Geschichte Die Abtei: Unterschied zwischen den Versionen

 
(4 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 288: Zeile 288:
 
Das verfallene Kloster lag ein wenig abseits des Weges auf einem sanften Hügel, umgeben von den Ausläufern des Treuklinger Waldes. Letzterer hatte schon vor langem begonnen, sich den ehemaligen Kulturort wieder einzuverleiben. Die bis auf die Grundmauern zerfallene Abtei Gänshof, die einst Sinnbild für Gastfreundschaft, Familie und Beständigkeit war, ist nun kaum mehr zu sehen. Man musste sich schon anstrengen, um zwischen all den Büschen und Bäumen in unterschiedlicher Größe eben jene Mauerreste zu erkennen. Immerhin hatten die Reisenden die Strecke recht zügig hinter sich gebracht. So stand die Praiosscheibe noch hoch am Himmel und würde auch nicht allzu zeitnah untergehen.<br>
 
Das verfallene Kloster lag ein wenig abseits des Weges auf einem sanften Hügel, umgeben von den Ausläufern des Treuklinger Waldes. Letzterer hatte schon vor langem begonnen, sich den ehemaligen Kulturort wieder einzuverleiben. Die bis auf die Grundmauern zerfallene Abtei Gänshof, die einst Sinnbild für Gastfreundschaft, Familie und Beständigkeit war, ist nun kaum mehr zu sehen. Man musste sich schon anstrengen, um zwischen all den Büschen und Bäumen in unterschiedlicher Größe eben jene Mauerreste zu erkennen. Immerhin hatten die Reisenden die Strecke recht zügig hinter sich gebracht. So stand die Praiosscheibe noch hoch am Himmel und würde auch nicht allzu zeitnah untergehen.<br>
 
<br>
 
<br>
“Da wären wir.”, sprach Hauptmann Lertes das Offensichtliche aus und tätschelte gedankenverloren den Hals seines Pferdes.<br>
+
''"Da wären wir"'', sprach Hauptmann Lartes das Offensichtliche aus und tätschelte gedankenverloren den Hals seines Pferdes.<br>
 
Gereon führte sein Pferd nach vorne und besah sich die Szenerie.<br>
 
Gereon führte sein Pferd nach vorne und besah sich die Szenerie.<br>
“Sieht nicht so aus als kämen wir auf den Pferden wesentlich näher heran. Schade.<br>
+
''"Sieht nicht so aus als kämen wir auf den Pferden wesentlich näher heran. Schade."''<br>
 
Seufzend saß er ab und begann sich an dem Bündel auf dem Rücken seines Reittiers zu schaffen zu machen. Zum Vorschein kamen dabei ein im Kosch üblicher Gambeson, ein Paar metallene Beinschienen und der Kopf einer Mordaxt sowie eine wattierte Gugel mit sehr langem Zipfel. Routiniert legte die Rüstung an, um dann den Kopf eines der beiden - an der Seite des Rosses - mitgeführten Jagdspeere gegen den der 'Mordaxt' auszutauschen.<br>
 
Seufzend saß er ab und begann sich an dem Bündel auf dem Rücken seines Reittiers zu schaffen zu machen. Zum Vorschein kamen dabei ein im Kosch üblicher Gambeson, ein Paar metallene Beinschienen und der Kopf einer Mordaxt sowie eine wattierte Gugel mit sehr langem Zipfel. Routiniert legte die Rüstung an, um dann den Kopf eines der beiden - an der Seite des Rosses - mitgeführten Jagdspeere gegen den der 'Mordaxt' auszutauschen.<br>
“Was meint Ihr?, sprach er dabei zu den anderen und prüfte die Festigkeit der 'Mordaxt' am Schaft.<br>
+
''"Was meint Ihr?"'', sprach er dabei zu den anderen und prüfte die Festigkeit der 'Mordaxt' am Schaft.<br>
“Sollten wir uns aufteilen, oder uns einfach umsehen?<br>
+
''"Sollten wir uns aufteilen, oder uns einfach umsehen?"''<br>
 
Zu guter letzt verstaute er sein Schwert wieder im Bündel und behielt nur den Dolch. Er zog die Gugel über und sicherte diese am Kopf mithilfe des Zipfels als eine Art Stoffhelm - auch wenn dieser mehr dazu geeignet schien einem echten Helm als wattierung zu dienen.<br>
 
Zu guter letzt verstaute er sein Schwert wieder im Bündel und behielt nur den Dolch. Er zog die Gugel über und sicherte diese am Kopf mithilfe des Zipfels als eine Art Stoffhelm - auch wenn dieser mehr dazu geeignet schien einem echten Helm als wattierung zu dienen.<br>
"Die Frage ist also: Erwarten wir Probleme?"<br>
+
''"Die Frage ist also: Erwarten wir Probleme?"''<br>
 
Grinsend sah Gereon seine Begleiter an - wieder einmal selbst sehr amüsiert über die Diskrepanz seiner Tätigkeit und Frage.<br>
 
Grinsend sah Gereon seine Begleiter an - wieder einmal selbst sehr amüsiert über die Diskrepanz seiner Tätigkeit und Frage.<br>
 
Hilfesuchend sah Aleydis daraufhin zur gräflichen Vögtin, nachdem er dem Ritter etwas verwundert bei dessen Verrichtungen zugesehen hatte. Er saß noch immer auf seinem Pferd und frug zögerlich:<br>
 
Hilfesuchend sah Aleydis daraufhin zur gräflichen Vögtin, nachdem er dem Ritter etwas verwundert bei dessen Verrichtungen zugesehen hatte. Er saß noch immer auf seinem Pferd und frug zögerlich:<br>
“Er… erwarten wir denn Pro… Probleme?<br>
+
''"Er... erwarten wir denn Pro... Probleme?''"<br>
Während der Hohe Herr von Hauerberg sich gerüstet hatte, hatte Drego still die Umgebung betrachtet.
+
Während der Hohe Herr von Hauerberg sich gerüstet hatte, hatte Drego still die Umgebung betrachtet. Irminella hingegen hatte die Geschäftigkeit des Hohen Herren von Hauerberg beobachtet. Dabei hatten Stirnrunzeln, leichtes Kopfschütteln, das Hochziehen der rechten Augenbraue aber auch immer wieder ein kleines Lächeln Zeugnis ihres Innenlebens gegeben. Als sie nun direkt angesprochen wurde, lächelte sie deutlicher.<br>
Irminella hingegen hatte die Geschäftigkeit des Hohen Herren von Hauerberg beobachtet. Dabei hatten Stirnrunzeln, leichtes Kopfschütteln, das Hochziehen der rechten Augenbraue aber auch immer wieder ein kleines Lächeln Zeugnis ihres Innenlebens gegeben. Als sie nun direkt angesprochen wurde, lächelte sie deutlicher.<br>
+
''"Ich denke nicht, dass wir uns für den Krieg rüsten müssen"'', antwortete sie. <br>
"Ich denke nicht, dass wir uns für den Krieg rüsten müssen", antwortete sie. <br>
 
 
In ihrer Stimme schwang dabei ein deutlich ironischer Unterton mit und nun lächelten auch ihre Augen. Aleydis kannte diesen Ton 'seiner' Burgvögtin. Das, was sie da sagte, meinte sie humorvoll.<br>
 
In ihrer Stimme schwang dabei ein deutlich ironischer Unterton mit und nun lächelten auch ihre Augen. Aleydis kannte diesen Ton 'seiner' Burgvögtin. Das, was sie da sagte, meinte sie humorvoll.<br>
"Aber was uns dort tatsächlich erwartet, weiß ich nicht - von Brombeersträuchern und Brennnesseln einmal abgesehen."<br>
+
''"Aber was uns dort tatsächlich erwartet, weiß ich nicht - von Brombeersträuchern und Brennnesseln einmal abgesehen."''<br>
 
Langsam ließ der Hauptmann sich daraufhin vom Pferd gleiten und nahm dieses dann an den Zügeln. Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er zu den Ruinen hinüber und strich sich mit der linken Hand gedankenverloren über seinen schmalen Oberlippenbart.<br>
 
Langsam ließ der Hauptmann sich daraufhin vom Pferd gleiten und nahm dieses dann an den Zügeln. Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er zu den Ruinen hinüber und strich sich mit der linken Hand gedankenverloren über seinen schmalen Oberlippenbart.<br>
“Hmmm…finden wir es heraus!<br>
+
''"Hmmm... finden wir es heraus!"''<br>
"Muss ja, nicht?", seufzte Drego beim Anblick der vielen Sträucher und saß ab.<br>
+
''"Muss ja, nicht?"'', seufzte Drego beim Anblick der vielen Sträucher und saß ab.<br>
"Die Hohen Herrschaften mögen auf die Brombeeren aufpassen."<br>
+
''"Die Hohen Herrschaften mögen auf die Brombeeren aufpassen."''<br>
Er hängte sich seine lederne Tasche um und schickte sich sodann an, auf die Ruinen zuzustapfen.<br>
+
Er hängte sich seine lederne Tasche um und schickte sich sodann an, auf die Ruinen zuzustapfen. Irminella lachte bei diesem Anblick laut auf.<br>
Irminella lachte bei diesem Anblick laut auf.<br>
+
''"Ja, ja. Ins Unbekannte sollten wir allen voran unseren Herrn Medicus schicken."''<br>
"Ja, ja. Ins Unbekannte sollten wir allen voran unseren Herrn Medicus schicken."<br>
 
 
Kopfschüttelnd und noch immer grinsend gürtete sie sich im Gehen ihr Schwert um, um nicht den Anschluss an Drego zu verlieren. Nach wenigen Schritten wandte sie sich noch einmal um.<br>
 
Kopfschüttelnd und noch immer grinsend gürtete sie sich im Gehen ihr Schwert um, um nicht den Anschluss an Drego zu verlieren. Nach wenigen Schritten wandte sie sich noch einmal um.<br>
"Die Herren?"<br>
+
''"Die Herren?"''<br>
 
<br>
 
<br>
 
Der Hauptmann folgte wortlos und führte sein Pferd nach wie vor am Zügel mit sich. Sein Blick aber striff rastlos über die vor ihm liegenden Ruinen.<br>
 
Der Hauptmann folgte wortlos und führte sein Pferd nach wie vor am Zügel mit sich. Sein Blick aber striff rastlos über die vor ihm liegenden Ruinen.<br>
 
Jetzt, da der Frühling machtvoll Einzug gehalten hatte, erwachte auch die Natur um die Ruine herum in lebendiger Pracht. Die Bäume, die einst die Abtei umgeben hatten, blühten in verschiedenen Grüntönen und bildeten einen starken Kontrast zum tristen Anblick der Ruine. Auf den weitläufigen Wiesen wuchsen wilde Blumen und Kräuter, die nicht nur das Auge erfreuten - denn es lag ein deutlich wahrnehmbarer Blumen- und Kräuterduft in der Luft. Vögel sangen fröhlich in den Bäumen, und das Summen, Brummen und Zirpen von Insekten umgab die Hohen Herrschaften.<br>
 
Jetzt, da der Frühling machtvoll Einzug gehalten hatte, erwachte auch die Natur um die Ruine herum in lebendiger Pracht. Die Bäume, die einst die Abtei umgeben hatten, blühten in verschiedenen Grüntönen und bildeten einen starken Kontrast zum tristen Anblick der Ruine. Auf den weitläufigen Wiesen wuchsen wilde Blumen und Kräuter, die nicht nur das Auge erfreuten - denn es lag ein deutlich wahrnehmbarer Blumen- und Kräuterduft in der Luft. Vögel sangen fröhlich in den Bäumen, und das Summen, Brummen und Zirpen von Insekten umgab die Hohen Herrschaften.<br>
Die ehemalige Abtei selbst war jedoch ein trauriges Zeugnis vergangener Zeiten. Die ehemaligen Steinmauern des Klosters waren nun von Moosen, Ranken und Efeu überzogen, und zahlreiche Lücken und Risse zeugten von Satinavs Zahn, der hier im Laufe der vergangenen Jahrhunderte seinen Dienst getan hatte.
+
Die ehemalige Abtei selbst war jedoch ein trauriges Zeugnis vergangener Zeiten. Die ehemaligen Steinmauern des Klosters waren nun von Moosen, Ranken und Efeu überzogen, und zahlreiche Lücken und Risse zeugten von Satinavs Zahn, der hier im Laufe der vergangenen Jahrhunderte seinen Dienst getan hatte. Dennoch strahlte die Ruine noch immer eine gewisse Atmosphäre der Ruhe und des Friedens aus. Nun, da die Sonne durch die Baumkronen schien und das Grün der umgebenden Natur die grauen Steinmauern umrahmte, konnten sich die Hohen Herrschaften gut vorstellen, wie hier einst Priester, Novizen und Tommelsbeuger an diesem Ort der Gemeinschaft verweilten. Die Vögel, die die Ruine heute als Nistplatz gewählt hatten, trugen zur lebendigen Kulisse bei und, auch wenn sie nicht in der Lage waren, den Verfall aufzuhalten, hielten sie, ganz ohne es zu wissen, noch immer die Prinzipien Travias in Ehren: Heim, Familie, Fürsorge und Gemeinschaft.<br>
Dennoch strahlte die Ruine noch immer eine gewisse Atmosphäre der Ruhe und des Friedens aus. Nun, da die Sonne durch die Baumkronen schien und das Grün der umgebenden Natur die grauen Steinmauern umrahmte, konnten sich die Hohen Herrschaften gut vorstellen, wie hier einst Priester, Novizen und Tommelsbeuger an diesem Ort der Gemeinschaft verweilten. Die Vögel, die die Ruine heute als Nistplatz gewählt hatten, trugen zur lebendigen Kulisse bei und, auch wenn sie nicht in der Lage waren, den Verfall aufzuhalten, hielten sie, ganz ohne es zu wissen, noch immer die Prinzipien Travias in Ehren: Heim, Familie, Fürsorge und Gemeinschaft.<br>
 
 
Somit war die ehemalige Abtei Gänsehof ein Ort der Kontraste - zwischen der Schönheit der erwachenden Natur und dem langsamen Verfall eines einst wichtigen Gebäudes. Es war ein Ort, der die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke in eindrucksvoller Weise darstellte.<br>
 
Somit war die ehemalige Abtei Gänsehof ein Ort der Kontraste - zwischen der Schönheit der erwachenden Natur und dem langsamen Verfall eines einst wichtigen Gebäudes. Es war ein Ort, der die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke in eindrucksvoller Weise darstellte.<br>
 
Aleydis suchte nach einem Baum oder Strauch, an welchem er sein Pferd festbinden konnte. Kopfschütteln übersah er dabei die verfallenen und überwachsenen Mauern.<br>
 
Aleydis suchte nach einem Baum oder Strauch, an welchem er sein Pferd festbinden konnte. Kopfschütteln übersah er dabei die verfallenen und überwachsenen Mauern.<br>
“Glaub’ ja nicht, dass wir hier irgendwas finden.<br>
+
''"Glaub’ ja nicht, dass wir hier irgendwas finden."''<br>
 
Schnell hatte Aleydis einen passenden Baum ausgemacht, an dem er sein Pferd festmachen konnte. Irminella von Eberbach und Drego hatten es ihm gleichgetan, wobei Drego das Festbinden Tamas, die Stute Ihrer Wohlgeboren von Eberbach, übernommen hatte. Je näher Aleydis daraufhin der Ruine kam, desto lauter wurde zunächst das Gezwitscher der Vögel, die kurz darauf dann letztlich doch ihr Heil laut protestierend in der Flucht suchten.<br>
 
Schnell hatte Aleydis einen passenden Baum ausgemacht, an dem er sein Pferd festmachen konnte. Irminella von Eberbach und Drego hatten es ihm gleichgetan, wobei Drego das Festbinden Tamas, die Stute Ihrer Wohlgeboren von Eberbach, übernommen hatte. Je näher Aleydis daraufhin der Ruine kam, desto lauter wurde zunächst das Gezwitscher der Vögel, die kurz darauf dann letztlich doch ihr Heil laut protestierend in der Flucht suchten.<br>
 
Aus der Nähe betrachtet machten die Ruinen im Grunde denselben Eindruck wie aus der Ferne, nur dass man von hier die verschiedenen Blumen, Pflanzen, Sträucher und Bäume voneinander unterscheiden konnte - so man denn wollte.<br>
 
Aus der Nähe betrachtet machten die Ruinen im Grunde denselben Eindruck wie aus der Ferne, nur dass man von hier die verschiedenen Blumen, Pflanzen, Sträucher und Bäume voneinander unterscheiden konnte - so man denn wollte.<br>
 
Drego schien sich offenbar tatsächlich für die Fauna hier zu interessieren. So kniete er sich hier und dort vor ein Gewächs, um es zu befühlen oder daran zu riechen. Den Ausruf des Gardehauptmanns schien er gar nicht vernommen zu haben, so vertieft war er in seine Betrachtungen - wobei er dessen Einschätzung ohnehin nicht geteilt hätte, bei dieser Fülle an Leben. Irminella hingegen schritt, nachdem sie Drego die Zügel ihrer Tama übergeben hatte, mit auf dem Rücken verschränkten Händen durch und über die Mauerreste. Hin und wieder blieb sie stehen und schien etwas auf dem Boden zu suchen, nur um dann wieder weiterzugehen. Erst, als sie an den Mauerresten vorbei ein wenig weiter in Richtung des Treuklinger Waldes geschritten war, verweilte sie ein wenig länger und trat mit dem Fuß gegen etwas auf dem Boden.<br>
 
Drego schien sich offenbar tatsächlich für die Fauna hier zu interessieren. So kniete er sich hier und dort vor ein Gewächs, um es zu befühlen oder daran zu riechen. Den Ausruf des Gardehauptmanns schien er gar nicht vernommen zu haben, so vertieft war er in seine Betrachtungen - wobei er dessen Einschätzung ohnehin nicht geteilt hätte, bei dieser Fülle an Leben. Irminella hingegen schritt, nachdem sie Drego die Zügel ihrer Tama übergeben hatte, mit auf dem Rücken verschränkten Händen durch und über die Mauerreste. Hin und wieder blieb sie stehen und schien etwas auf dem Boden zu suchen, nur um dann wieder weiterzugehen. Erst, als sie an den Mauerresten vorbei ein wenig weiter in Richtung des Treuklinger Waldes geschritten war, verweilte sie ein wenig länger und trat mit dem Fuß gegen etwas auf dem Boden.<br>
“Hier war auch mal was!", rief sie dann über die Schulter.<br>
+
''"Hier war auch mal was!"'', rief sie dann über die Schulter.<br>
 
