Kleiner Gitzelbach

Der Kleine Gitzelbach oder "Die Gitze", wie ihn einige Tommelsbeuger nennen, entspringt efferdwärts des Tommeltannns und verläuft dann zu gleichen Teilen praios- wie rahjawärts, ehe er sich unweit des Gutshof Waldecks mit der Honne vereint.

Die Gitze verdient sich kaum die Bezeichnung Bach, handelt es sich hier lediglich um ein Fließgewässer von knapp einem Schritt Breite. Somit eignet sie sich bestenfalls zur Erfrischung, zum Auffüllen der Feldflasche oder zum barfüßigen durchwandern. An heißen Tagen bietet der kleine Wasserlauf eine hervorragende Abkühlung für die hitzegeplagten Füße, wobei man aufpassen sollte, wohin man tritt – denn selbst in den allerkleinsten Bächen liegen rutschige Steine.
Als Schriftsteller bin ich – solange ich keine ausgewiesenen Fantasieerzählungen verfasse – der Wahrheit verpflichtet, sodass ich an dieser Stelle zugeben muss, den obigen Passus über die Gitze ein zweites Mal verfasst zu haben, nachdem es mich nach Abschluss der ersten Niederschrift der Länge nach in die Gitze geschlagen hat, was selbige gänzlich unbrauchbar machte.
Weiters muss ich zugeben, dass meine Unachtsamkeit aus der Tatsache resultierte, dass mich im kühlen Nass die Muse küsste und ich, während ich durch die Gitze stapfte, ein kleines Gedicht zu Papier bringen wollte, dass ich Euch, geneigter Leser, natürlich nicht vorenthalten will:

"Mit nacktem Fuß auf nacktem Stein,
Man möchte meinen, es sei Pein!
Doch nur erfrischend ist’s Gefühl,
Dass ich Euch anempfehlen will!"

Leider vertrat ich mich bereits nach dieser ersten Strophe dergestalt, dass mein ganzer Körper kurzerhand mit dem kühlen Nass in Verbindung trat. Danach war das Gedicht wie weggespült – ich weiß nicht, ob es nun am Schreck oder dem Schmerz in den Rippen lag. Einerlei, ich memorierte hernach nur noch diese vier Verse.

Und dennoch möchte ich jedem die kleine Wanderung von Quelle bis Mündung durch die Gitze ans Herz legen. Wer will, genehmigt sich am Ende derselben ein Waldecker Helles bei Wellhausens im Gasthaus Waldeck.

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Auszug aus: "Zwischen Dörfern und Burgen: Eine Entdeckungsreise durch Tommelsbeuge" von Rahjaehr