Der Adel schickt sich an

Kapitel 4-2: Der Adel schickt sich an

Nach einem außergewöhnlich strengen Winter im Herzogtum Nordmarken, folgte ein warmer Sommer. Ja, die heitere Göttin Rahja legte ihr Augenmerk auf die nordmärker Bewohner und ließ sie Firuns Gnadenlosigkeit vergessen. Insbesondere in einer Provinz im Gratenfelser Becken schien es, als ob die Holde selbst zum Feiern rufen würde. Die lange Zeit unauffällige Baronie Schweinsfold trat endlich aus ihrem Schatten, feierte die heiligen Tage der Weingöttin in ihren Dörfern und Städtchen ausgiebig und luden sogar die Nachbarn aus den Nachbarbaronien ein. Insbesondere die größte Ortschaft Schweinsfolds zog viele Reisende, Händler und Adlige an, um dieses Jahr der Göttin der Liebe zu huldigen. Denn schon fast ein ganzes Jahr lang wurde die Kunde verbreiten von einem ganz besonderen Ereignis im Adel: die Brautschau von Herzogenfurt!

Das Erste, was man von der Capitale der Baronie Schweinsfold sah, waren die gepflegte Fachwerkhäuser, die zum größten Teil gepflasterte Gassen und die wenigen Steinhäuser. Die kleine, aber wohlhabende Ortschaft war ein wichtiger Ort für durchreisende Händler, denn von hier aus wurde das wichtigste Gut der Baronie umgeschlagen: das Schwein! Nirgendwo sonst in den Nordmarken war die Schweinezucht und die Verarbeitung des Fleisches so lukrativ wie dort. Und so prägten die Anwesenheit von Händlern aus allen Provinzen, Viehbauern, Fleischer und Garküchen das Stadtleben von Herzogenfurt. Vor den Toren prangten die Türme der Zollbrücke, die das Flüsschen Foldenquell überspannte und den Händlern von der Rahja-Efferdwärtige-Verbindung von Amleth nach Honingen ein Kommen und Gehen ermöglichte. Gekrönt wurde der Baronsitz von einer wuchtigen Burg, an die, für den kundigen Betrachter, die etwas zu hohen Stadtmauer angeschlossen war. Doch der berühmteste Ort und das Zentrum Herzogenfurts war der Lilienpark. Jeder in der Provinz, fast jeder in der Grafschaft Gratenfels und viele Leute in den Nordmarken kannten die Liebesgeschichte von der ´Mär der Lilienprinzessin´ - einer Fee, die ihre Unsterblichkeit aufgab, um bei ihren geliebten Menschen zu bleiben. Viele Barden und Bänkelsänger sangen ihre Geschichte und seither zog es viele Verliebte jedweder Altersgruppe in den Stadtpark von Herzogenfurt. Den Laut der Geschichten zufolge, lebten die beiden Liebenden bis zum Ende ihrer Tage in einem Lilienhain, der heutzutage der besagte Stadtpark sein sollte. Doch heute, am 8. Rahja 1042 nach Bosparans Fall, war dieser Park für das einfache Volk geschlossen worden. Das alte und eher unauffällige Adelshaus ´von Altenberg´ organisierte eine Brautschau und lud dazu den Adel des ganzen Herzogtums ein. Und genau dieses Ereignis sollte nun mit einem Fest im Stadtpark zelebriert werden.


Rahjel von Altenberg konnte sein Grinsen kaum verbergen. Der gutaussehende Mittdreißiger sass hoch zu Pferd in seiner roten Tunika, die mit Rosen und Weinlaubmotiven bestickt war, und genoss es, endlich angekommen zu sein. Im letzten Winter erreicht ihn die überraschende Nachricht seiner Familie, in der er gebeten wurde bei einer Brautschau, das Fest zu gestalten und den Segen der Holden zu Spenden. Und somit hatte er sich früh von seinem Heimattempel in Albenhus losgemacht, um pünktlich in die Capitale der Baronie Schweinsfold zu reisen. Rahjel war schon oft in der kleinen Stadt Herzogenfurt, aber noch nie hatte er die Bürger so ausgelassen erlebt. Erst gestern war der letzte Tag des Fest der Freuden, sieben volle Tage die der Göttin der Liebe gewidmet waren. Aber noch immer lag ihr Segen auf dieser Stadt. An vielen Häusern waren immer noch Blumen und rote Wimpel angebracht, die Herzogenfurter wirkten fröhlich und an vielen Ecken konnte man feiernde Stimmen hören. Die neue Baronin von Schweinsfold und Herrin dieser Stadt schöpfte aus allen Vollen, um der Liebholden zu ehren. Der Geweihte der Rahja war zufrieden. Wie es schien, war die Brautschau unter einem guten Stern. Mit sanften Schenkeldruck lenkte er seinen Elenvina Vollblüter Tharun zum Eingang des berühmten Stadtparks, wo die Vorbereitungen für das kommende Werben im vollen Gange war. Das schmiedeeiserne, doppelflügelige Tor war geschlossen, denn es war von der Baronin veranlasst, dass der Park an diesem Tag nur für die Gäste der Brautschau zugänglich sein sollte. “Rahja zum Gruß, euer Gnaden!”, begrüßte ihn eine helle Stimme. Als er sich umsah entdeckte er die schlanke Gestalt eine blondhaarigen, niedlichen Frau. Der Geweihte kannt die Tochter des Gartenmeisters Rahjagoras schon seit ihren Kindheitstagen. Doch nun war sie zur Frau erwachsen und die Holde hatte auch ihr die Schönheit in die Wiege gelegt. “Rahja zum Gruße, liebliche Flora. Es ist schön dich wieder zu sehen!”, antwortete er ihre Begrüßung. Die Zwanzigjährige trug ihr weizenblondes Haar in zwei ordentlich geflochtenen Zöpfen, die ihr fast bis zur Hüfte reichte. Sie trug eine grüne Schürze über einem schulterfreien, roten Kleid. Die grünen Handschuh verrieten, dass sie mitten in der Gartenarbeit steckte. “Vater hat dich schon erwartet, Rahjel. Ich werde dich zur Festwiese bringen. Die Gäste werden erst zur Weinstunde reingelassen, also hast du noch ein wenig Zeit. Ich bin schon sehr auf das Fest gespannt!”, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln, während sie das Tor öffnete. Rahjel warf ihr einen Luftkuss entgegen und trieb sein Pferd in den Park hinein.

Gäste im Gästetrakt der Burg