung ab, wonach sich der kleine Auflauf vor dieser ebenfalls langsam auflöste.

~*~