+
Gereon betrat als letzter die Wiese und musterte die Überreste. Sich sichtlich entspannend zog er sich die Kapuze seiner Gugel wieder vom Kopf und lauschte den anderen und den vielfachen Vogelstimmen in der Umgebung. Was seinen Argwohn offenbar so weit besänftigte, dass sich ein Lächeln in sein Gesicht schlich. Nahestehende hätten in diesem Moment ein leises Pfeifen vernehmen können, das den empörten Ruf einer aufgeschreckten Totenamsel nachahmte.<br>
Gereon betrat als letzter die Wiese und musterte die Überreste. Sich sichtlich entspannend zog er sich die Kapuze seiner Gugel wieder vom Kopf und lauschte den anderen und den vielfachen Vogelstimmen in der Umgebung. Was seinen Argwohn offenbar so weit besänftigte, dass sich ein Lächeln in sein Gesicht schlich.  
+
''"Bei Travia, entschuldige bitte"'' flüsterte er vor sich hin.<br>
ahestehende hätten in diesem Moment ein leises Pfeifen vernehmen können, das den empörten Ruf einer aufgeschreckten Totenamsel nachahmte.<br>
+
Zwischen den überwucherten Mauerresten erkannte Gereon zwar Wildpfade, bisher schien sich aber nichts durch dieses Unterholz bewegt zu haben, was größer wäre als ein Eber. Der Ausruf Irminellas unterbrach seinen Gedankengang und brachte die Vorsicht zurück in sein Gesicht.<br>
”Bei Travia, entschuldige bitte”, flüsterte er vor sich hin.<br>
+
''"Was genau meint Ihr euer Wohlgeboren?"''<br>
Zwischen den überwucherten Mauerresten erkannte Gereon zwar Wildpfade, bisher schien sich aber nichts durch dieses Unterholz bewegt zu haben, was größer wäre als ein Eber.  
+
''"Ein weiteres Gebäude, ebenfalls komplett verfallen"'', antwortete sie, ohne aufzusehen.<br>
Der Ausruf Irminellas unterbrach seinen Gedankengang und brachte die Vorsicht zurück in sein Gesicht.<br>
+
''" Aber wesentlich kleiner."''<br>
“Was genau meint Ihr euer Wohlgeboren?<br>
 
"Ein weiteres Gebäude, ebenfalls komplett verfallen.", antwortete sie, ohne aufzusehen.<br>
 
"Wesentlich kleiner."<br>
 
 
Dann zuckte sie mit den Achseln und wandte sich zu den Herren um.<br>
 
Dann zuckte sie mit den Achseln und wandte sich zu den Herren um.<br>
"War's das schon?"<br>
+
''"War's das schon?"''<br>
“Ich denke nicht Euer Wohlgeboren", antwortete Gereon.<br>
+
''"Ich denke nicht, Euer Wohlgeboren"'', antwortete Gereon.<br>
"Ich meine wir sollten das Gelände einmal organisiert untersuchen und eventuell auch eine Nacht hier verbringen?"<br>
+
''"Ich meine wir sollten das Gelände einmal organisiert untersuchen und eventuell auch eine Nacht hier verbringen?"''<br>
 
Lauter und an die anderen gerichtet rief er:<br>
 
Lauter und an die anderen gerichtet rief er:<br>
“Was halten die Herren davon, das Gelände organisiert von Aves nach Efferd zu untersuchen und uns dabei eine Stätte für das Nachtlager auszusuchen?.<br>
+
''"Was halten die Herren davon, das Gelände organisiert von Aves nach Efferd zu untersuchen und uns dabei eine Stätte für das Nachtlager auszusuchen?"''.<br>
“Hmmm, von mir aus können wir das gerne machen!, pflichtete der Hauptmann dem Ritter bei, sein Gesichtsausdruck verriet im Gegensatz zu seinen Worten jedoch, dass er nicht viel von diesem Vorschlag hielt.<br>
+
''"Hmmm, von mir aus können wir das gerne machen!"'', pflichtete der Hauptmann dem Ritter bei, sein Gesichtsausdruck verriet im Gegensatz zu seinen Worten jedoch, dass er nicht viel von diesem Vorschlag hielt.<br>
“Also, ich meine, wir sollten das Gebiet absuchen, ja. Wenn wir nichts finden, dann könnten wir es aber heute noch zurück zum Waldecker Hof schaffen!<br>
+
''"Also, ich meine, wir sollten das Gebiet absuchen, ja. Wenn wir nichts finden, dann könnten wir es aber heute noch zurück zum Waldecker Hof schaffen!"''<br>
 
Unschuldig zuckte er mit den Schultern. Und machte sich daran, in die Richtung zu schreiten, die der Ritter ihm gewiesen hatte.<br>
 
Unschuldig zuckte er mit den Schultern. Und machte sich daran, in die Richtung zu schreiten, die der Ritter ihm gewiesen hatte.<br>
 
Auch Irminella willigte nur zögernd in Gereons Vorschlag ein.<br>
 
Auch Irminella willigte nur zögernd in Gereons Vorschlag ein.<br>
“Auch ich würde vorschlagen, dass wir, sollten wir nichts finden, zum Hof zurückkehren. Dort können wir weitere Überlegungen, ohne dass wir von irgendwelchen Insekten gefressen werden", stellte sie missmutig fest, während sie mit der Hand nach irgendetwas in der Luft schlug.<br>
+
''"Auch ich würde vorschlagen, dass wir, sollten wir nichts finden, zum Hof zurückkehren. Dort können wir weitere Überlegungen, ohne dass wir von irgendwelchen Insekten gefressen werden"'', stellte sie missmutig fest, während sie mit der Hand nach irgendetwas in der Luft schlug.<br>
 
Doch schickte auch sie sich alsdann an, das Gebiet systematischer zu untersuchen.<br>
 
Doch schickte auch sie sich alsdann an, das Gebiet systematischer zu untersuchen.<br>
“Dann wollen wir es so halten edle Gefährten!, entgegnete Gereon mit einem schiefen lächeln.<br>
+
''"Dann wollen wir es so halten edle Gefährten!"'', entgegnete Gereon mit einem schiefen lächeln.<br>
”Ich bin überstimmt und will mich wohl einem weiteren Abend mit einem kühlen Waldecker nicht verschließen. Lasst uns noch sicher gehen und dann zurück Reiten zum Hof.<br>   
+
''"Ich bin überstimmt und will mich wohl einem weiteren Abend mit einem kühlen Waldecker nicht verschließen. Lasst uns noch sicher gehen und dann zurück Reiten zum Hof."''<br>   
 
<br>
 
<br>
 
Drego indessen schien tatsächlich nur für den Fall mitgekommen zu sein, dass sich jemand verletzte. Noch immer beobachtete er die Flora und Fauna an diesem Ort beinahe laut- und reglos. Wenn er sich bewegte, dann eher ungezielt - er folgte einem Duft, einem Vogelflug oder einem Rascheln in einem nahegelegenen Strauch in der Hoffnung, etwas Spannendes zu entdecken.<br>
 
Drego indessen schien tatsächlich nur für den Fall mitgekommen zu sein, dass sich jemand verletzte. Noch immer beobachtete er die Flora und Fauna an diesem Ort beinahe laut- und reglos. Wenn er sich bewegte, dann eher ungezielt - er folgte einem Duft, einem Vogelflug oder einem Rascheln in einem nahegelegenen Strauch in der Hoffnung, etwas Spannendes zu entdecken.<br>
“Also bei mir hier ist nichts!, rief Aleydis hinter einem großen Busch hervor, der ihn vollständig verdeckte.<br>
+
''"Also bei mir hier ist nichts!"'', rief Aleydis hinter einem großen Busch hervor, der ihn vollständig verdeckte.<br>
“Es liegen nur überall verfluchte Steinbrocken herum, die von Gebüsch und Gräsern überwachsen sind. Richtige Stolperfallen sind das!, fügte er empört hinzu.<br>
+
''"Es liegen nur überall verfluchte Steinbrocken herum, die von Gebüsch und Gräsern überwachsen sind. Richtige Stolperfallen sind das!"'', fügte er empört hinzu.<br>
"Hier dasselbe. Herr Grabschaufler, habt Ihr mehr Glück?", fragte Irminella Drego, der einige Meter von ihr entfernt im Gras umherschritt.
+
''"Hier dasselbe. Herr Grabschaufler, habt Ihr mehr Glück?"'', fragte Irminella Drego, der einige Meter von ihr entfernt im Gras umherschritt.
Als dieser nur mit einem: "Hm? Wie meinen, Euer Wohlgeboren?", antwortete, winkte sie ab.<br>
+
Als dieser nur mit einem: ''"Hm? Wie meinen, Euer Wohlgeboren?"'', antwortete, winkte sie ab.<br>
"Herr von Hauerberg?"<br>
+
''"Herr von Hauerberg?"''<br>
 
Nur kurz nachdem Gereon begonnen hatte, das Gebiet zu durchkämmen, stieß er auf einen kleinen Schrein. Wobei Schrein beinahe zu viel gesagt war, denn das, was er hier fand, waren der Herrin Travia gefällige Opfergaben, die jemand auf einem Baumstumpf abgelegt hatte, in den man eine stilisierte Gans geschnitzt hatte. So lagen hier zwischen zwei teilweise herabgebrannten Kerzen, mit deren Wachs man selbige am Baumstumpf befestigt hatte, einige Kartoffeln und Möhren, sowie ein ganzer Kohlkopf.<br>
 
Nur kurz nachdem Gereon begonnen hatte, das Gebiet zu durchkämmen, stieß er auf einen kleinen Schrein. Wobei Schrein beinahe zu viel gesagt war, denn das, was er hier fand, waren der Herrin Travia gefällige Opfergaben, die jemand auf einem Baumstumpf abgelegt hatte, in den man eine stilisierte Gans geschnitzt hatte. So lagen hier zwischen zwei teilweise herabgebrannten Kerzen, mit deren Wachs man selbige am Baumstumpf befestigt hatte, einige Kartoffeln und Möhren, sowie ein ganzer Kohlkopf.<br>
“Nein, abgesehen von einem kleinen Schrein der Peraine, wie mir scheint, ist nichts erwähnenswertes; und das ist ein göttergefälliges Zeichen will ich meinen” antwortete Gereon.<br>
+
''"Nein, abgesehen von einem kleinen Schrein der Peraine, wie mir scheint, ist nichts erwähnenswertes; und das ist ein göttergefälliges Zeichen will ich meinen"'', antwortete Gereon.<br>
“Nun gut! Meinem Argwohn ist Genüge getan, wollen wir seinen Niedergang mit einem guten Mahl und Trunk in Waldeck beschließen", lachte Gereon.<br>
+
''"Nun gut! Meinem Argwohn ist Genüge getan, wollen wir seinen Niedergang mit einem guten Mahl und Trunk in Waldeck beschließen"'', lachte Gereon.<br>
”Ich danke Euch für Euren Langmut!, fuhr er zwinkernd in die Runde fort.<br>
+
''"Ich danke Euch für Euren Langmut!"'', fuhr er zwinkernd in die Runde fort.<br>
"A-a-aba n-n-n-nich' anfass'n, ja!", tönte es plötzlich aus Richtung des Waldes.<br>
+
''"A-a-aba n-n-n-nich' anfass'n, ja!"'', tönte es plötzlich aus Richtung des Waldes.<br>
 
Nur wenige Herzschläge später schälte sich ein eingefallenes Gesicht aus dem Blattwerk eines Baumes, das sich kurz danach als zu einem hageren Mann zugehörig entpuppte. Dieser machte sich unter lautem Ächzen daran, den Baum ein Stück herabzuklettern und blieb schließlich auf rund zwei Schritt Höhe auf einem dicken Ast sitzen und ließ die Beine baumeln.<br>
 
Nur wenige Herzschläge später schälte sich ein eingefallenes Gesicht aus dem Blattwerk eines Baumes, das sich kurz danach als zu einem hageren Mann zugehörig entpuppte. Dieser machte sich unter lautem Ächzen daran, den Baum ein Stück herabzuklettern und blieb schließlich auf rund zwei Schritt Höhe auf einem dicken Ast sitzen und ließ die Beine baumeln.<br>
"W-w-was wo-wo-wollt'n ihr hier an mei'm Sch-Schrein, hä?", stotterte der Mann in recht unhöflichem Ton.<br>
+
''"W-w-was wo-wo-wollt'n ihr hier an mei'm Sch-Schrein, hä?"'', stotterte der Mann in recht unhöflichem Ton.<br>
 
Dabei entblößte er kurz seine lichten Zahnreihen. Das, gepaart mit seinen langen, wirr vom Kopf abstehenden Haaren, seinem ungepflegten, langen Bart und seine abgerissene Kleidung, erweckte den Eindruck, es mit jemandem zu tun zu haben, der keinen sonderlich großen Wert auf Reinlichkeit legte.<br>
 
Dabei entblößte er kurz seine lichten Zahnreihen. Das, gepaart mit seinen langen, wirr vom Kopf abstehenden Haaren, seinem ungepflegten, langen Bart und seine abgerissene Kleidung, erweckte den Eindruck, es mit jemandem zu tun zu haben, der keinen sonderlich großen Wert auf Reinlichkeit legte.<br>
 
Mit weit aufgerissenen Augen lief Hauptmann Lartes um den großen Busch herum zu seinen Gefährten, wobei sein Blick nach oben auf den Baum gerichtet war, sodass er einmal kurz stolperte, sich davon jedoch nicht aufhalten ließ. Instinktiv ging seine Hand an seinen Schwertgriff, welchen er jedoch wieder fahren ließ, als es sah, dass der Mann auf dem Baum unbewaffnet war.<br>
 
Mit weit aufgerissenen Augen lief Hauptmann Lartes um den großen Busch herum zu seinen Gefährten, wobei sein Blick nach oben auf den Baum gerichtet war, sodass er einmal kurz stolperte, sich davon jedoch nicht aufhalten ließ. Instinktiv ging seine Hand an seinen Schwertgriff, welchen er jedoch wieder fahren ließ, als es sah, dass der Mann auf dem Baum unbewaffnet war.<br>
“Was zum…”, entfuhr es ihm, als er näher kam.<br>
+
''"Was zum..."'', entfuhr es ihm, als er näher kam.<br>
 
Gereon sprang einen Satz weg vom Baum, als die Stimme des Mannes erklang, und fasste instinktiv seine Waffe mit beiden Händen. Er schien sich aber schnell wieder zu beruhigen und sprach den auf ihn herabblicken Mann mit säuerlicher Miene an.<br>
 
Gereon sprang einen Satz weg vom Baum, als die Stimme des Mannes erklang, und fasste instinktiv seine Waffe mit beiden Händen. Er schien sich aber schnell wieder zu beruhigen und sprach den auf ihn herabblicken Mann mit säuerlicher Miene an.<br>
“Die Zwölfe zum Gruße, Herr Baumschreck! Wir wollten auch nichts verändern. Ich dachte nur selbst an eine kleine Opfergabe, wäre das erlaubt? Immerhin ist es ein Schrein der Gütigen.<br>
+
''"Die Zwölfe zum Gruße, Herr Baumschreck! Wir wollten auch nichts verändern. Ich dachte nur selbst an eine kleine Opfergabe, wäre das erlaubt? Immerhin ist es ein Schrein der Gütigen."''<br>
 
Wohl um seine guten Absichten zu bedeuten, lehnte Gereon sogar die Mordaxt an den nächsten Baum und beobachtete den Angesprochenen genau.<br>  
 
Wohl um seine guten Absichten zu bedeuten, lehnte Gereon sogar die Mordaxt an den nächsten Baum und beobachtete den Angesprochenen genau.<br>  
“Tut euch k-k-kein'n Zwang an.<br>
+
''"Tut euch k-k-kein'n Zwang an."''<br>
 
Ächzend ließ sich der Mann nun vom Baum herab. Hierfür hielt er sich zunächst mit allen Vieren am Baum fest, löste dann die Beine und ließ diese einen Moment baumeln. Schließlich ließ er auch mit den Händen los und plumpste recht wenig elegant auf den glücklicherweise weichen Boden.<br>
 
Ächzend ließ sich der Mann nun vom Baum herab. Hierfür hielt er sich zunächst mit allen Vieren am Baum fest, löste dann die Beine und ließ diese einen Moment baumeln. Schließlich ließ er auch mit den Händen los und plumpste recht wenig elegant auf den glücklicherweise weichen Boden.<br>
“B-B-Baumschreck heiß’ ich n-n-nich, ne! Severin is’ m-m-mein Name, Severin, jawohl!<br>
+
''"B-B-Baumschreck heiß’ ich n-n-nich, ne! Severin is’ m-m-mein Name, Severin, jawohl!"''<br>
“Hallo, Herr Severin,sagte Gereon.<br>
+
''"Hallo, Herr Severin"'', sagte Gereon.<br>
"Wir sehen uns hier im Auftrag des Barons nur etwas um.<br>
+
''"Wir sehen uns hier im Auftrag des Barons nur etwas um."''<br>
 
Er drehte sich zur Seite und begann auf die Gefährten zu deuten.<br>
 
Er drehte sich zur Seite und begann auf die Gefährten zu deuten.<br>
“Das ist Ihre Wohlgeboren Irminella von Eberbach, Burgvögtin von Bösalbentrutz, das ist Aleydis Lartes, Hauptmann der gräflichen Garde, das ist Drego Grabschaufler bekannter und begnadeter Heiler und ich bin Gereon von Hauerberg, der Herr zu Auroth.<br>
+
''"Das ist Ihre Wohlgeboren Irminella von Eberbach, Burgvögtin von Bösalbentrutz, das ist Aleydis Lartes, Hauptmann der gräflichen Garde, das ist Drego Grabschaufler bekannter und begnadeter Heiler und ich bin Gereon von Hauerberg, der Herr zu Auroth."''<br>
 
Mit den letzten Worten ging Gereon auf Severin zu und bot ihm seine Hand beim Aufstehen.<br>
 
Mit den letzten Worten ging Gereon auf Severin zu und bot ihm seine Hand beim Aufstehen.<br>
“Und was hat Euch hierher geführt?<br>
+
''"Und was hat Euch hierher geführt?"''<br>
“Hoho! Ho-hoher Besuch, mhm. Ja, hoher B-B-Besuch.<br>
+
''"Hoho! Ho-hoher Besuch, mhm. Ja, hoher B-B-Besuch."'_<br>
 
Dann ergriff er die Hand und zog sich hoch.<br>
 
Dann ergriff er die Hand und zog sich hoch.<br>
“Danke.<br>
+
''"Danke."''<br>
 
Er klopfte sich mit seinen schmutzigen Händen ein wenig Dreck vom Hosenboden, bevor er weitersprach.<br>  
 
Er klopfte sich mit seinen schmutzigen Händen ein wenig Dreck vom Hosenboden, bevor er weitersprach.<br>  
“Tu’ hier m-m-mein’ Dienst, jawohl! Pass’ auf, d-d-dass er hier bleibt, mhm. W-w-wichtige Aufgabe.<br>
+
''"Tu' hier m-m-mein' Dienst, jawohl! Pass' auf, d-d-dass er hier bleibt, mhm. W-w-wichtige Aufgabe.''"<br>
 
Nach der Nennung seines Namens durch den Ritter hatte der Hauptmann dem Fremden kurz zugenickt. Sein Blick blieb trotz dessen Ausführungen allerdings skeptisch und immer wieder sah er sich um, so als erwarte er, dass gleich der Rest einer Räuberbande aus dem Dickicht hüpfen könnte, die aber ebensowenig auftauchte wie weitere, merkwürdige Personen - wobei dieser Severin wohl an Merkwürdigkeit für ein ganzes Dorf ausreichend war.<br>
 
Nach der Nennung seines Namens durch den Ritter hatte der Hauptmann dem Fremden kurz zugenickt. Sein Blick blieb trotz dessen Ausführungen allerdings skeptisch und immer wieder sah er sich um, so als erwarte er, dass gleich der Rest einer Räuberbande aus dem Dickicht hüpfen könnte, die aber ebensowenig auftauchte wie weitere, merkwürdige Personen - wobei dieser Severin wohl an Merkwürdigkeit für ein ganzes Dorf ausreichend war.<br>
 
Nun trat auch Irminella an die Seite der Herren, selbst Drego hatte sich, offenbar neugierig geworden, vom Anblick der hiesigen Flora loseisen können und war der Vögtin gefolgt.<br>
 
