Brinn

Neben Dalla und Honne speißt noch ein drittes Fließgewässer die Tommel. Hierbei handelt es sich um den Brinn, der sich zwar nicht ganz mit der Honne messen kann, sich aber auch nicht hinter ihr verstecken muss. Er entspringt tief im Treuklinger Wald im Rittergut Brinborn und fließt dann in praios-rahja-wärtiger Richtung beim Gutshof Brinnmühle in die Tommel. Dabei passiert sie neben der erwähnten Brinnmühle, zunächst den Gutshof Brinnborn, anschließend Brinnen und, in einiger Entfernung, die Wüstung Weitenfeld¹.

Folgt man dem Bachlauf beginnend am rahjawärtigen Waldesrand, wo sich der Brinn aus seiner schattigen Deckung begibt, passiert der Wanderer zunächst den Gutshof Brinnborn.
Weiter kräftig ausschreitend begrüßen den mittlerweile sicher ein wenig müden und hungrigen Naturfreund weite Gemüse- und Getreidefelder. Dennoch mag es dem ein oder anderen Wanderer hier dennoch den Hunger verschlagen, liegt doch vor allem zur Erntezeit ein bisweilen empörender Zwiebelgeruch in der Luft. Doch das Auge erfreut sich am Anblick der weiten Felder, vor allem dann, wenn er mit Weizen oder auch Emmer bestellt ist. Der Anblick der sich in einer sanften Sommerbrise wiegenden Ähren hebt auch das schwerste Herz und macht es leicht.
Lässt man Brinnen nach einem kurzen Besuch des Travia- oder Peraine-Schreines hinter sich, eröffnet sich rasch ein kleines Kuriosum: sowohl hinter als auch vor dem Reisenden erstreckt sich der Treuklinger Wald, denn dieser erstreckt sich in weitem Bogen auch ins praioswärts von Brinnen gelegene Rittergut Auroth. Also stramm auf ihn zumarschiert, bis sich der Weg, auf dem man sich bisher befand, für einen kurzen Moment vom Brinn trennt, nur um sich keine Meile später wieder mit ihm zu vereinen und sich an gemeinsam mit ihm an die Waldausläufer zu schmiegen.
Mittlerweile befindet sich der Wanderer auch schon im Rittergut Auroth, doch folgt er noch immer Wanderweg und Bach um den Treuklinger Wald herum, bis er schließlich auf Höhe dessen maximaler, rahjawärtigen Ausdehnung vor einer Brücke steht – und damit vor einem Scheideweg. Folgt er nun dem Weg weiter über die Brücke hin zum Färhhof Auroth oder weiter dem Bach?
Er entscheidet sich natürlich für den Brinn und damit für einen kleinen Trampelpfad durch die sanften Hügel Auroths. Wenig später passiert der tapfere Freund des Fließgewässers linker Hand die Wüstung Weitenfeld, ein Mahnmal der Vergänglichkeit.
Nun meldet sich der Hunger wieder und der eifrige Wanderer beschleunigt seine Schritte, um schließlich am Gutshof Brinnmühle Stärkung und Ruhe zu finden – und den verloren geglaubten Freund des Brinn, den Wanderweg, der von Praios heran über eine zweite Brücke ebenso zur Brinnmühle führt.
Nach dieser langen Wanderung legt er nun lächelnd die Füße hoch und erinnert sich an die Pracht und Schönheit, die die Natur auf unserem Weg für uns bereithielt.

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¹ Sicher fragt sich nun der verständige Leser, wessen Name zuerst da war? Gut, Dorf oder Bach? Ich habe da so eine Theorie, die simpel erklärt und schnell niedergeschrieben ist:

Ohne Siedlung, keine Menschen. Ohne Menschen keine Notwendigkeit einen Bach zu benennen – abgesehen davon, dass niemand den Namen des Flusses hätte kennen können, ohne dass er vorher benannt worden und in aller Munde gewesen sein musste. Ich hoffe geneigte Leserschaft kann mir folgen, wobei diese Diskussion, die in meinen Augen keine sein müsste, ja wie eingangs erwähnt hauptsächlich in verständigen Köpfen entbrennt.

Wie man auf den Namen kam und warum sich die Altvorderen bei allen guten Göttern so schwer damit taten, sich mehr als EINEN Namen für etwas auszudenken, weiß heute natürlich niemand mehr…

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Auszug aus: „Zwischen Dörfern und Burgen: Eine Entdeckungsreise durch Tommelsbeuge“ von Rahjaehr