Nun trat auch Irminella an die Seite der Herren, selbst Drego hatte sich, offenbar neugierig geworden, vom Anblick der hiesigen Flora loseisen können und war der Vögtin gefolgt.<br>
“Der hat sie ja wohl nicht mehr alle…”, raunte Irminella ihrem Hauptmann zu, der bestätigend nickte.<br>
+
''"Der hat sie ja wohl nicht mehr alle..."'', raunte Irminella ihrem Hauptmann zu, der bestätigend nickte.<br>
 
Drego, der diesen Satz wohl ebenso vernommen hatte, stämmte die Fäuste in die Hüften und sah die Dame säuerlich an.<br>
 
Drego, der diesen Satz wohl ebenso vernommen hatte, stämmte die Fäuste in die Hüften und sah die Dame säuerlich an.<br>
“Solcherlei Beleidigungen verbitte ich mir!, schimpfte er.<br>
+
''"Solcherlei Beleidigungen verbitte ich mir!"'', schimpfte er.<br>
“Ja, schon gut, entschuldigt”, gab Irminella überraschend kleinlaut zurück und hob abwehrend die Hände.<br>
+
''"Ja, schon gut, entschuldigt"'', gab Irminella überraschend kleinlaut zurück und hob abwehrend die Hände.<br>
 
Aleydis war überrascht davon, dass der Herr Medicus der Hohen Dame so den Mund verbat, ohne dass diese darauf entsprechend reagierte, auch wenn die beiden sich wohlbekannt waren. Drego war schon einige Male auf Burg Bösalbentrutz zugegen gewesen - und nicht nur dann, wenn einer der Eberbacher fiebernd im Bett lag. Es war auch schon vorgekommen, dass selbiger mit der Burgherrin oder ihrem Gatten davon geritten und erst am Folgetag wieder aufgetaucht war - und die Hohen Herrschaften dabei jedes Mal auf Bedeckung verzichtet hatten. Über die genauen Gründe hüllten sich die Herren der Burg immer in Schweigen.<br>
 
Aleydis war überrascht davon, dass der Herr Medicus der Hohen Dame so den Mund verbat, ohne dass diese darauf entsprechend reagierte, auch wenn die beiden sich wohlbekannt waren. Drego war schon einige Male auf Burg Bösalbentrutz zugegen gewesen - und nicht nur dann, wenn einer der Eberbacher fiebernd im Bett lag. Es war auch schon vorgekommen, dass selbiger mit der Burgherrin oder ihrem Gatten davon geritten und erst am Folgetag wieder aufgetaucht war - und die Hohen Herrschaften dabei jedes Mal auf Bedeckung verzichtet hatten. Über die genauen Gründe hüllten sich die Herren der Burg immer in Schweigen.<br>
“Aber ist doch so!, nuschelte der Hauptmann daher kleinlaut vor sich hin, ohne dass der Medicus es hören konnte.<br>
+
''"Aber ist doch so!"'', nuschelte der Hauptmann daher kleinlaut vor sich hin, ohne dass der Medicus es hören konnte.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Severin hatte den Satz Irminellas wohl nicht vernommen, denn er lächelte nun erneut und trat auf Irminella und Drego zu, wohl in der Absicht, ihnen die Hand zu schütteln - zumindest legte der ausgestreckte Arm, mit dem er auf die beiden zuging, diesen Schluss nahe. Tatsächlich bezog Severin vor der Burgvögtin Stellung und hielt ihr die Hand hin. Diese machte allerdings nicht die kleinsten Anstalten den dargebotenen Gruß zu erwidern, sodass Drego in die Bresche sprang und die Hand stattdessen ergriff.<br>
 
Severin hatte den Satz Irminellas wohl nicht vernommen, denn er lächelte nun erneut und trat auf Irminella und Drego zu, wohl in der Absicht, ihnen die Hand zu schütteln - zumindest legte der ausgestreckte Arm, mit dem er auf die beiden zuging, diesen Schluss nahe. Tatsächlich bezog Severin vor der Burgvögtin Stellung und hielt ihr die Hand hin. Diese machte allerdings nicht die kleinsten Anstalten den dargebotenen Gruß zu erwidern, sodass Drego in die Bresche sprang und die Hand stattdessen ergriff.<br>
“Sehr erfreut, Herr… Severin, richtig?<br>
+
''"Sehr erfreut, Herr... Severin, richtig?"''<br>
 
Der wiederum schüttelte kräftig Dregos Hand und nickte.<br>
 
Der wiederum schüttelte kräftig Dregos Hand und nickte.<br>
“Ja. Ja, genau. Ganz genau!<br>
+
''"Ja. Ja, genau. Ganz genau!"''<br>
 
Dann schaute er Irminella noch einmal irritiert an und blickte anschließend zu Gereon.<br>
 
Dann schaute er Irminella noch einmal irritiert an und blickte anschließend zu Gereon.<br>
“Dann m-m-macht der Herrin mal eure A-A-Aufwartung, sonst w-w-wirds noch dunk'l.<br>
+
''"Dann m-m-macht der Herrin mal eure A-A-Aufwartung, sonst w-w-wird's noch dunk'l."''<br>
 
Dabei klatschte er zweimal auffordernd in die Hände und nickte mit dem Kopf in Richtung des Baumstumpfes.<br>
 
Dabei klatschte er zweimal auffordernd in die Hände und nickte mit dem Kopf in Richtung des Baumstumpfes.<br>
“Recht habt ihr.<br>
+
''"Recht habt ihr."''<br>
Gereon ging kurz entschlossen zurück zu den Pferden und kam nach 1-2 Minuten mit zwei gebundenen Beuteln zurück, in dem er zu kramen begann. Aus dem einen - ein einfacher Lederbeutel - entnahm er ein Paar Wirselkräuter. Aus dem anderen Beutel - gewebt und verziert - brachte er einige Münzen und Muscheln zum Vorschein, von denen er die zwei hübschesten Muscheln und einen Silbertaler auswählte. Als sich Gereon dabei der Blicke der anderen gewahr wurde hielt er ihnen grinsend die offenen Hände entgegen.<br>
+
Gereon ging kurz entschlossen zurück zu den Pferden und kam nach kürzester Zeit mit zwei gebundenen Beuteln zurück, in dem er zu kramen begann. Aus dem einen - ein einfacher Lederbeutel - entnahm er ein Paar Wirselkräuter. Aus dem anderen Beutel - gewebt und verziert - brachte er einige Münzen und Muscheln zum Vorschein, von denen er die zwei hübschesten Muscheln und einen Silbertaler auswählte. Als sich Gereon dabei der Blicke der anderen gewahr wurde hielt er ihnen grinsend die offenen Hände entgegen.<br>
“Ich unterhalte mit den Kindern in Brinnmühle und Auroth einen regen Handel an Kräutern und schönen Muscheln, die ich dann gegen Naschwerk tauschen kann und die Schreine in Auroth zieren.<br>
+
''"Ich unterhalte mit den Kindern in Brinnmühle und Auroth einen regen Handel an Kräutern und schönen Muscheln, die ich dann gegen Naschwerk tauschen kann und die Schreine in Auroth zieren."''<br>
Aleydis Lertes hob abwehrend die Unterarme und die offenen Handflächen vor seine Brust, so als wollte er gar keine weiteren Details hören.<br>
+
Aleydis Lartes hob abwehrend die Unterarme und die offenen Handflächen vor seine Brust, so als wollte er gar keine weiteren Details hören.<br>
 
Während er sprach, begab sich Gereon zum Baumstumpf, ließ sich auf ein Knie hinab und verbrachte eine kurze Zeit in stiller Andacht, bevor er die Gaben auf den Stumpf verteilte. Er erhob sich, neigte nochmals das Haupt und kehrte zur Gruppe zurück.<br>
 
Während er sprach, begab sich Gereon zum Baumstumpf, ließ sich auf ein Knie hinab und verbrachte eine kurze Zeit in stiller Andacht, bevor er die Gaben auf den Stumpf verteilte. Er erhob sich, neigte nochmals das Haupt und kehrte zur Gruppe zurück.<br>
“Nun, Herr Severin, Ihr sagtet, ihr haltet hier Wacht über jemanden, wenn ich euch recht verstanden habe? Von wem spracht ihr da, lebt hier noch jemand?<br>
+
''"Nun, Herr Severin, Ihr sagtet, ihr haltet hier Wacht über jemanden, wenn ich euch recht verstanden habe? Von wem spracht ihr da, lebt hier noch jemand?"''<br>
 
Severin blickte nach oben und tippte sich wiederholt mit dem Zeigefinger der linken Hand an die Unterlippe. Dabei gab er ein leises Brummen von sich.<br>
 
Severin blickte nach oben und tippte sich wiederholt mit dem Zeigefinger der linken Hand an die Unterlippe. Dabei gab er ein leises Brummen von sich.<br>
“Ja, ja und nein.<br>
+
''"Ja, ja und nein."''<br>
 
Dann kicherte er. Das brachte ihm einen offen missbilligenden Blick des Hauerbergers ein.<br>
 
Dann kicherte er. Das brachte ihm einen offen missbilligenden Blick des Hauerbergers ein.<br>
“Severin, jetzt werdet nicht schelmisch! Bei Praios drückt euch verständlich aus! Ihr antwortet einer Gesandtschaft des Barons!!”, sprach Gereon mit bestimmender aber ruhiger Stimme.<br>
+
''"Severin, jetzt werdet nicht schelmisch! Bei Praios drückt euch verständlich aus! Ihr antwortet einer Gesandtschaft des Barons!"'', sprach Gereon mit bestimmender aber ruhiger Stimme.<br>
“Ja und nein, aber ihr wacht über 'jemanden'? Bedeutet was? Euer 'Mitbewohner' lebt nicht ständig hier? Geht es etwas klarer als irgendwas zwischen Hüter des Schreins, Zellenwächter, Tierbändiger oder Geisterbeschwörer?<br>  
+
''"Ja und nein, aber ihr wacht über 'jemanden'? Bedeutet was? Euer 'Mitbewohner' lebt nicht ständig hier? Geht es etwas klarer als irgendwas zwischen Hüter des Schreins, Zellenwächter, Tierbändiger oder Geisterbeschwörer?"''<br>  
“H-h-habe ehrlich geantwortet. Ja, ich w-w-wache und ja, Ihr ha-ha-habt richtig verstanden. Aber n-n-nein, der über den ich wach l-l-lebt nicht. Nicht mehr. B-B-Beschwören? Geht s-s-sowas?<br>
+
''"H-h-habe ehrlich geantwortet. Ja, ich w-w-wache und ja, Ihr ha-ha-habt richtig verstanden. Aber n-n-nein, der über den ich wach l-l-lebt nicht. Nicht mehr. B-B-Beschwören? Geht s-s-sowas?"''<br>
“Aha!, entfuhr es dem Hauptmann, so als sei gerade ein Verdächtiger geständig gewesen.<br>
+
''"Aha!"'', entfuhr es dem Hauptmann, so als sei gerade ein Verdächtiger geständig gewesen.<br>
 
Er reckte sein Kinn nach oben und hakte nach:<br>
 
Er reckte sein Kinn nach oben und hakte nach:<br>
“Und warum lebt er nicht mehr?<br>
+
''"Und warum lebt er nicht mehr?"''<br>
“W-w-weil'er gesch-sch-storben ist!, konnte sich Severin auch diesen Scherz nicht verkneifen.<br>
+
''"W-w-weil'er gesch-sch-storben ist!"'', konnte sich Severin auch diesen Scherz nicht verkneifen.<br>
“Jetzt Sch-sch-spukt'er hier rum!<br>
+
''"Jetzt Sch-sch-spukt'er hier rum!"''<br>
 
Er machte ein erstauntes Gesicht, indem er die Augen weit aufriss, die Brauen hob und den Mund rundete. Dazu wackelte er mit den Händen seitlich neben seinem Kopf.<br>
 
Er machte ein erstauntes Gesicht, indem er die Augen weit aufriss, die Brauen hob und den Mund rundete. Dazu wackelte er mit den Händen seitlich neben seinem Kopf.<br>
“Uuuhh… buuuuh…”<br>
+
''"Uuuhh... buuuuh..."''<br>
 
Dann kicherte er wieder.<br>
 
Dann kicherte er wieder.<br>
“Sag ich ja!, zuckte Irminella mit den Schultern.<br>
+
''"Sag ich ja!"'', zuckte Irminella mit den Schultern.<br>
“Nennt es, wie Ihr wollt, Meister Drego. Der Herr ist, wenn Ihr mich fragt, nicht bei Sinnen.<br>
+
''"Nennt es, wie Ihr wollt, Meister Drego. Der Herr ist, wenn Ihr mich fragt, nicht bei Sinnen."''<br>
 
Dieser blickte die Burgvögtin fest an.<br>
 
Dieser blickte die Burgvögtin fest an.<br>
“Das habe ich auch mit keiner Silbe in Abrede gestellt. Lediglich die Art, wie Ihr über den Geisteszustand dieser armen Seele hier spracht, behagte mir nicht.<br>
+
''"Das habe ich auch mit keiner Silbe in Abrede gestellt. Lediglich die Art, wie Ihr über den Geisteszustand dieser armen Seele hier spracht, behagte mir nicht."''<br>
“Geschenkt”, antwortete Irminella ein wenig zu schroff.<br>
+
''"Geschenkt"'', antwortete Irminella ein wenig zu schroff.<br>
“Und weiter?, fragte sie dann an Severin gewandt.<br>
+
''"Und weiter?"'', fragte sie dann an Severin gewandt.<br>
 
Dieser wiederum schien noch immer mit seiner Interpretation eines Geistes beschäftigt.<br>  
 
Dieser wiederum schien noch immer mit seiner Interpretation eines Geistes beschäftigt.<br>  
“Buuh!, lachte er.<br>
+
''"Buuh!"'', lachte er.<br>
 
 
 
Aleydis Lartes schluckte kurz bei der Erwähnung der Spukgestalt, dann aber sammelte er sich schnell wieder und warf dem Verrückten entgegen:<br>
 
Aleydis Lartes schluckte kurz bei der Erwähnung der Spukgestalt, dann aber sammelte er sich schnell wieder und warf dem Verrückten entgegen:<br>
“Ach, und warum ist er tot und spukt hier herum? Da habt ihr doch etwas mit zu tun, nehme ich an!<br>
+
''"Ach, und warum ist er tot und spukt hier herum? Da habt ihr doch etwas mit zu tun, nehme ich an!"''<br>
“Ich?, wies Severin diese Unterstellung entrüstet zurück.<br>
+
''"Ich?"'', wies Severin diese Unterstellung entrüstet zurück.<br>
“Ich pass’ auf, dass der Geist b-b-bleibt wo er is’! Isser bisher auch, also m-m-mach ich meine S-S-Sache gut, jawohl gut! Mhm. Das hab’ ich dam-m-mit zu tun, ja. Aufpass'n, dasser nich’ a-a-abhaut!<br>
+
''"Ich pass' auf, dass der Geist b-b-bleibt wo er is'! Isser bisher auch, also m-m-mach ich meine S-S-Sache gut, jawohl gut! Mhm. Das hab' ich dam-m-mit zu tun, ja. Aufpass'n, dasser nich' a-a-abhaut!"''<br>
 
Dann verschränkte er die Arme.<br>
 
Dann verschränkte er die Arme.<br>
“Aber aber Hauptmann Lartes, ich verstehe Euren praiotischen Eifer, aber denkt Ihr nicht, dass Herr Severin durchaus Anlaß gibt, ihn nicht sofort zu verdächtigen! Immerhin ist er ein götterfürchtiger Mann der sich aus freien Stücken zu seiner Wacht bekennt!, ergriff Gereon nun das Wort und gleichsam Partei für Severin.<br>
+
''"Aber, aber Hauptmann Lartes, ich verstehe Euren praiotischen Eifer, aber denkt Ihr nicht, dass Herr Severin durchaus Anlaß gibt, ihn nicht sofort zu verdächtigen! Immerhin ist er ein götterfürchtiger Mann der sich aus freien Stücken zu seiner Wacht bekennt!"'', ergriff Gereon nun das Wort und gleichsam Partei für Severin.<br>
“Und Ihr Herr Severin, seid so gut und sagt uns, wie es zu dieser Wacht kam und um wessen Geist es sich hier handelt. Sofern Ihr das wisst! Immerhin sind wir hier, um etwaige Gefahren für die Baronie und die Einwohner abzuwenden!<br>  
+
''"Und Ihr Herr Severin, seid so gut und sagt uns, wie es zu dieser Wacht kam und um wessen Geist es sich hier handelt. Sofern Ihr das wisst! Immerhin sind wir hier, um etwaige Gefahren für die Baronie und die Einwohner abzuwenden!"''<br>  
 
Der Hauptmann zog die Augenbrauen krauß, nickte bei der nachfolgenden Frage an den sonderbaren Fremden jedoch zustimmend und sah diesen Severin, neugierig auf dessen Antwort wartend, an.<br>
 
Der Hauptmann zog die Augenbrauen krauß, nickte bei der nachfolgenden Frage an den sonderbaren Fremden jedoch zustimmend und sah diesen Severin, neugierig auf dessen Antwort wartend, an.<br>
“S-S-So nämlich”, antwortete Severin und nickte einmal bestimmt.<br>
+
''"S-S-So nämlich"'', antwortete Severin und nickte einmal bestimmt.<br>
“Wenn ich hier n-n-nicht aufpassen würde, wer weiß… w-w-wer weiß?<br>
+
''"Wenn ich hier n-n-nicht aufpassen würde, wer weiß… w-w-wer weiß?"''<br>
 
Dann lockerte er die Arme wieder und verzog das Gesicht, als müsste er angestrengt nachdenken.<br>
 
Dann lockerte er die Arme wieder und verzog das Gesicht, als müsste er angestrengt nachdenken.<br>
"Also, wie er heißt, weiß ich nicht. Er r-r-redet nicht, sch-sch-schreit nur. Ist nämlich sehr, seeeehr wütend, wisst Ihr?<br>
+
''"Also, wie er heißt, weiß ich nicht. Er r-r-redet nicht, sch-sch-schreit nur. Ist nämlich sehr, seeeehr wütend, wisst Ihr?"''<br>
Dann verzieht die Mundwinkel nach unten und zieht ein wenig den Kopf ein.<br>
+
Dann verzog er die Mundwinkel nach unten und zog ein wenig den Kopf ein.<br>
“In seiner… Be-Be-Behausung steht eine Truhe, die w-w-wollte ich… anschauen, ja anschauen. Da isser au-au-aufgetaucht, seitdem isser da. Hä-hä-hätt’ ich n-n-nicht gedacht, dass ‘n Travia-Priester so w-w-wütend sein kann.<br>
+
''"In seiner... Be-Be-Behausung steht eine Truhe, die w-w-wollte ich... anschauen, ja anschauen. Da isser au-au-aufgetaucht, seitdem isser da. Hä-hä-hätt' ich n-n-nicht gedacht, dass 'n Travia-Priester so w-w-wütend sein kann."''<br>
Aleydis malte mit seiner ausgestreckten rechten Hand hastig ein Schutzzeichen in die Luft. Dann sah er Irminella mit offenem Mund an, die mit verschränkten Armen und hochgezogener Braue auf Severin blickte, seitdem sie von Drego gemaßregelt worden war.<br>
+
Aleydis malte mit seiner ausgestreckten rechten Hand hastig ein Schutzzeichen in die Luft. Dann sah er Irminella mit offenem Mund an, die mit verschränkten Armen und hochgezogener Braue auf Severin blickte, seitdem sie von Drego gemaßregelt worden war. Ob der neuesten Entwicklungen entfuhr ihr ein leises: ''"Hm.""'<br>
Ob der neuesten Entwicklungen entfuhr ihr ein leises: “Hm.<br>
 
 
Als sie den Blick ihres Hauptmannes sah, grinste sie.<br>
 
Als sie den Blick ihres Hauptmannes sah, grinste sie.<br>
“Die Sache ist soeben spannend geworden, nicht?”<br>
+
''"Die Sache ist soeben spannend geworden, nicht?"''<br>
<br>
 
 
Gereon hatte sich die Schilderung Severins schweigend angehört und nur durch ein kurzes Nicken zu erkennen gegeben, dass er ihm zugehört hatte. Er hatte nachdenklich seinen Unterkiefer vorgereckt und ohne erkennbar auf seine Umgebung zu reagieren, begann er unbewusst nach seinem Hals zu greifen und einen bisher verborgenen Anhänger durch seine Finger gleiten zu lassen. Ein daumengroßes Holzamulett, das einen Unterarm mit Hand darstellt die das Schutzzeichen der Peraine zeigt. Der 'Stumpf' des Armes war an den Seiten mit Ähren verziert und mit einer verzierten silbernen Kappe abgeschlossen, an die ein dünnes Lederband geknüpft war. Endlich schien er sich wieder seiner Umwelt zuzuwenden.<br>
 
Gereon hatte sich die Schilderung Severins schweigend angehört und nur durch ein kurzes Nicken zu erkennen gegeben, dass er ihm zugehört hatte. Er hatte nachdenklich seinen Unterkiefer vorgereckt und ohne erkennbar auf seine Umgebung zu reagieren, begann er unbewusst nach seinem Hals zu greifen und einen bisher verborgenen Anhänger durch seine Finger gleiten zu lassen. Ein daumengroßes Holzamulett, das einen Unterarm mit Hand darstellt die das Schutzzeichen der Peraine zeigt. Der 'Stumpf' des Armes war an den Seiten mit Ähren verziert und mit einer verzierten silbernen Kappe abgeschlossen, an die ein dünnes Lederband geknüpft war. Endlich schien er sich wieder seiner Umwelt zuzuwenden.<br>
“Gut denn. Und woher wisst Ihr, dass er ein Travia-Priester ist? Und wo genau ist diese Behausung?, fragte er Severin mit skeptischem Blick.<br>
+
''"Gut denn. Und woher wisst Ihr, dass er ein Travia-Priester ist? Und wo genau ist diese Behausung?"'', fragte er Severin mit skeptischem Blick.<br>
“G-G-Ganz einfach. Er trägt noch immer die Ge-Ge-Gewandung eines Priesters!<br>
+
''"G-G-Ganz einfach. Er trägt noch immer die Ge-Ge-Gewandung eines Priesters!"''<br>
 
Er schaute dabei über die Schulter zu der Stelle, an der Irminella von Eberbach vor einigen Minuten ein weiteres, verfallenes Gebäude ausgemacht zu haben glaubte. Nun nickte er in die Richtung<br>
 
Er schaute dabei über die Schulter zu der Stelle, an der Irminella von Eberbach vor einigen Minuten ein weiteres, verfallenes Gebäude ausgemacht zu haben glaubte. Nun nickte er in die Richtung<br>
“Dort gi-gi-gibt es eine F-F-Falltür, h-h-hab’ Steine draufgelegt, damit er nicht rausk-k-kommen kann.<br>
+
''"Dort gi-gi-gibt es eine F-F-Falltür, h-h-hab’ Steine draufgelegt, damit er nicht rausk-k-kommen kann."''<br>
“Ihr… ihr… ihr habt WAS getan?, rief Hauptmann Lartes reflexhaft aus und sah seine Begleiter fassungslos an.<br>
+
''"Ihr... Ihr... Ihr habt '''WAS''' getan?"'', rief Hauptmann Lartes reflexhaft aus und sah seine Begleiter fassungslos an.<br>
“Na, Sch-Sch-Steine draufgelegt. Richtig f-f-fette Brocken, haha!, lachte er.<br>
+
''"Na, Sch-Sch-Steine draufgelegt. Richtig f-f-fette Brocken, haha!"'', lachte er.<br>
“Da kommt keiner raus!<br>
+
''"Da kommt keiner raus!"''<br>
 
Triumphierend stemmt er die Fäuste in die Hüfte.<br>
 
Triumphierend stemmt er die Fäuste in die Hüfte.<br>
“So-So-Soll ich's Euch zeig’n?<br>
+
''"So-So-Soll ich's Euch zeig’n?"''<br>
 
Hilfesuchend blickte Aleydis zu Gereon und Irminella, die ihre Hände ebenso wie Severin in die Hüften gestemmt hatte. Bei ihr war dies eher eine Geste des überraschten Amüsements. Diesen Eindruck vermittelte zumindest das leichte Grinsen, das auf ihren Lippen lag, während sie, eine Augenbraue gehoben, Severin immer wieder musterte. Ganz so, als versuche sie herausfinden, wie viel Wahrheit in den beinahe unglaublichen Schilderungen des offenbar verwirrten Baumbewohners lag. Gereons Gesicht dagegen zeigte seine vollständige Verblüffung ob dieser triumphalen Offenbarung. Er sah zu Irminella und zu Aleydis, dann zu Severin und setzte zum sprechen an:<br>
 
Hilfesuchend blickte Aleydis zu Gereon und Irminella, die ihre Hände ebenso wie Severin in die Hüften gestemmt hatte. Bei ihr war dies eher eine Geste des überraschten Amüsements. Diesen Eindruck vermittelte zumindest das leichte Grinsen, das auf ihren Lippen lag, während sie, eine Augenbraue gehoben, Severin immer wieder musterte. Ganz so, als versuche sie herausfinden, wie viel Wahrheit in den beinahe unglaublichen Schilderungen des offenbar verwirrten Baumbewohners lag. Gereons Gesicht dagegen zeigte seine vollständige Verblüffung ob dieser triumphalen Offenbarung. Er sah zu Irminella und zu Aleydis, dann zu Severin und setzte zum sprechen an:<br>
“Öhmm... bbfff..., war allerdings seine einzige Lautmalerei, die ihm entsprang, bevor er sich offenbar eines Besseren besann.<br>  
+
''"Öhm... bbfff..."'', war allerdings seine einzige Lautmalerei, die ihm entsprang, bevor er sich offenbar eines Besseren besann.<br>  
“Äh... gut. Zumindest kommt so niemand sonst in Gefahr... denke ich.<br>
+
''"Äh... gut. Zumindest kommt so niemand sonst in Gefahr... denke ich."''<br>
 
Etwas lahm und sichtlich darum bemüht, Irminellas erheiterte Miene zu ignorieren, wandte er sich dann direkt an Severin.<br>
 
Etwas lahm und sichtlich darum bemüht, Irminellas erheiterte Miene zu ignorieren, wandte er sich dann direkt an Severin.<br>
“Zeigt uns bitte die Stelle. Wir müssen dem nachgehen...?!<br>
+
''"Zeigt uns bitte die Stelle. Wir müssen dem nachgehen...?!"''<br>
 
Während er den letzten Satz beinahe als Frage betonte, drehte sich Gereon zu seinen Gefährten um und sah diese still fragend an.<br>
 
Während er den letzten Satz beinahe als Frage betonte, drehte sich Gereon zu seinen Gefährten um und sah diese still fragend an.<br>
 
Aleydis Lartes hatte mittlerweile sein Schwert gezogen, hielt dieses aber gesenkt. Als er den fragenden Blick seiner Begleiter bemerkte, beeilte er sich zu erklären:<br>
 
Aleydis Lartes hatte mittlerweile sein Schwert gezogen, hielt dieses aber gesenkt. Als er den fragenden Blick seiner Begleiter bemerkte, beeilte er sich zu erklären:<br>
“Ähm... für den Fall der Fälle!<br>
+
''"Ähm... für den Fall der Fälle!"''<br>
 
Dann richtete er sein Wort direkt an den Fremden und klang dabei bestimmt und wenig freundlich.<br>
 
Dann richtete er sein Wort direkt an den Fremden und klang dabei bestimmt und wenig freundlich.<br>
“Gehen wir. Du voraus!<br>
+
''"Gehen wir. Du voraus!"''<br>
“Jawohl!, salutierte Severin recht unsauber und entblößte erneut sein ungepflegtes Gebiss in einem schiefen Lächeln.<br>
+
''"Jawohl!"'', salutierte Severin recht unsauber und entblößte erneut sein ungepflegtes Gebiss in einem schiefen Lächeln.<br>
“Is’ nich’ weit, mir nach!, bedeutete er den Hohen Herrschaften dann mit einem einladenden Wink zu folgen.<br>
+
''"Is' nich' weit, mir nach!''", bedeutete er den Hohen Herrschaften dann mit einem einladenden Wink zu folgen.<br>
 
Drego trat kurz auf der Stelle und blickte von Irminella zu Aleydis und zurück. Die Burgvögtin brauchte offenbar keine weitere Einladung, denn sofort setzte sie sich mit einem Kopfnicken in Richtung Aleydis', das offenbar so viel bedeuten sollte wie: 'Los!', in Bewegung. Erst als nun die Vögtin losschritt, entschied sich auch Drego dafür, der Einladung Severins zu folgen und ging hinter Irminella her.<br>
 
Drego trat kurz auf der Stelle und blickte von Irminella zu Aleydis und zurück. Die Burgvögtin brauchte offenbar keine weitere Einladung, denn sofort setzte sie sich mit einem Kopfnicken in Richtung Aleydis', das offenbar so viel bedeuten sollte wie: 'Los!', in Bewegung. Erst als nun die Vögtin losschritt, entschied sich auch Drego dafür, der Einladung Severins zu folgen und ging hinter Irminella her.<br>
 
<br>
 
<br>
Nur kurz Schritten die auf Geheiß Seiner Hochgeboren zu Tommelsbeuge, Geribold von Fischwachttal, ausgesandten Herrschaften durch die Ruinen, bis sie wieder vor den wild verstreuten Steinen standen, die die Burgvögtin unlängst gefunden und als weiteres Gebäude ausgemacht hatte. Severin hob den rechten Zeigefinger - sollte das so etwas wie eine Zeichen zum Stehenbleiben sein? Er selbst schritt jedenfalls weiter, stieg über Steine, schob den ein oder anderen Busch auseinander, um sich hindurchzudrücken und blieb dann schließlich stehen.<br>
+
Nur kurz Schritten die auf Geheiß Seiner Hochgeboren zu Tommelsbeuge ausgesandten Herrschaften durch die Ruinen, bis sie wieder vor den wild verstreuten Steinen standen, die die Burgvögtin unlängst gefunden und als weiteres Gebäude ausgemacht hatte. Severin hob den rechten Zeigefinger - sollte das so etwas wie eine Zeichen zum Stehenbleiben sein? Er selbst schritt jedenfalls weiter, stieg über Steine, schob den ein oder anderen Busch auseinander, um sich hindurchzudrücken und blieb dann schließlich stehen.<br>
“Hier!, rief er dann und bückte sich, wodurch er aus dem Blickfeld geriet, zu dicht waren hier die Büsche aneinandergereiht.<br>
+
''"Hier!"'', rief er dann und bückte sich, wodurch er aus dem Blickfeld geriet, zu dicht waren hier die Büsche aneinandergereiht.<br>
 
Lediglich ein Ächzen verriet, dass er noch an Ort und Stelle war.<br>
 
Lediglich ein Ächzen verriet, dass er noch an Ort und Stelle war.<br>
 
Irminella war auf das Zeichnen Severins stehengeblieben, machte nun aber wieder Anstalten loszugehen und sich ebenso durchs Buschwerk zu drängen. Der noch immer misstrauische Hauptmann tat es ihr gleich, jedoch beschritt er, das Schwert noch immer in der Hand, einen leichten Bogen, um seitlich auf den offensichtlich Verrückten zugehen zu können. Gereon hatte sich hinter Aleydis eingereiht und kam - beinahe über einen losen Stein stolpernd - nun ebenfalls durch das Geäst geschritten, die Faust unbewusst wieder um den Schutzanhänger an seinen Hals gelegt.<br>
 
Irminella war auf das Zeichnen Severins stehengeblieben, machte nun aber wieder Anstalten loszugehen und sich ebenso durchs Buschwerk zu drängen. Der noch immer misstrauische Hauptmann tat es ihr gleich, jedoch beschritt er, das Schwert noch immer in der Hand, einen leichten Bogen, um seitlich auf den offensichtlich Verrückten zugehen zu können. Gereon hatte sich hinter Aleydis eingereiht und kam - beinahe über einen losen Stein stolpernd - nun ebenfalls durch das Geäst geschritten, die Faust unbewusst wieder um den Schutzanhänger an seinen Hals gelegt.<br>
 
Auf der anderen Seite des Gebüsches befand sich eine weniger dicht bewachsene Stelle. In deren ansonsten dicht bewachsener Grasnarbe sich eine mit Moos bewachsene Stelle abzeichnete, durch deren Oberfläche nasses Holz zu erkennen war. Offenbar die Bodenluke, auf die jemand mehrere Kopfgroße Steine aufgehäuft hatte. Der Anblick verwunderte Gereon erkennbar, schien doch noch unentschieden, ob die Luke unter dem Gewicht der Steine nicht eher zusammenbrechen würde, als dass die paar Steine geeignet wären, eine entschlossene Person davon abzuhalten, die Luke dennoch auf zu stemmen.<br>
 
Auf der anderen Seite des Gebüsches befand sich eine weniger dicht bewachsene Stelle. In deren ansonsten dicht bewachsener Grasnarbe sich eine mit Moos bewachsene Stelle abzeichnete, durch deren Oberfläche nasses Holz zu erkennen war. Offenbar die Bodenluke, auf die jemand mehrere Kopfgroße Steine aufgehäuft hatte. Der Anblick verwunderte Gereon erkennbar, schien doch noch unentschieden, ob die Luke unter dem Gewicht der Steine nicht eher zusammenbrechen würde, als dass die paar Steine geeignet wären, eine entschlossene Person davon abzuhalten, die Luke dennoch auf zu stemmen.<br>
“Hm... jetzt gilt es meine Freunde. Wir müssen hinein, um Antworten zu erhalten.<br>
+
''"Hm... jetzt gilt es meine Freunde. Wir müssen hinein, um Antworten zu erhalten."''<br>
 
Gereon ging entschlossen auf die Luke zu und begann damit, die ersten Steine aufzuheben.<br>
 
Gereon ging entschlossen auf die Luke zu und begann damit, die ersten Steine aufzuheben.<br>
 
Bei dem Wort 'Freunde' hatte Irminella beide Augenbrauen gehoben, aber nichts gesagt. Sie blickte, so wie der Tommelsbeuger Hofmedicus, mit verschränkten Armen vor der Luke. Drego hatte das Buschwerk mittlerweile einige Haare aus dem zum Dutt gebundenen Haupthaar gezogen, sodass seine Frisur nun mit Fug und Recht als wild zu bezeichnen war - ihn selbst schien dies allerdings nicht zu stören. Aleydis Lartes hingegen schien sehr konzentriert und sah sich, das Schwert fest im Griff, nervös um. Severin taperte aufgeregt hin und her.<br>
 
Bei dem Wort 'Freunde' hatte Irminella beide Augenbrauen gehoben, aber nichts gesagt. Sie blickte, so wie der Tommelsbeuger Hofmedicus, mit verschränkten Armen vor der Luke. Drego hatte das Buschwerk mittlerweile einige Haare aus dem zum Dutt gebundenen Haupthaar gezogen, sodass seine Frisur nun mit Fug und Recht als wild zu bezeichnen war - ihn selbst schien dies allerdings nicht zu stören. Aleydis Lartes hingegen schien sehr konzentriert und sah sich, das Schwert fest im Griff, nervös um. Severin taperte aufgeregt hin und her.<br>
“S-S-Seit ihr sicher? Nicht dass… da-da-dass der ausbricht! Dann wär' hier alles umsonst... alles u-u-umsonst!<br>
+
''"S-S-Seit ihr sicher? Nicht dass… da-da-dass der ausbricht! Dann wär' hier alles umsonst... alles u-u-umsonst!"''<br>
 
Bei dem letzten Satz hatte er sich die Hände vors Gesicht geschlagen.<br>
 
Bei dem letzten Satz hatte er sich die Hände vors Gesicht geschlagen.<br>
 
Unbeirrt davon schaufelte Gereon die teils durchaus schweren Steine beiseite und legte so nach und nach die hölzerne Luke frei - die keine war. Jemand - vermutlich Severin - hatte eine Holzplatte über den Zugang in den unterirdischen Raum gelegt, der Zahn der Zeit hatte auch hier genagt. Diese war ebenso rasch beiseite geschoben wie zuvor die Steine, wobei Severin dabei ein gequältes Quieken von sich gab und sich noch immer das Gesicht mit den Händen bedeckte - immerhin schaute er mit dem rechten Auge zwischen den leicht gespreizten Fingern hindurch.<br>
 
Unbeirrt davon schaufelte Gereon die teils durchaus schweren Steine beiseite und legte so nach und nach die hölzerne Luke frei - die keine war. Jemand - vermutlich Severin - hatte eine Holzplatte über den Zugang in den unterirdischen Raum gelegt, der Zahn der Zeit hatte auch hier genagt. Diese war ebenso rasch beiseite geschoben wie zuvor die Steine, wobei Severin dabei ein gequältes Quieken von sich gab und sich noch immer das Gesicht mit den Händen bedeckte - immerhin schaute er mit dem rechten Auge zwischen den leicht gespreizten Fingern hindurch.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Beim Blick hinab sah man nicht sonderlich viel - lediglich ein mit einfachen Steinfliesen belegter Boden ließ sich erkennen. Eine Leiter war nicht zu sehen.<br>
 
Beim Blick hinab sah man nicht sonderlich viel - lediglich ein mit einfachen Steinfliesen belegter Boden ließ sich erkennen. Eine Leiter war nicht zu sehen.<br>
“Mutige voran!, meldete sich dann Drego wieder zu Wort, wobei er an Ort und Stelle stehen blieb - offenbar hatte er sich selbst schon einmal nicht gemeint.<br>
+
''"Mutige voran!"'', meldete sich dann Drego wieder zu Wort, wobei er an Ort und Stelle stehen blieb - offenbar hatte er sich selbst schon einmal nicht gemeint.<br>
 
Dem Hauptmann war die Situation offensichtlich nicht geheuer. Noch immer sah er sich nervös um und schien zu erwarten, dass aus dem nahen Waldrand eine Horde Diebe gestürmt kam.<br>
 
Dem Hauptmann war die Situation offensichtlich nicht geheuer. Noch immer sah er sich nervös um und schien zu erwarten, dass aus dem nahen Waldrand eine Horde Diebe gestürmt kam.<br>
“Soll er doch zuerst runter gehen”, sprach er in die Runde, ohne dabei jemanden anzublicken.<br>
+
''"Soll er doch zuerst runter gehen"'', sprach er in die Runde, ohne dabei jemanden anzublicken.<br>
 
Gereon blickte etwas säuerlich in die Schwärze und dann in die Runde, war aber entschlossen, jetzt nicht zurückzuweichen.<br>  
 
Gereon blickte etwas säuerlich in die Schwärze und dann in die Runde, war aber entschlossen, jetzt nicht zurückzuweichen.<br>  
“Hat jemand ein Seil und ein Licht zur Hand?, fragte er in die Runde. <br>
+
''"Hat jemand ein Seil und ein Licht zur Hand?"'', fragte er in die Runde. <br>
“Hmmmm, wenn ihr meint..., entgegnete Aleydis mit skeptischem Tonfall, ohne den Ritter dabei anzublicken.<br>
+
''"Hmmmm, wenn ihr meint..."'', entgegnete Aleydis mit skeptischem Tonfall, ohne den Ritter dabei anzublicken.<br>
“Ich hole ein Seil und eine Laterne.<br>
+
''"Ich hole ein Seil und eine Laterne."''<br>
 
Dann richtete Gereon seine Worte direkt an Severin:<br>
 
Dann richtete Gereon seine Worte direkt an Severin:<br>
“In welcher Richtung steht die Truhe da unten?<br>
+
''"In welcher Richtung steht die Truhe da unten?"''<br>
“Wie meinen?, kam zur Antwort, während sich auf Severins Gesicht deutlich Verwirrung abzeichnete.<br>
+
''"Wie meinen?"'', kam zur Antwort, während sich auf Severins Gesicht deutlich Verwirrung abzeichnete.<br>
“W-W-Wie welche Richtung? Ihr g-g-geht da runter, dann gerade… geradeaus und dann… links, ne, rechts… oder, ne. Moment, doch!<br>
+
''"W-W-Wie welche Richtung? Ihr g-g-geht da runter, dann gerade... geradeaus und dann... links, ne, rechts... oder, ne. Moment, doch!''"<br>
 
Er begann sich am Kopf zu kratzen und auf dem Boden blickend im Kreis zu drehen, offenbar, um sich zu orientieren.<br>
 
Er begann sich am Kopf zu kratzen und auf dem Boden blickend im Kreis zu drehen, offenbar, um sich zu orientieren.<br>
 
Gereon verzog das Gesicht und kommentierte die Antwort leicht säuerlich:<br>
 
Gereon verzog das Gesicht und kommentierte die Antwort leicht säuerlich:<br>
“Na zumindest nicht hinter mir. Bei Phex, es wäre nur fein, wenn wir nicht ohne Rückweg ins Dunkel springen müssten... wie seid Ihr eigentlich da hinein und hinaus gekommen Severin?<br>
+
''"Na zumindest nicht hinter mir. Bei Phex, es wäre nur fein, wenn wir nicht ohne Rückweg ins Dunkel springen müssten... wie seid Ihr eigentlich da hinein und hinaus gekommen Severin?"''<br>
“Na, m-m-mit ‘ner Leiter! Was glaubt ihr denn?, fragt er in einem Ton, der klarmachte, wie dämlich er die Frage zu finden schien. Zumindest ließen auch die ausgebreiteten Arme und der ungläubige Blick darauf schließen.<br>
+
''"Na, m-m-mit 'ner Leiter! Was glaubt ihr denn?''", fragt er in einem Ton, der klarmachte, wie dämlich er die Frage zu finden schien. Zumindest ließen auch die ausgebreiteten Arme und der ungläubige Blick darauf schließen.<br>
 
Unterdessen entfernte sich der Hauptmann vorsichtig und ging zu den Pferden, von wo er nach kurzer Zeit mit einem locker aufgerollten Seit über der Schulter sowie einer Laterne in der linken Hand - in der Rechen hielt er noch immer sein Schwert - zurückkehrte. Das Seil, es mochten gut acht Schritt sein, reichte er Gereon:<br>
 
Unterdessen entfernte sich der Hauptmann vorsichtig und ging zu den Pferden, von wo er nach kurzer Zeit mit einem locker aufgerollten Seit über der Schulter sowie einer Laterne in der linken Hand - in der Rechen hielt er noch immer sein Schwert - zurückkehrte. Das Seil, es mochten gut acht Schritt sein, reichte er Gereon:<br>
“Hier!.<br>
+
''"Hier!"''.<br>
 
Von der Ansprache überrascht drehte sich Gereon zum Hauptmann um und seine Miene hellte sich sichtlich erfreut auf.<br>
 
Von der Ansprache überrascht drehte sich Gereon zum Hauptmann um und seine Miene hellte sich sichtlich erfreut auf.<br>
“Ha! Aleydis! Euch hat Hesinde die Gabe der Vorausschau geschenkt! Habt Dank!<br>  
+
''"Ha! Aleydis! Euch hat Hesinde die Gabe der Vorausschau geschenkt! Habt Dank!"''<br>  
 
Kurz entschlossen wurde das Seil an einem nahen Baum verknotet und Gereon begann sich in das Loch hinab zu lassen. Unten angekommen zog auch er einen Dolch von seinem Gürtel lauschte kurz und wandte sich dann nach oben.<br>
 
Kurz entschlossen wurde das Seil an einem nahen Baum verknotet und Gereon begann sich in das Loch hinab zu lassen. Unten angekommen zog auch er einen Dolch von seinem Gürtel lauschte kurz und wandte sich dann nach oben.<br>
“Werft mir bitte eine Lichtquelle zu! Einen Zunderbeutel hab ich.<br>
+
''"Werft mir bitte eine Lichtquelle zu! Einen Zunderbeutel hab ich."''<br>
 
Mit diesen Worten begann er an einer seiner beiden Gürteltaschen zu nesteln. Aleydis stützte sich mit seiner linken Hand auf seinem Knie ab, beugte sich etwas hinab und versuchte im Dunkel etwas zu erkennen.<br>
 
Mit diesen Worten begann er an einer seiner beiden Gürteltaschen zu nesteln. Aleydis stützte sich mit seiner linken Hand auf seinem Knie ab, beugte sich etwas hinab und versuchte im Dunkel etwas zu erkennen.<br>
“Habe nur eine Kerze”, rief er entschuldigend hinab und sah sodann fragend zu Irminella und Drego.<br>
+
''"Habe nur eine Kerze"'', rief er entschuldigend hinab und sah sodann fragend zu Irminella und Drego.<br>
 
Während Irminella mit den Schultern zuckte fühlte sich Drego offenbar angesprochen.<br>
 
Während Irminella mit den Schultern zuckte fühlte sich Drego offenbar angesprochen.<br>
“Ich hätte eine Laterne bei meinen Sachen. Bringt aber ohne ordentliche Lichtquelle auch nicht mehr als die Kerze.<br>
+
''"Ich hätte eine Laterne bei meinen Sachen. Bringt aber ohne ordentliche Lichtquelle auch nicht mehr als die Kerze."''<br>
“Ha-Ha-Hab ‘ne Fackel”, warf dann Severin ein.<br>
+
''"Ha-Ha-Hab 'ne Fackel"'', warf dann Severin ein.<br>
“Wollt’er die?<br>
+
''"Wollt’er die?"''<br>
 
Aleydis richtete sich auf und sah den fremden Kauz ungläubig an.<br>
 
Aleydis richtete sich auf und sah den fremden Kauz ungläubig an.<br>
“Na, dann her damit!, fuhr er ihn unfreundlich an, was er zu bemerken schien und nach einer kurzen Pause immerhin ein: “Bitte!, ergänzte.<br>
+
''"Na, dann her damit!"'', fuhr er ihn unfreundlich an, was er zu bemerken schien und nach einer kurzen Pause immerhin ein: ''"Bitte!"'', ergänzte.<br>
“Mo-Mo-Moment”, antwortete er, als er davonstapfte.<br>
+
''"Mo-Mo-Moment"'', antwortete er, als er davonstapfte.<br>
Man hörte ihn noch ein wenig murmeln. Satzfragmente wie: “gemein” und “unfreundlich” drangen noch an die Ohren der Zurückbleibenden.
+
Man hörte ihn noch ein wenig murmeln. Satzfragmente wie: 'gemein und unfreundlich' drangen noch an die Ohren der Zurückbleibenden.
“Und?, drang Gereons Stimme von unten herauf. ''"Ich hätte auch noch trockene Birkenrinde in einer Satteltasche, falls nötig."''<br>   
+
''"Und?"'', drang Gereons Stimme von unten herauf. ''"Ich hätte auch noch trockene Birkenrinde in einer Satteltasche, falls nötig."''<br>   
“Severin holt eine Fackel”, kam es von oben von Drego zurück.<br>
+
''"Severin holt eine Fackel"'', kam es von oben von Drego zurück.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Wirklich weit konnte Gereon hier unten tatsächlich nicht sehen. Vielleicht drei, vier Schritt, bis der Gang, auf den er blickte, von der Dunkelheit verschluckt wurde. Linker Hand ließ sich gerade noch so ein Durchgang ausmachen - hier mochte vielleicht einst eine Tür in einen anderen Raum geführt haben.
 
Wirklich weit konnte Gereon hier unten tatsächlich nicht sehen. Vielleicht drei, vier Schritt, bis der Gang, auf den er blickte, von der Dunkelheit verschluckt wurde. Linker Hand ließ sich gerade noch so ein Durchgang ausmachen - hier mochte vielleicht einst eine Tür in einen anderen Raum geführt haben.
 
Lud die Dunkelheit hier unten schon nicht zum Verweilen ein, tat der Geruch sein übriges dazu. Die Wände der 'Behausung', wie es Severin vorhin nannte, waren einst holzverschalt gewesen, wovon heute nicht mehr viel übrig war - zurück blieb ein Geruch von Moder und Schimmel.<br>
 
Lud die Dunkelheit hier unten schon nicht zum Verweilen ein, tat der Geruch sein übriges dazu. Die Wände der 'Behausung', wie es Severin vorhin nannte, waren einst holzverschalt gewesen, wovon heute nicht mehr viel übrig war - zurück blieb ein Geruch von Moder und Schimmel.<br>
“Ich traue diesem Irren nicht”, sprach Aleydis mehr zu sich selbst als zu den anderen und schüttelte dabei seinen Kopf.<br>
+
''"Ich traue diesem Irren nicht"'', sprach Aleydis mehr zu sich selbst als zu den anderen und schüttelte dabei seinen Kopf.<br>
 
Drego gab einen Zischlaut von sich, der verdeutlichen sollte, dass er diese Art abfälliger Formulierungen auch seitens des Hauptmannes nicht guthieß, sagte aber nichts. Irminella hingegen kommentierte Aleydis' Worte:<br>
 
Drego gab einen Zischlaut von sich, der verdeutlichen sollte, dass er diese Art abfälliger Formulierungen auch seitens des Hauptmannes nicht guthieß, sagte aber nichts. Irminella hingegen kommentierte Aleydis' Worte:<br>
“Das müssen wir auch nicht. Wir schauen uns das dort unten an und Ende. Oder fürchtet Ihr etwas genaues?<br>
+
''"Das müssen wir auch nicht. Wir schauen uns das dort unten an und Ende. Oder fürchtet Ihr etwas genaues?"''<br>
“Ein ungutes Gefühl. Mir ist die Sache nicht geheuer”, antwortete der Hauptmann vage.<br>
+
''"Ein ungutes Gefühl. Mir ist die Sache nicht geheuer"'', antwortete der Hauptmann vage.<br>
“Mir auch nicht”, gab sie leise zu.<br>
+
''"Mir auch nicht"'', gab sie leise zu.<br>
“Hilft ja aber nichts. Außerdem: wann trifft man mal einen waschechten Geist?, fragte sie dann grinsend.
+
''"Hilft ja aber nichts. Außerdem: wann trifft man mal einen waschechten Geist?"'', fragte sie dann grinsend.
“Da kommt er, der Bekloppte..., sagte sie dann so leise, dass Drego sie nicht hören konnte.<br>
+
''"Da kommt er, der Bekloppte..."'', sagte sie dann so leise, dass Drego sie nicht hören konnte.<br>
 
Severin kam mit großen Schritten und besagter Fackel zurück und hielt zielstrebig auf den Hauptmann zu. Er hielt Aleydis die Fackel hin.<br>
 
Severin kam mit großen Schritten und besagter Fackel zurück und hielt zielstrebig auf den Hauptmann zu. Er hielt Aleydis die Fackel hin.<br>
“Wie sagt man?, fragte er dann grinsend.<br>
+
''"Wie sagt man?"'', fragte er dann grinsend.<br>
 
Zögerlich griff der Hauptmann mit der linken Hand nach der Fackel und bedankte sich knapp bei Severin, sah diesen aber mit zusammengekniffenen Augen noch immer skeptisch an.<br>
 
Zögerlich griff der Hauptmann mit der linken Hand nach der Fackel und bedankte sich knapp bei Severin, sah diesen aber mit zusammengekniffenen Augen noch immer skeptisch an.<br>
“Immer froh wenn ich he-he-helfen kann!, antwortete Severin grinsend und verneigte sich theatralisch.<br>
+
''"Immer froh wenn ich he-he-helfen kann!"'', antwortete Severin grinsend und verneigte sich theatralisch.<br>
“Lasst Euch n-n-nicht zu Tode erschrecken!<br>
+
''"Lasst Euch n-n-nicht zu Tode erschrecken!"''<br>
 
Mit der Fackel in der Hand trat Aleydis dann einen Schritt von dem Fremden zurück und rief über die Schulter zu Gereon hinunter:<br>
 
Mit der Fackel in der Hand trat Aleydis dann einen Schritt von dem Fremden zurück und rief über die Schulter zu Gereon hinunter:<br>
“Habe einen Fackel. Wollt ihr diese selbst entzünden?<br>
+
''"Habe eine Fackel. Wollt ihr diese selbst entzünden?"''<br>
"Ja, werft sie nur herunter!rief Gereon.<br>
+
''"Ja, werft sie nur herunter!"'' rief Gereon.<br>
 
Der Angesprochene wiederum tat wie geheißen.<br>
 
Der Angesprochene wiederum tat wie geheißen.<br>
"Ach, bleibt einer von euch oben und hält Wacht? Ich möchte ungern später hier fest sitzen, falls es zu einem Einsturz kommt... oder ähnlichem... dann können wir wenigstens hoffen, dass jemand Hilfe holt.<br>
+
''"Ach, bleibt einer von euch oben und hält Wacht? Ich möchte ungern später hier fest sitzen, falls es zu einem Einsturz kommt... oder ähnlichem... dann können wir wenigstens hoffen, dass jemand Hilfe holt."''<br>
 
Gereon sprach eine bewusst lange Pause, die hoffentlich den anderen auffiel und verstanden wurde.<br>
 
Gereon sprach eine bewusst lange Pause, die hoffentlich den anderen auffiel und verstanden wurde.<br>
“Nun? Wer begleitet mich?<br>
+
''"Nun? Wer begleitet mich?"''<br>
 
Fragend sah Gereon zur Öffnung empor ins Gesicht von Aleydis, während er - wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen - zur selben Zeit die Fackel entzündete.<br>
 
Fragend sah Gereon zur Öffnung empor ins Gesicht von Aleydis, während er - wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen - zur selben Zeit die Fackel entzündete.<br>
 
''"Ich"'', antwortete die Vögtin trocken und seilte sich ins Loch herab. Dann blickte sie nach oben:<br>
 
''"Ich"'', antwortete die Vögtin trocken und seilte sich ins Loch herab. Dann blickte sie nach oben:<br>
 
''"Hauptmann!"'', rief sie. ''"Ihr seid dran."''<br>
 
''"Hauptmann!"'', rief sie. ''"Ihr seid dran."''<br>
“Dann halte ich wohl Wache”, erhob daraufhin Drego das Wort, nicht ohne ein Grinsen auf seinen Lippen.<br>
+
''"Dann halte ich wohl Wache"'', erhob daraufhin Drego das Wort, nicht ohne ein Grinsen auf seinen Lippen.<br>
“Viel Glü… Erfolg!<br>
+
''"Viel Glü… Erfolg!"''<br>
Aleydis blickte skeptisch zu Drego und sprach leise vor sich hin: “Keine gute Idee.<br>
+
Aleydis blickte skeptisch zu Drego und sprach leise vor sich hin: ''"Keine gute Idee."''<br>
“Ich schaff’ das schon”, wies Drego die Bedenken des Hauptmannes zurück.<br>
+
''"Ich schaff’ das schon"'', wies Drego die Bedenken des Hauptmannes zurück.<br>
 
+
<br>
 
Die beiden, die sich nun bereits unter der Erde befanden, konnten nach dem Entzünden der Fackel nun um einiges mehr erkennen als zuvor. Nicht nur linker Hand befand sich ein Durchbruch in der Wand, auch auf der rechten Seite fand sich ein solcher. Geradeaus mochte ebenfalls einmal ein Raum - oder zumindest einige weitere Schritte des Korridors, auf dem Irminella und Gereon nun standen - gewesen sein. Heute war dieser hintere Teil des Erdgewölbes komplett verschüttet.<br>
 
Die beiden, die sich nun bereits unter der Erde befanden, konnten nach dem Entzünden der Fackel nun um einiges mehr erkennen als zuvor. Nicht nur linker Hand befand sich ein Durchbruch in der Wand, auch auf der rechten Seite fand sich ein solcher. Geradeaus mochte ebenfalls einmal ein Raum - oder zumindest einige weitere Schritte des Korridors, auf dem Irminella und Gereon nun standen - gewesen sein. Heute war dieser hintere Teil des Erdgewölbes komplett verschüttet.<br>
Von oben drang die Stimme des Hauptmanns herab:<br>
+
Von oben drang die Stimme des Hauptmanns herab, der noch einmal nachhakte:<br>
“Euer Wohlgeboren, seid Ihr sicher, dass niemand hier oben bleiben sollte, der Gefahren abwehren kann?<br>
+
''"Euer Wohlgeboren, seid Ihr sicher, dass niemand hier oben bleiben sollte, der Gefahren abwehren kann?"''<br>
“Guter Einwand. Schickt den Medicus runter”, änderte sie daraufhin ihre Anweisung.<br>
+
''"Guter Einwand. Schickt den Medicus runter"'', änderte sie daraufhin ihre Anweisung.<br>
“Och nö..., kam es mit hängenden Schultern von selbigem.<br>
+
''"Och nö..."'', kam es mit hängenden Schultern von selbigem.<br>
“Muss ich wirklich?<br>
+
''"Muss ich wirklich?"''<br>
“Los, Grabschaufler!, insistierte Irminella.<br>
+
''"Los, Grabschaufler!"'', insistierte Irminella.<br>
“Na dann, viel Glück”, sagte er noch zu sich selbst, bevor er sich abseilte.<br>
+
''"Na dann, viel Glück"'', sagte er noch zu sich selbst, bevor er sich abseilte.<br>
 
Aleydis konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken, als er dem Medicus dabei zusah, wie dieser sich abseilte.<br>
 
Aleydis konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken, als er dem Medicus dabei zusah, wie dieser sich abseilte.<br>
“Ich halte hier die Stellung und sorge dafür, dass der Zugang offen bleibt. Keine Sorge!, rief er Drego nach.<br>
+
''"Ich halte hier die Stellung und sorge dafür, dass der Zugang offen bleibt. Keine Sorge!"'', rief er Drego nach.<br>
 
Allerdings vergaß er dabei nicht, auch den Fremden im Blick zu behalten.<br>
 
Allerdings vergaß er dabei nicht, auch den Fremden im Blick zu behalten.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Währenddessen sah sich Gereon unten mit säuerlicher Miene um.<br>
 
Währenddessen sah sich Gereon unten mit säuerlicher Miene um.<br>
“Zwei Gänge... natürlich... nicht weiter erwähnenswert...", murmelte er, um dann mit lauter Stimme fortzufahren:<br>
+
''"Zwei Gänge... natürlich... nicht weiter erwähnenswert..."'', murmelte er, um dann mit lauter Stimme fortzufahren:<br>
“Nun es bleibt uns nicht erspart, uns näher umzusehen, Euer Wohlgeboren," wandte er sich an Irminella.<br>
+
''"Nun es bleibt uns nicht erspart, uns näher umzusehen, Euer Wohlgeboren. Wollt Ihr vielleicht die Richtung wählen?"''<br>
"Wollt Ihr vielleicht die Richtung wählen?<br>
+
''"Das ist im Grunde einerlei, nicht? Irgendwo müssen wir dennoch beginnen, also links"'', antwortete sie dann bestimmt und ging voran.<br>
“Das ist im Grunde einerlei, nicht? Irgendwo müssen wir dennoch beginnen, also links”, antwortete sie dann bestimmt und ging voran.<br>
 
 
Drego drückte sich noch eine Weile in dem Teil des Schachtes herum, in den noch die Strahlen des Praiosmales schienen, bevor auch er losging.<br>
 
Drego drückte sich noch eine Weile in dem Teil des Schachtes herum, in den noch die Strahlen des Praiosmales schienen, bevor auch er losging.<br>
“Nun denn.<br>
+
''"Nun denn."''<br>
 
Gereon hielt die Fackel vor sich etwas in die Höhe damit der Raum ausgeleuchtet wurde und begleitete Irminella und Drego durch den Durchgang.<br>
 
Gereon hielt die Fackel vor sich etwas in die Höhe damit der Raum ausgeleuchtet wurde und begleitete Irminella und Drego durch den Durchgang.<br>
 
<br>
 
<br>
Zeile 573: Zeile 563:
 
<br>
 
<br>
 
All das bekamen die Herrschaften unter Tage nicht mit. Irminella führte den kleinen Spähtrupp in den nach links abgehenden Gang, den Gereon mit seiner Fackel rasch ausleuchtete. Es fanden sich hier zwischen vermodernden Säcken noch Holzreste, die einstmals zu einem Schrank gehört haben mochten - doch keine Kiste oder gar Truhe.<br>
 
All das bekamen die Herrschaften unter Tage nicht mit. Irminella führte den kleinen Spähtrupp in den nach links abgehenden Gang, den Gereon mit seiner Fackel rasch ausleuchtete. Es fanden sich hier zwischen vermodernden Säcken noch Holzreste, die einstmals zu einem Schrank gehört haben mochten - doch keine Kiste oder gar Truhe.<br>
“Müsste die nicht sowieso längst genauso verwittert sein, wie der Rest hier unten?, schoss es der Vögtin durch den Kopf.<br>
+
''"Müsste die nicht sowieso längst genauso verwittert sein, wie der Rest hier unten?"'', schoss es der Vögtin durch den Kopf.<br>
“Kein Geist, hehe”, kicherte Drego ein wenig blöde, ein deutliches Zeichen für seine Nervosität. Oder hatte er sogar Angst?<br>
+
''"Kein Geist, hehe"'', kicherte Drego ein wenig blöde, ein deutliches Zeichen für seine Nervosität. Oder hatte er sogar Angst?<br>
“Kein Geist”, wiederholte Irminella und wollte gerade einen Schritt in Richtung des anderen Ganges machen, als ein leises Seufzen durch den Raum hallte.<br>  
+
''"Kein Geist"'', wiederholte Irminella und wollte gerade einen Schritt in Richtung des anderen Ganges machen, als ein leises Seufzen durch den Raum hallte...<br>
 +
<br>
 
Irminellas Kopf rückte suchend umher, während Drego zusammenfuhr wie unter einem Peitschenhieb. Dann stammelte er immer wieder vor sich hin:<br>
 
Irminellas Kopf rückte suchend umher, während Drego zusammenfuhr wie unter einem Peitschenhieb. Dann stammelte er immer wieder vor sich hin:<br>
“Guter Geist, lieber Geist…”<br>
+
''"Guter Geist, lieber Geist..."''<br>
Gereon fuhr ebefalls erschrocken zusammen und griff mit der freien Hand nach dem Peraine-Amulett um seinen Hals - das er fest in seine Faust einschloss. Sein durchdringender Blick versuchte die Quelle des Stöhnens ausfindig zu machen. Er atmete hörbar aus und begann sichtlich angestrengt jeden Winkel des Raumes mit der Fackel auszuleuchten, während er leise murmelnd immer wiederholte:<br>
+
Gereon fuhr ebenfalls erschrocken zusammen und griff mit der freien Hand nach dem Peraine-Amulett um seinen Hals - das er fest in seine Faust einschloss. Sein durchdringender Blick versuchte die Quelle des Stöhnens ausfindig zu machen. Er atmete hörbar aus und begann sichtlich angestrengt jeden Winkel des Raumes mit der Fackel auszuleuchten, während er leise murmelnd immer wiederholte:<br>
“Herrin, gewähre uns Deinen Segen. Schütze uns vor Gefahren für Leib und Seele....<br>
+
''"Herrin, gewähre uns Deinen Segen. Schütze uns vor Gefahren für Leib und Seele..."''.<br>
Hin und wieder erklang zusätzlich ein: “Darum bitten wir Dich”, während er sich alarmiert durch den Raum bewegte.<br>
+
Hin und wieder erklang zusätzlich ein: ''"Darum bitten wir Dich"'', während er sich alarmiert durch den Raum bewegte.<br>
 
Irminella tat es ihm gleich, nur dass sie nicht betete - zumindest nicht laut. Drego hingegen schien offenbar nach wie vor wie vom Donner gerührt. Er stand noch immer wie festgewurzelt am selben Ort, an dem er stand, als der Seufzer durch das Gewölbe hallte. Nach einigen Herzschlägen war der Raum durchsucht, jede Ecke einmal ausgeleuchtet, doch gefunden hatten die Hohen Herrschaften nichts. Doch, Moment! War da nicht schon wieder so ein Geräusch? Die eiligen Schritte und die vom Schreck schnellere und lautere Atmung überdeckten es fast - aber, ja! Da war es wieder... und es kam aus dem Raum gegenüber!<br>
 
Irminella tat es ihm gleich, nur dass sie nicht betete - zumindest nicht laut. Drego hingegen schien offenbar nach wie vor wie vom Donner gerührt. Er stand noch immer wie festgewurzelt am selben Ort, an dem er stand, als der Seufzer durch das Gewölbe hallte. Nach einigen Herzschlägen war der Raum durchsucht, jede Ecke einmal ausgeleuchtet, doch gefunden hatten die Hohen Herrschaften nichts. Doch, Moment! War da nicht schon wieder so ein Geräusch? Die eiligen Schritte und die vom Schreck schnellere und lautere Atmung überdeckten es fast - aber, ja! Da war es wieder... und es kam aus dem Raum gegenüber!<br>
 
<br>
 
<br>
 
Mit versteinerter Miene betrachtete Gereon den Durchgang und schien still mit sich zu ringen, bevor er sich in Bewegung setzte um den Türbogen zum nächsten Raum zu durchschreiten.<br>
 
Mit versteinerter Miene betrachtete Gereon den Durchgang und schien still mit sich zu ringen, bevor er sich in Bewegung setzte um den Türbogen zum nächsten Raum zu durchschreiten.<br>
“Die Zwölfe zum Gruße, Peraine anempfohlen”, stieß er dabei mehr wie eine Beschwörung denn eine Begrüßung aus.<br>  
+
''"Die Zwölfe zum Gruße, Peraine anempfohlen"'', stieß er dabei mehr wie eine Beschwörung denn eine Begrüßung aus.<br>  
“Was macht ihr da unten denn?, rief Aleydis durch die geöffnete Luke hinab in die Düsternis des alten Gewölbes, nachdem er eine Weile keine Stimmen mehr gehört hatte.<br>
+
''"Was macht ihr da unten denn?"'', rief Aleydis durch die geöffnete Luke hinab in die Düsternis des alten Gewölbes, nachdem er eine Weile keine Stimmen mehr gehört hatte.<br>
 
Drego und diesmal auch Irminella fuhren zusammen, als die Frage des Hauptmannes die Stille zerriss. Irminella atmete erleichtert aus, als sie die vertraute Stimme rückwirkend erkannte, Drego hingegen griff sich noch immer schwer atmend mit großen Augen an die Brust.<br>
 
Drego und diesmal auch Irminella fuhren zusammen, als die Frage des Hauptmannes die Stille zerriss. Irminella atmete erleichtert aus, als sie die vertraute Stimme rückwirkend erkannte, Drego hingegen griff sich noch immer schwer atmend mit großen Augen an die Brust.<br>
”Das ist zu viel... viel zu viel..., stammelte der Medicus vor sich hin.<br>
+
''"Das ist zu viel... viel zu viel..."'', stammelte der Medicus vor sich hin.<br>
 
Irminella hatte sich offenbar wieder im Griff und schritt, zaghaft zwar, doch trotz alledem zielstrebig auf den gegenüberliegenden Raum zu, dicht hielt sie sich hinter Gereon und beobachtete aufmerksam die Umgebung.<br>
 
Irminella hatte sich offenbar wieder im Griff und schritt, zaghaft zwar, doch trotz alledem zielstrebig auf den gegenüberliegenden Raum zu, dicht hielt sie sich hinter Gereon und beobachtete aufmerksam die Umgebung.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Mit einem Mal wirbelte Staub auf, bließ den beiden Tapferen direkt ins Gesicht. Beinahe zeitgleich wurde die Stille erneut zerrissen, ein gellender Schrei dröhnte in den Ohren und trieb den Schrecken erneut in die Glieder der Anwesenden.<br>
 
Mit einem Mal wirbelte Staub auf, bließ den beiden Tapferen direkt ins Gesicht. Beinahe zeitgleich wurde die Stille erneut zerrissen, ein gellender Schrei dröhnte in den Ohren und trieb den Schrecken erneut in die Glieder der Anwesenden.<br>
“HAUT AB, ELENDES RÄUBERPACK! HAUT AAAAAB!, donnerte eine Stimme, die von überall zugleich zu kommen und körperlos zu sein schien.<br>  
+
'''''"HAUT AB, ELENDES RÄUBERPACK! HAUT AAAAAB!"''''', donnerte eine Stimme, die von überall zugleich zu kommen und körperlos zu sein schien.<br>  
 
Gereon sackte vor Schreck auf die Knie und versuchte panisch mit einer Hand den Dolch aus der Scheide zu ziehen. Bevor ihm das durch seine gebückte Haltung aber gelingen konnte, schien er sich wieder zu besinnen und hielt sich stattdessen mit beiden Händen die Ohren zu. Dann richtete er sich unter sichtbarer Anstrengung wieder auf, nun wieder eine Hand um sein Amulett zur Faust geballt, und blickte in Richtung der Gefährten und Dregos Rufen.<br>
 
Gereon sackte vor Schreck auf die Knie und versuchte panisch mit einer Hand den Dolch aus der Scheide zu ziehen. Bevor ihm das durch seine gebückte Haltung aber gelingen konnte, schien er sich wieder zu besinnen und hielt sich stattdessen mit beiden Händen die Ohren zu. Dann richtete er sich unter sichtbarer Anstrengung wieder auf, nun wieder eine Hand um sein Amulett zur Faust geballt, und blickte in Richtung der Gefährten und Dregos Rufen.<br>
”Nein… nein, nein, nein!, hörte man diesen rufen.<br>
+
''"Nein... nein, nein, nein!"'', hörte man diesen rufen.<br>
Er rannte zurück zum Seil, wo er im immer schwächer werdenden Sonnenlicht stehen blieb und panisch nach oben schaute. Oben wich Severin brabbelnd und mit nackter Angst in den Augen vom Loch zurück.<br>
+
Er rannte zurück zum Seil, wo er im immer schwächer werdenden Sonnenlicht stehen blieb und panisch nach oben schaute.<br>
“Er ist es! Er ist es!<br>
+
<br>
 +
Oben wich Severin brabbelnd und mit nackter Angst in den Augen vom Loch zurück.<br>
 +
''"Er ist es! Er ist es!"''<br>
 
Immer weiter schritt er rückwärts, bis er stolperte, auf den Hosenboden fiel und einfach sitzen blieb.<br>
 
Immer weiter schritt er rückwärts, bis er stolperte, auf den Hosenboden fiel und einfach sitzen blieb.<br>
“T... T... Travia hilf!, rief er aus und verbarg sein Gesicht in seinen Händen.<br>
+
''"T... T... Travia hilf!"'', rief er aus und verbarg sein Gesicht in seinen Händen.<br>
 
Aleydis wandt sich nach den Rufen erschrocken zu Severin um und hielt diesem sein Schwert entgegen.<br>
 
Aleydis wandt sich nach den Rufen erschrocken zu Severin um und hielt diesem sein Schwert entgegen.<br>
“Komm’ nicht auf dumme Gedanken!, zischte er ihn an und als er sah, dass der Fremde auf seinen Hosenboden fiel, schob der Hauptmann hastig sein Schwert in die Scheide am Gürtel und blickte nach unten in das Loch.<br>
+
''"Komm’ nicht auf dumme Gedanken!"'', zischte er ihn an und als er sah, dass der Fremde auf seinen Hosenboden fiel, schob der Hauptmann hastig sein Schwert in die Scheide am Gürtel und blickte nach unten in das Loch.<br>
 
Als er dort Drego sah, rief er hinab:<br>
 
Als er dort Drego sah, rief er hinab:<br>
“Haltet Euch fest!, um dann sogleich das Seil zu packen und den Medicus hinauf zu ziehen.<br>
+
''"Haltet Euch fest!"'', um dann sogleich das Seil zu packen und den Medicus hinauf zu ziehen.<br>
 
Kaum hatte er Aleydis Aufforderung vernommen, hatte sich Drego fest ans Seil geklammert - so fest, dass seine Fingerknöchel ein blutleeres Weiß annahmen. Kurze Zeit später kam erst der Arm und schließlich nach und nach der ganze Medicus wieder zum Vorschein. Oben angekommen ließ er das Seil los, rollte sich schwer atmend auf den Rücken und murmelte tonlos vor sich hin. Aleydis warf sogleich das Seil wieder hinab, griff dann nach dem Medicus und versuchte ihm auf die Beine zu helfen.<br>
 
Kaum hatte er Aleydis Aufforderung vernommen, hatte sich Drego fest ans Seil geklammert - so fest, dass seine Fingerknöchel ein blutleeres Weiß annahmen. Kurze Zeit später kam erst der Arm und schließlich nach und nach der ganze Medicus wieder zum Vorschein. Oben angekommen ließ er das Seil los, rollte sich schwer atmend auf den Rücken und murmelte tonlos vor sich hin. Aleydis warf sogleich das Seil wieder hinab, griff dann nach dem Medicus und versuchte ihm auf die Beine zu helfen.<br>
“Was ist passiert? Was ist los? Sagt doch!, redete er aufgeregt auf Drego ein und warf dabei immer wieder einen Blick hinab in die Tiefe.<br>
+
''"Was ist passiert? Was ist los? Sagt doch!"'', redete er aufgeregt auf Drego ein und warf dabei immer wieder einen Blick hinab in die Tiefe.<br>
 
Drego ergriff die dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen - nur um dann die Arme auf den Knien abzustützen und mit weit übergebeugtem Oberkörper hörbar tief zu atmen. Offenbar eine Methode zur Beruhigung, denn nach einem halben Dutzend dieser Atmenzüge hatte er sich sichtlich beruhigt. Dennoch war in seiner Stimme noch deutliche Aufregung zu hören, als er sprach:<br>
 
Drego ergriff die dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen - nur um dann die Arme auf den Knien abzustützen und mit weit übergebeugtem Oberkörper hörbar tief zu atmen. Offenbar eine Methode zur Beruhigung, denn nach einem halben Dutzend dieser Atmenzüge hatte er sich sichtlich beruhigt. Dennoch war in seiner Stimme noch deutliche Aufregung zu hören, als er sprach:<br>
“Er... er ist da unten. Der Geist.<br>
+
''"Er... er ist da unten. Der Geist."''<br>
 
<br>
 
<br>
 
Tatsächlich konnten sich Irminella und Gereon, die noch immer in den Gewölben standen, auch keinen anderen Reim auf das soeben Geschehene machen. Der sonst so ruhig und besonnen auftretenden Irminella stand der Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben, als sie Gereon ansah.<br>
 
Tatsächlich konnten sich Irminella und Gereon, die noch immer in den Gewölben standen, auch keinen anderen Reim auf das soeben Geschehene machen. Der sonst so ruhig und besonnen auftretenden Irminella stand der Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben, als sie Gereon ansah.<br>
“Dann ist es wohl nun an uns beiden. Seid Ihr bereit? Auf drei gemeinsam in den Raum?, fragte sie mit leichtem Zittern in der Stimme.<br>
+
''"Dann ist es wohl nun an uns beiden. Seid Ihr bereit? Auf drei gemeinsam in den Raum?"'', fragte sie mit leichtem Zittern in der Stimme.<br>
“Bereit!<br>
+
''"Bereit!"''<br>
 
Zu mehr war Gereon, der sich sichtlich zusammenreißen musste, offenbar nicht in der Lage. Nur um kurz darauf fragend hinzuzufügen:<br>
 
Zu mehr war Gereon, der sich sichtlich zusammenreißen musste, offenbar nicht in der Lage. Nur um kurz darauf fragend hinzuzufügen:<br>
“Äh... reden oder kämpfen?<br>
+
''"Äh... reden oder kämpfen?"''<br>
“Das sehen wir dann”, presste Irminella hervor.<br>
+
''"Das sehen wir dann"'', presste Irminella hervor.<br>
“Also gut. Eins... Zwei... Drei!<br>
+
''"Also gut. Eins... Zwei... Drei!"''<br>
 
Wie verabredet stürzte sie nun über den Gang in den Raum hinein, den die Hohen Herrschaften bislang noch nicht untersucht hatten. Gereon folgte Irminella dicht auf und rannte beinahe in Ihren Rücken, als er in den Raum stürzte, eine Hand immer noch fest um sein Armulett geklammert. Sie war inmitten des Raumes stehen geblieben, ihr Kopf ruckte suchend umher, die Hand auf dem Knauf ihres Schwertes - offenbar war sie bereit, es jederzeit aus der Scheide zu ziehen.<br>
 
Wie verabredet stürzte sie nun über den Gang in den Raum hinein, den die Hohen Herrschaften bislang noch nicht untersucht hatten. Gereon folgte Irminella dicht auf und rannte beinahe in Ihren Rücken, als er in den Raum stürzte, eine Hand immer noch fest um sein Armulett geklammert. Sie war inmitten des Raumes stehen geblieben, ihr Kopf ruckte suchend umher, die Hand auf dem Knauf ihres Schwertes - offenbar war sie bereit, es jederzeit aus der Scheide zu ziehen.<br>
“Wo... wo bist du?, rief sie zaghaft und mit noch immer bebender Stimme.<br>
+
''"Wo... wo bist du?"'', rief sie zaghaft und mit noch immer bebender Stimme.<br>
“Zeig dich! Komm raus!, setzte sie nach.<br>
+
''"Zeig dich! Komm raus!"'', setzte sie nach.<br>
 
Doch nichts geschah. Niemand zeigte sich, niemand schrie. Wieder war es totenstill und der Raum genauso trostlos wie der gegenüberliegende - mit dem einzigen Unterschied, dass hier ein kleines, im Lichtschein der Fackel glänzendes, metallenes Kästchen in einer Ecke des Raumes lag. Als hätte es jemand achtlos weggeworfen und noch einmal kräftig draufgetreten, denn es zeigte eine deutliche Delle, die man selbst auf die drei Schritt Entfernung sehen konnte, die Irminella und das Kästchen trennten, fügte es sich gut ein in diesen vergessenen Ort. Mit einem Kopfnicken deutete Irminella darauf und fragte:<br>
 
Doch nichts geschah. Niemand zeigte sich, niemand schrie. Wieder war es totenstill und der Raum genauso trostlos wie der gegenüberliegende - mit dem einzigen Unterschied, dass hier ein kleines, im Lichtschein der Fackel glänzendes, metallenes Kästchen in einer Ecke des Raumes lag. Als hätte es jemand achtlos weggeworfen und noch einmal kräftig draufgetreten, denn es zeigte eine deutliche Delle, die man selbst auf die drei Schritt Entfernung sehen konnte, die Irminella und das Kästchen trennten, fügte es sich gut ein in diesen vergessenen Ort. Mit einem Kopfnicken deutete Irminella darauf und fragte:<br>
“Ob es das ist?<br>
+
''"Ob es das ist?"''<br>
 
Im ersten Moment nicht auf die Ansprache reagierend, musterte Gereon mit einer Mischung aus Furcht, Verblüffung und Nachdenklichkeit den Raum, um dann seine Anspannung blubbernd und schnaubend wie ein Pferd entweichen zu lassen.<br>
 
Im ersten Moment nicht auf die Ansprache reagierend, musterte Gereon mit einer Mischung aus Furcht, Verblüffung und Nachdenklichkeit den Raum, um dann seine Anspannung blubbernd und schnaubend wie ein Pferd entweichen zu lassen.<br>
“Wisst Ihr, Euer Wohlgeboren, ich war als Page an der Trollpforte. Weit entfernt, aber in Sichtweite des Walls. Ich habe nicht einmal gekämpft! Nur..., Gereon machte eine Pause und schien, um Worte zu ringen, dann fuhr er fort: "... Pagendienste verrichtet. Und doch gibt es im Götterlauf Tage, an denen ich keine Ruhe finde.<br>
+
''"Wisst Ihr, Euer Wohlgeboren, ich war als Page an der Trollpforte. Weit entfernt, aber in Sichtweite des Walls. Ich habe nicht einmal gekämpft! Nur..."'', Gereon machte eine Pause und schien, um Worte zu ringen, dann fuhr er fort: ''"... Pagendienste verrichtet. Und doch gibt es im Götterlauf Tage, an denen ich keine Ruhe finde."''<br>
 
Nach einer weiteren Pause sprach Gereon wie zu sich selbst:<br>
 
Nach einer weiteren Pause sprach Gereon wie zu sich selbst:<br>
"Und das hier fühlt sich anders an.<br>
+
''"Und das hier fühlt sich anders an."''<br>
 
Dann schien er wieder ins Hier und Jetzt zu finden, blickte und blickte Irminella an.<br>
 
Dann schien er wieder ins Hier und Jetzt zu finden, blickte und blickte Irminella an.<br>
“Es sieht eher so aus, als hätte Severin versucht, das Kästchen, genannt 'die Truhe' mitzunehmen und hätte sie dann aus Angst weggeworfen!"<br>
+
''"Es sieht eher so aus, als hätte Severin versucht, das Kästchen, genannt 'die Truhe' mitzunehmen und hätte sie dann aus Angst weggeworfen!"''<br>
 
Um so mehr er redete, um so mehr schien Gereon seine Haltung zurückzugewinnen.<br>
 
Um so mehr er redete, um so mehr schien Gereon seine Haltung zurückzugewinnen.<br>
“Woher hätte er von dem Geist wissen sollen?<br>  
+
''"Woher hätte er von dem Geist wissen sollen?"''<br>  
 
Das laute Nachdenken schien Ihm dabei zu helfen, sich zusammen zu reißen.<br>  
 
Das laute Nachdenken schien Ihm dabei zu helfen, sich zusammen zu reißen.<br>  
“Nennt mich verrückt, aber das Einzige was mir einfällt, ist, dass wir versuchen uns vorzustellen, unsere Intention darzulegen und den Geist im Namen der Göttin auffordern uns zu begegnen?<br>
+
''"Nennt mich verrückt, aber das Einzige was mir einfällt, ist, dass wir versuchen uns vorzustellen, unsere Intention darzulegen und den Geist im Namen der Göttin auffordern uns zu begegnen?"''<br>
 
Gereon zuckte die Schultern.<br>
 
Gereon zuckte die Schultern.<br>
“Ich meine, wäre der Geist rachsüchtig oder gefährlich, hätte er Gelegenheit gehabt, uns anzugreifen. Aber ein Geist in der Gewandung eines Travia-Geweihten, der uns Diebe schimpft, scheint mir eher... defensiv? Was meint Ihr?<br>
+
''"Ich meine, wäre der Geist rachsüchtig oder gefährlich, hätte er Gelegenheit gehabt, uns anzugreifen. Aber ein Geist in der Gewandung eines Travia-Geweihten, der uns Diebe schimpft, scheint mir eher... defensiv? Was meint Ihr?''"<br>
“Vögtin? Herr Ritter?, schnitt die Stimme Aleydis’ von oben kommend laut hallend durch die Stille der Katakomben, noch bevor Irminella etwas antworten konnte.<br>
+
<br>
“So antwortet doch! Benötigt ihr Hilfe?<br>
+
''"Vögtin? Herr Ritter?"'', schnitt die Stimme Aleydis' von oben kommend laut hallend durch die Stille der Katakomben, noch bevor Irminella etwas antworten konnte.<br>
“Kommt runter, Aleydis!, rief die Vögtin zur Antwort zurück, ohne auf Gereons Monolog einzugehen.<br>
+
''"So antwortet doch! Benötigt ihr Hilfe?"''<br>
 +
''"Kommt runter, Aleydis!"'', rief die Vögtin zur Antwort zurück, ohne auf Gereons Monolog einzugehen.<br>
 
Der Hauptmann presste einen Fluch zwischen seinen Zähnen hervor, den Drego nicht verstehen konnte. Dann blickte er dem Medicus, der noch immer um Atem ringend neben ihm stand, direkt in die Augen.<br>
 
Der Hauptmann presste einen Fluch zwischen seinen Zähnen hervor, den Drego nicht verstehen konnte. Dann blickte er dem Medicus, der noch immer um Atem ringend neben ihm stand, direkt in die Augen.<br>
“Lasst euch von diesem Irren dort..., er wies mit seinem Schwert in die Richtung, in der Severin auf dem Boden kauerte, ...nicht übertölpeln! Wenn er euch überwältigt, dann sind wir verloren!<br>
+
''"Lasst Euch von diesem Irren dort..."'', er wies mit seinem Schwert in die Richtung, in der Severin auf dem Boden kauerte, ''"...nicht übertölpeln! Wenn er euch überwältigt, dann sind wir verloren!"''<br>
 
Aleydis sah noch einmal kurz auf seine rechte Hand, die nunmehr zitternd sein Schwert hielt, ehe er dieses kurz entschlossen Drego vor die Füße warf.<br>
 
Aleydis sah noch einmal kurz auf seine rechte Hand, die nunmehr zitternd sein Schwert hielt, ehe er dieses kurz entschlossen Drego vor die Füße warf.<br>
“Hier, nehmt das!.<br>
+
''"Hier, nehmt das!"''.<br>
 
Dann ging er in die Hocke, nahm das Seil auf und ließ sich dann ganz langsam in die Tiefe hinab. Das letzte, das Aleydis sah, bevor sein Kopf die Grasnarbe unterschritt war Drego, der mit angewidertem Gesichtsausdruck das Schwert aufhob und es kurz in Händen wog.<br>
 
Dann ging er in die Hocke, nahm das Seil auf und ließ sich dann ganz langsam in die Tiefe hinab. Das letzte, das Aleydis sah, bevor sein Kopf die Grasnarbe unterschritt war Drego, der mit angewidertem Gesichtsausdruck das Schwert aufhob und es kurz in Händen wog.<br>
“Werd’ ich nicht brauchen!, rief er Aleydis hinterher und erhielt als Erwiderung eine derbe Verwünschung aus der Tiefe.<br>
+
''"Werd’ ich nicht brauchen!"'', rief er Aleydis hinterher und erhielt als Erwiderung eine derbe Verwünschung aus der Tiefe.<br>
 +
<br>
 
Unten angekommen stieg nun auch Aleydis der Geruch nach Moder und Schimmel in die Nase. Die Dunkelheit, in die er blickte, als er in den Gang hinein blickte, war für die ersten Herzschläge allumfassend. Doch gab sie, nachdem sich die Augen des Hauptmannes ein wenig an die Düsternis gewöhnt hatten, ihre Geheimnisse preis: ein verschütteter Gang geradeaus und je ein Durchgang linker wie rechter Hand. Es lag eine beinahe fühlbare Stille in der Luft, lediglich aus dem Raum, der sich an den Durchgang auf der rechten Seite befinden musste, hörte Aleydis leise Schritte. Er zog ein langes Messer aus einer kleinen Scheide an seinem Rücken, hielt dies mit ausgestrecktem Arm vor sich und sprach, beinahe schon flüsternd, in den Durchgang:<br>
 
Unten angekommen stieg nun auch Aleydis der Geruch nach Moder und Schimmel in die Nase. Die Dunkelheit, in die er blickte, als er in den Gang hinein blickte, war für die ersten Herzschläge allumfassend. Doch gab sie, nachdem sich die Augen des Hauptmannes ein wenig an die Düsternis gewöhnt hatten, ihre Geheimnisse preis: ein verschütteter Gang geradeaus und je ein Durchgang linker wie rechter Hand. Es lag eine beinahe fühlbare Stille in der Luft, lediglich aus dem Raum, der sich an den Durchgang auf der rechten Seite befinden musste, hörte Aleydis leise Schritte. Er zog ein langes Messer aus einer kleinen Scheide an seinem Rücken, hielt dies mit ausgestrecktem Arm vor sich und sprach, beinahe schon flüsternd, in den Durchgang:<br>
“Vögtin? Herr von Hauerberg?<br>
+
''"Vögtin? Herr von Hauerberg?"''<br>
“Rechter Gang!, hörte er die bekannte Stimme der Vögtin flüstern.<br>
+
''"Rechter Gang!"'', hörte er die bekannte Stimme der Vögtin flüstern.<br>
 
Dann hörte der Hauptmann, dass sie weiter flüsterte, jetzt aber offenbar nicht mehr ihn meinte:<br>
 
Dann hörte der Hauptmann, dass sie weiter flüsterte, jetzt aber offenbar nicht mehr ihn meinte:<br>
“Gute Theorie. Guter Ansatz. Versucht es Gereon., ging Irminella schließlich doch noch auf die zuvor geäußerte Idee des Hauerbergers ein.<br>
+
''"Gute Theorie. Guter Ansatz. Versucht es Gereon."'', ging Irminella schließlich doch noch auf die zuvor geäußerte Idee des Hauerbergers ein.<br>
 
In der Anspannung hatte sie auf die korrekte Anrede verzichtet und den Hohen Herren von Hauerberg mit dem Vornamen angesprochen. Gereon nickte nur knapp und atmete tief ein. Dann begann er zu brüllen:<br>  
 
In der Anspannung hatte sie auf die korrekte Anrede verzichtet und den Hohen Herren von Hauerberg mit dem Vornamen angesprochen. Gereon nickte nur knapp und atmete tief ein. Dann begann er zu brüllen:<br>  
”BEI ALLEN ZWÖLFEN! Wer wagt es, Ihre wohlgeborene Hohe Dame Irminella von Eberbach und mich als DIEBE zu VERLEUMDEN? In Travias Namen! Wir sind HIER auf Geheiß des BARONS PERSÖNLICH, um das Kloster zu besichtigen! Wer WAGT es wider das Gastrecht, Besucher so zu verleumden? Ich bin Gereon von Hauerberg, Hoher Herr und Amtmann von Auroth!
+
''"'''BEI ALLEN ZWÖLFEN!''' Wer wagt es, Ihre wohlgeborene Hohe Dame Irminella von Eberbach und mich als '''DIEBE''' zu '''VERLEUMDEN'''? In Travias Namen! Wir sind hier auf Geheiß des '''BARONS PERSÖNLICH''', um das Kloster zu besichtigen! Wer '''WAGT''' es wider das Gastrecht, Besucher so zu verleumden? Ich bin Gereon von Hauerberg, Hoher Herr und Amtmann von Auroth! Zeigt euch und steht mir Rede und Antwort!"''<br>
Zeigt euch und steht mir Rede und Antwort!<br>
 
 
So plötzlich sein Gebrüll begonnen hatte, so abrupt endete es. Unter Schweißnassen Strähnen, blickte Gereon Irminella kurz an und nickte Ihr zu. Dann lauschte er gespannt in die Dunkelheit. Irminella hatte Gereon mit großen Augen angesehen, als dieser zu schreien begann. Sie hatte sich ihre Vorstellung und das Erklären ihrer Intention ein wenig weniger... aggressiv vorgestellt.<br>
 
So plötzlich sein Gebrüll begonnen hatte, so abrupt endete es. Unter Schweißnassen Strähnen, blickte Gereon Irminella kurz an und nickte Ihr zu. Dann lauschte er gespannt in die Dunkelheit. Irminella hatte Gereon mit großen Augen angesehen, als dieser zu schreien begann. Sie hatte sich ihre Vorstellung und das Erklären ihrer Intention ein wenig weniger... aggressiv vorgestellt.<br>
“Einerlei. Hoffentlich hat er Recht mit seiner Theorie..., dachte sie noch und harrte dann der Dinge, die da kamen.<br>
+
''"Einerlei. Hoffentlich hat er Recht mit seiner Theorie..."'', dachte sie noch und harrte dann der Dinge, die da kamen.<br>
 
Und wie sie kamen...<br>
 
Und wie sie kamen...<br>
 +
<br>
 
Zunächst in Form einer ebenso laut donnernden Antwort auf die lautstark vorgetragene Forderung Gereons.<br>
 
Zunächst in Form einer ebenso laut donnernden Antwort auf die lautstark vorgetragene Forderung Gereons.<br>
“IHR DRINGT EIN IN MEIN HEIM UND WAGT ES VON GASTRECHT ZU SPRECHEN? ANMAẞENDES RÄUBERPACK!<br>
+
'''''"IHR DRINGT EIN IN MEIN HEIM UND WAGT ES VON GASTRECHT ZU SPRECHEN? ANMAẞENDES RÄUBERPACK!"'''''<br>
 
Kurz wallte zu Füßen Staub auf, dann war es wieder still. Irminella wankte ein paar Schritte rückwärts, starrte weiter in die mäßig erhellte Dunkelheit, als sich ihre Augen plötzlich vor Schreck weiteten. Unweit der Stelle, an der sie eben gestanden hatte, schälte sich eine Gestalt aus der Finsternis, als würde sie einfach aus dem Nichts geboren. Er war es! Er musste es sein! Die Gestalt schwebte rasch auf die Vögtin zu und brüllte erneut:<br>
 
Kurz wallte zu Füßen Staub auf, dann war es wieder still. Irminella wankte ein paar Schritte rückwärts, starrte weiter in die mäßig erhellte Dunkelheit, als sich ihre Augen plötzlich vor Schreck weiteten. Unweit der Stelle, an der sie eben gestanden hatte, schälte sich eine Gestalt aus der Finsternis, als würde sie einfach aus dem Nichts geboren. Er war es! Er musste es sein! Die Gestalt schwebte rasch auf die Vögtin zu und brüllte erneut:<br>
“VERSCHWINDET HIER!<br>
+
'''''"VERSCHWINDET HIER!"'''''<br>
 
Der Geist verzog das junge Antlitz, das zu Lebzeiten sicher keine zwanzig Götterläufe gesehen haben mochte, zu einer fürchterlichen Fratze. Irminella blieb beinahe das Herz stehen, sie wankte weitere Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken an einer der Wände stand und schützend eine Hand vors Gesicht hielt. Während sie offenbar das ausgemachte Ziel des Spuks und demnach viel zu verschreckt war, um auf das Aussehen der Erscheinung zu achten, hatte Gereon dazu eine bessere Gelegenheit.<br>
 
Der Geist verzog das junge Antlitz, das zu Lebzeiten sicher keine zwanzig Götterläufe gesehen haben mochte, zu einer fürchterlichen Fratze. Irminella blieb beinahe das Herz stehen, sie wankte weitere Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken an einer der Wände stand und schützend eine Hand vors Gesicht hielt. Während sie offenbar das ausgemachte Ziel des Spuks und demnach viel zu verschreckt war, um auf das Aussehen der Erscheinung zu achten, hatte Gereon dazu eine bessere Gelegenheit.<br>
 
Die Erscheinung hatte die Gestalt eines jungen Mannes, der die Kleider eines Gänsleins trug. Das einst durchaus hübsche Gesicht war nun von Zorn entstellt, einer wütenden Fratze gleich. Das Wesen war vollständig durchsichtig, seine Silhouette wirkte unscharf. Fast schien es, als würde es an den Rändern der Silhouette ausfransen, Nebelfingern gleich, die ein sanfter Windhauch ergriffen hatte - und doch blieb es in Größe und grober Kontur konstant. Gereon konnte sehen, dass die Vögtin schwer verängstigt war, ihr Brustkorb hob und senkte sich in ungewöhnlicher Geschwindigkeit.<br>
 
Die Erscheinung hatte die Gestalt eines jungen Mannes, der die Kleider eines Gänsleins trug. Das einst durchaus hübsche Gesicht war nun von Zorn entstellt, einer wütenden Fratze gleich. Das Wesen war vollständig durchsichtig, seine Silhouette wirkte unscharf. Fast schien es, als würde es an den Rändern der Silhouette ausfransen, Nebelfingern gleich, die ein sanfter Windhauch ergriffen hatte - und doch blieb es in Größe und grober Kontur konstant. Gereon konnte sehen, dass die Vögtin schwer verängstigt war, ihr Brustkorb hob und senkte sich in ungewöhnlicher Geschwindigkeit.<br>
 
Der Hauptmann war ob des lauten Rufens ebenfalls in den Raum geeilt und stand nun wie angewurzelt im Durchgang. Sein Messer hatte er fest umklammert und von sich gestreckt. Sein Blick ging starr zu der Gestalt, die sich Irminella näherte und Aleydis schien für einen Moment unfähig, sich zu rühren.<br>
 
Der Hauptmann war ob des lauten Rufens ebenfalls in den Raum geeilt und stand nun wie angewurzelt im Durchgang. Sein Messer hatte er fest umklammert und von sich gestreckt. Sein Blick ging starr zu der Gestalt, die sich Irminella näherte und Aleydis schien für einen Moment unfähig, sich zu rühren.<br>
 
Mit entsetztem Gesicht hatte Gereon die Szene verfolgt und brachte sich kurz entschlossen zwischen den Geist und Irminella - die er einfach zur Seite schob. Mit einer Hand das Schutzamulett der Peraine vor seiner Brust haltend, sah er den Geist direkt an.<br>  
 
Mit entsetztem Gesicht hatte Gereon die Szene verfolgt und brachte sich kurz entschlossen zwischen den Geist und Irminella - die er einfach zur Seite schob. Mit einer Hand das Schutzamulett der Peraine vor seiner Brust haltend, sah er den Geist direkt an.<br>  
“Verzeiht mir meine Grobheit, Euer Ehren, aber wir sind in der Tat nicht daran gewöhnt, als Diebe tituliert zu werden. Es tut mir Leid, wenn Ihr bestohlen wurdet.
+
''"Verzeiht mir meine Grobheit, Euer Ehren, aber wir sind in der Tat nicht daran gewöhnt, als Diebe tituliert zu werden. Es tut mir Leid, wenn Ihr bestohlen wurdet. De facto kamen wir aber hierher, um diesen Vorfall zu untersuchen. Jetzt, da wir Eure Aufmerksamkeit haben, schlage ich vor, dass Ihr uns den Diebstahl einmal schildert, damit wir den wahren Tätern habhaft werden können."''<br>
De facto kamen wir aber hierher, um diesen Vorfall zu untersuchen. Jetzt, da wir Eure Aufmerksamkeit haben, schlage ich vor, dass Ihr uns den Diebstahl einmal schildert, damit wir den wahren Tätern habhaft werden können.<br>
 
 
Gereon trat zu der am Boden liegenden Kiste, machte aber keinerlei Versuch, diese aufzuheben. Stattdessen neigte er den Kopf in Richtung des Geistes.<br>
 
Gereon trat zu der am Boden liegenden Kiste, machte aber keinerlei Versuch, diese aufzuheben. Stattdessen neigte er den Kopf in Richtung des Geistes.<br>
“So lasst es uns noch einmal versuchen. Unsere Namen kennt Ihr ja bereits. Mit welchem Namen sollen wir Euer Ehren ansprechen?<br>
+
''"So lasst es uns noch einmal versuchen. Unsere Namen kennt Ihr ja bereits. Mit welchem Namen sollen wir Euer Ehren ansprechen?"''<br>
 
Irminella hatte sich problemlos beiseite schieben lassen, noch immer stand sie offenbar unter Schock und rührte sich auch dann nicht, als sie mit großen Augen nun seitlich des Geistes mit dem Rücken an der Wand lehnte. Selbiger hielt einen Moment inne und blickte Irminella nach, dann aber Gereon genauso hasserfüllt ins Gesicht, wie er es zuvor bei der Vögtin getan hatte - dann lachte er schrecklich und triumphal.<br>
 
Irminella hatte sich problemlos beiseite schieben lassen, noch immer stand sie offenbar unter Schock und rührte sich auch dann nicht, als sie mit großen Augen nun seitlich des Geistes mit dem Rücken an der Wand lehnte. Selbiger hielt einen Moment inne und blickte Irminella nach, dann aber Gereon genauso hasserfüllt ins Gesicht, wie er es zuvor bei der Vögtin getan hatte - dann lachte er schrecklich und triumphal.<br>
“Gestohlen? Mir? Nein! Ich habe bislang jedweden Dieb vertrieben! Die Bande vor einiger Zeit genauso wie den einzelnen Mann! Allesamt sind sie geflohen! Gut, ohne Rurik hätte ich die Bande nicht in die Flucht geschlagen, aber dennoch! Wo ist er? Er müsste bald zurück sein!<br>
+
''"Gestohlen? Mir? Nein! Ich habe bislang jedweden Dieb vertrieben! Die Bande vor einiger Zeit genauso wie den einzelnen Mann! Allesamt sind sie geflohen! Gut, ohne Rurik hätte ich die Bande nicht in die Flucht geschlagen, aber dennoch! Wo ist er? Er müsste bald zurück sein!"''<br>
 
Der Ton, den der Geist nun angeschlagen hatte, war ein wenig leiser, aber nicht minder hart. Bei der Erwähnung des Namen 'Rurik' und dessen baldiger Rückkehr, hatte er sich kurz suchend umgesehen und sich wie beiläufig an die Hüfte gefasst. Als Gereon dieser Geste unweigerlich mit dem Blick folgte, erkannte er, dass die Kleidung, die der Geist trug, an dieser Stelle zerfetzt war. Darunter erahnte man eine klaffende Wunde, die wohl ein Schwert geschlagen haben musste - schemenhaft zwar wegen der unwirklichen Beschaffenheit des Körpers des Verstorbenen und des flackernden Fackelscheins, aber dennoch deutlich.<br>
 
Der Ton, den der Geist nun angeschlagen hatte, war ein wenig leiser, aber nicht minder hart. Bei der Erwähnung des Namen 'Rurik' und dessen baldiger Rückkehr, hatte er sich kurz suchend umgesehen und sich wie beiläufig an die Hüfte gefasst. Als Gereon dieser Geste unweigerlich mit dem Blick folgte, erkannte er, dass die Kleidung, die der Geist trug, an dieser Stelle zerfetzt war. Darunter erahnte man eine klaffende Wunde, die wohl ein Schwert geschlagen haben musste - schemenhaft zwar wegen der unwirklichen Beschaffenheit des Körpers des Verstorbenen und des flackernden Fackelscheins, aber dennoch deutlich.<br>
“Ich wusste es, eine Diebesbande!, entfuhr es dem Hauptmann, der daraufhin seine linke Hand vor den Mund schlug, als wolle er die unbedacht gesagten Worte wieder zurückschieben.<br>
+
''"Ich wusste es, eine Diebesbande!"'', entfuhr es dem Hauptmann, der daraufhin seine linke Hand vor den Mund schlug, als wolle er die unbedacht gesagten Worte wieder zurückschieben.<br>
 
Gereon wies dem Geist mit offener Hand stehen zu bleiben, bis ihm die Sinnlosigkeit der Geste selbst auffiel und er den Arm lahm wieder senkte.<br>
 
Gereon wies dem Geist mit offener Hand stehen zu bleiben, bis ihm die Sinnlosigkeit der Geste selbst auffiel und er den Arm lahm wieder senkte.<br>
“Rurik? Uns kam zumindest niemand entgegen. Ihr wurdet also angegriffen?<br>
+
''"Rurik? Uns kam zumindest niemand entgegen. Ihr wurdet also angegriffen?"''<br>
 
Er wandte sich Irminella zu.<br>
 
Er wandte sich Irminella zu.<br>
“Euer Wohlgeboren, könnte Hauptmann Aleydis nicht nach den Räubern suchen?<br>
+
''"Euer Wohlgeboren, könnte Hauptmann Aleydis nicht nach den Räubern suchen?"''<br>
“Was?, fragte die Vögtin recht flapsig zurück.<br>
+
''"Was?"'', fragte die Vögtin recht flapsig zurück.<br>
 
Offenbar war sie noch dabei gewesen sich zu sammeln und ihr Blick war mehr nach Innen denn nach Außen gerichtet. Ihre Konzentration hatte der Beruhigung ihrer Atem- sowie Herzschlagfrequenz gegolten.<br>
 
Offenbar war sie noch dabei gewesen sich zu sammeln und ihr Blick war mehr nach Innen denn nach Außen gerichtet. Ihre Konzentration hatte der Beruhigung ihrer Atem- sowie Herzschlagfrequenz gegolten.<br>
“Rurik?, fuhr sie fort, ohne die Frage zu beantworten oder Gereon die Möglichkeit zu geben, sie zu wiederholen.<br>
+
''"Rurik?"'', fuhr sie fort, ohne die Frage zu beantworten oder Gereon die Möglichkeit zu geben, sie zu wiederholen.<br>
“Wie… Rurik von Fischwachttal?, fragte Irminella schließlich zögerlich.<br>
+
''"Wie... Rurik von Fischwachttal?"'', fragte Irminella schließlich zögerlich.<br>
“Ja! Wer sonst!, blaffte der Geist sie daraufhin an.<br>
+
''"Ja! Wer sonst!"'', blaffte der Geist sie daraufhin an.<br>
“Lässt sich ordentlich Zeit, der feine Herr! Wo der wohl Hilfe holt! Am Ende rettet er nur sich, lässt sich’s gut gehen, sich vernähen und lässt mich siechend zurück, so wird’s kommen. SO WIRD'S KOMMEN!<br>
+
''"Lässt sich ordentlich Zeit, der feine Herr! Wo der wohl Hilfe holt! Am Ende rettet er nur sich, lässt sich’s gut gehen, sich vernähen und lässt mich siechend zurück, so wird’s kommen. '''SO WIRD'S KOMMEN'''!"''<br>
 
Die Stimme der Erscheinung war während des kurzen Monologes immer lauter geworden, die letzten Worte schrie sie erneut. Doch diesmal zog Irminella nicht den Kopf ein, erschrak auch nicht - den Ausbruch hatte sie wohl kommen sehen. Vielmehr nutzte sie die Lautstärke des Geistes, um Gereon zu zuraunen:<br>
 
Die Stimme der Erscheinung war während des kurzen Monologes immer lauter geworden, die letzten Worte schrie sie erneut. Doch diesmal zog Irminella nicht den Kopf ein, erschrak auch nicht - den Ausbruch hatte sie wohl kommen sehen. Vielmehr nutzte sie die Lautstärke des Geistes, um Gereon zu zuraunen:<br>
“Über einhundert Jahre tot...<br>
+
''"Über einhundert Jahre tot..."''<br>
“Potztausend!, rief Aleydis aus und man konnte im Fackelschein erkennen, dass er sich innerlich für diesen Ausruf schalt.<br>
+
''"Potztausend!"'', rief Aleydis aus und man konnte im Fackelschein erkennen, dass er sich innerlich für diesen Ausruf schalt.<br>
 
Dann ging er einen kleinen Schritt zurück und hielt den Geist im Blick. Er rang ganz offenkundig mit sich, ehe er seinen Blick senkte und mit seiner hohen Stimme zu sprechen begann:<br>
 
Dann ging er einen kleinen Schritt zurück und hielt den Geist im Blick. Er rang ganz offenkundig mit sich, ehe er seinen Blick senkte und mit seiner hohen Stimme zu sprechen begann:<br>
“D... das heißt, Ihr... Ihr versteckt Euch hier, bis Hilfe kommt?.<br>
+
''"D... das heißt, Ihr... Ihr versteckt Euch hier, bis Hilfe kommt?"''.<br>
 
Gereon hatte das Flüstern von Irminella mit enttäuschter Miene vernommen, die sich im Laufe der anschließenden Konversation aber sichtlich aufzuhellen begann. Letztlich blinzelte er Irminella in einem unbeobachteten Moment zu, bevor er mit sehr nachdenklicher Miene zum Sprechen ansetzte.<br>
 
Gereon hatte das Flüstern von Irminella mit enttäuschter Miene vernommen, die sich im Laufe der anschließenden Konversation aber sichtlich aufzuhellen begann. Letztlich blinzelte er Irminella in einem unbeobachteten Moment zu, bevor er mit sehr nachdenklicher Miene zum Sprechen ansetzte.<br>
“Nein so wird es - zumindest jetzt wo wir hier sind - nicht kommen! In Praios Namen, mir scheint, hier weiß die Rechte nicht, was die Linke tut!<br>
+
''"Nein so wird es - zumindest jetzt wo wir hier sind - nicht kommen! In Praios Namen, mir scheint, hier weiß die Rechte nicht, was die Linke tut!"''<br>
 
Er wandte sich direkt an den Geist:<br>
 
Er wandte sich direkt an den Geist:<br>
“Euer Ehren, scheint es Euch nicht auch auffällig, dass wir vom Baron gerade in der Zeit entsandt werden, um..., Gereon stockte kurz, ...im Kloster nach dem Rechten zu sehen, während Ihr hier auf Hilfe wartet?<br>
+
''"Euer Ehren, scheint es Euch nicht auch auffällig, dass wir vom Baron gerade in der Zeit entsandt werden, um..."'', Gereon stockte kurz, "'"...im Kloster nach dem Rechten zu sehen, während Ihr hier auf Hilfe wartet?"''<br>
 
Er wandte dem Geist den Rücken zu und Schritt hinüber zu Aleydis, um diesen eindringlich indirekt in die Augen zu blicken und kurz zu nicken, bevor er sich wieder zu dem Geist umdrehte und weitersprach:<br>  
 
Er wandte dem Geist den Rücken zu und Schritt hinüber zu Aleydis, um diesen eindringlich indirekt in die Augen zu blicken und kurz zu nicken, bevor er sich wieder zu dem Geist umdrehte und weitersprach:<br>  
“Begleitet von einem Gardehauptmann und ... Weiteren? Ein arger Zufall, will mir scheinen. Mir dräut eher, dass Euer Gefährte zu verletzt war, um genauere Angaben zu machen, weswegen wir mit unbestimmter Weisung entsandt wurden.<br>
+
''"Begleitet von einem Gardehauptmann und ... Weiteren? Ein arger Zufall, will mir scheinen. Mir dräut eher, dass Euer Gefährte zu verletzt war, um genauere Angaben zu machen, weswegen wir mit unbestimmter Weisung entsandt wurden.''"<br>
 
Der Geist schwebte nun ganz dicht an Aleydis heran, der wie angewurzelt da stand und sich nicht einmal traute, zu atmen. Wäre der ehemalige Novize noch am Leben, hätten sich seine sowie die Nase des Hauptmannes wohl berührt.<br>
 
Der Geist schwebte nun ganz dicht an Aleydis heran, der wie angewurzelt da stand und sich nicht einmal traute, zu atmen. Wäre der ehemalige Novize noch am Leben, hätten sich seine sowie die Nase des Hauptmannes wohl berührt.<br>
“ICH VERSTECKE MICH NICHT! ICH VERTEIDIGE DIESE ABTEI NOCH IMMER! BIS AUFS LETZTE WERDE ICH SIE VOR PLÜNDERERN VERTEIDIGEN!, brüllte er, um unmittelbar danach zu verschwinden und drei, vier Herzschläge später hinter Gereon aufzutauchen, den er mit gesenkter Stimme, einem Knurren gleich, ansprach:<br>
+
'''''"ICH VERSTECKE MICH NICHT! ICH VERTEIDIGE DIESE ABTEI NOCH IMMER! BIS AUFS LETZTE WERDE ICH SIE VOR PLÜNDERERN VERTEIDIGEN!"''''', brüllte er, um unmittelbar danach zu verschwinden und drei, vier Herzschläge später hinter Gereon aufzutauchen, den er mit gesenkter Stimme, einem Knurren gleich, ansprach:<br>
“Der Baron, hm? Woher weiß ich, dass das keine Lüge ist, um mich auszuspielen?<br>
+
''"Der Baron, hm? Woher weiß ich, dass das keine Lüge ist, um mich auszuspielen?"''<br>
 
In seinem Blick lag nun das erste Mal etwas anderes als Wut - misstrauisch taxierte er den Hohen Herren von Hauerberg. Gereon versuchte den Blick seines Gegenüber einzufangen, was ihm - dessen durchscheinender Gestalt geschuldet - aber nicht gelingen wollte. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, blickte den Geist an und zuckte die Schultern.<br>
 
In seinem Blick lag nun das erste Mal etwas anderes als Wut - misstrauisch taxierte er den Hohen Herren von Hauerberg. Gereon versuchte den Blick seines Gegenüber einzufangen, was ihm - dessen durchscheinender Gestalt geschuldet - aber nicht gelingen wollte. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, blickte den Geist an und zuckte die Schultern.<br>
“Was erwartet Ihr für einen Beleg? Welchen Sinn hätte eine Täuschung, wo wir Euch drei zu eins über sind und Ihr verwundet!, er zeigte auf die Wunde an der Seite bevor er fortfuhr:<br>
+
''"Was erwartet Ihr für einen Beleg? Welchen Sinn hätte eine Täuschung, wo wir Euch drei zu eins über sind und Ihr verwundet!"'', er zeigte auf die Wunde an der Seite bevor er fortfuhr:<br>
“Als wir hierher kamen, war ich nicht darauf vorbereitet, meinen Leumund nachweisen zu müssen. Wenn Euch der Name oder das Wort derer von Eberbach oder derer von Hauerberg nicht genügen, oder das Wort eines Gardehauptmannes, was wäre dann ausreichend?<br>
+
''"Als wir hierher kamen, war ich nicht darauf vorbereitet, meinen Leumund nachweisen zu müssen. Wenn Euch der Name oder das Wort derer von Eberbach oder derer von Hauerberg nicht genügen, oder das Wort eines Gardehauptmannes, was wäre dann ausreichend?"''<br>
 
Gereon kniff die Augen zusammen.<br>
 
Gereon kniff die Augen zusammen.<br>
“Aber sagt mir, warum sollten wir EUREN Worten glauben schenken? Mir liegt es fern, Eure tapfere Haltung gering zu schätzen, aber bisher habt Ihr nichts getan, außer unsere Ehrhaftigkeit in Frage zu stellen.<br>
+
''"Aber sagt mir, warum sollten wir Euren Worten glauben schenken? Mir liegt es fern, Eure tapfere Haltung gering zu schätzen, aber bisher habt Ihr nichts getan, außer unsere Ehrhaftigkeit in Frage zu stellen."''<br>
 
Er blickte dem Geist nun offen ins Gesicht.<br>
 
Er blickte dem Geist nun offen ins Gesicht.<br>
"Etwas, das ich selbst einem hohen Bruder der Traviakirche nicht einfach durchgehen ließe und IHR seid bisher der Einzige der noch Namen... los... ist..., Euer Ehren. Was außer der Situation und Eurem Wort spricht also für Euch? Mir will scheinen ebenso viel wie für uns!<br>
+
''"Etwas, das ich selbst einem hohen Bruder der Traviakirche nicht einfach durchgehen ließe und Ihr seid bisher der Einzige der noch Namen... los... ist..., Euer Ehren. Was außer der Situation und Eurem Wort spricht also für Euch? Mir will scheinen ebenso viel wie für uns!"''<br>
 
Während Gereon gesprochen hatte, war der Geist ein Stück zurückgewichen. Dass er den mutmaßlichen Räubern heillos unterlegen war und nun nicht einmal mehr Rurik an seiner Seite hatte, ließ ihn in seinem Mute offenbar deutlich wanken. Er griff sich erneut an seine Wunde, wich noch einige Finger zurück und entschwand schließlich mit einem lauten Heulen, das gar nicht mehr so wütend klang - eher klagend und voller Furcht.<br>
 
Während Gereon gesprochen hatte, war der Geist ein Stück zurückgewichen. Dass er den mutmaßlichen Räubern heillos unterlegen war und nun nicht einmal mehr Rurik an seiner Seite hatte, ließ ihn in seinem Mute offenbar deutlich wanken. Er griff sich erneut an seine Wunde, wich noch einige Finger zurück und entschwand schließlich mit einem lauten Heulen, das gar nicht mehr so wütend klang - eher klagend und voller Furcht.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Kurz war es still, doch dann hörte man die Stimme des Novizen erneut. Diesmal kam sie aus dem Gang hinter den Hohen Herrschaften. Als diese gemeinsam wieder auf den ehemaligen Flur traten, sahen sie den Geist auf dem Erdhaufen des verschütteten Ganges liegen.  Er hatte nun beide Hände auf die Wunde gepresst, seine Stimme klang nun noch dünner, noch ätherischer.<br>
 
Kurz war es still, doch dann hörte man die Stimme des Novizen erneut. Diesmal kam sie aus dem Gang hinter den Hohen Herrschaften. Als diese gemeinsam wieder auf den ehemaligen Flur traten, sahen sie den Geist auf dem Erdhaufen des verschütteten Ganges liegen.  Er hatte nun beide Hände auf die Wunde gepresst, seine Stimme klang nun noch dünner, noch ätherischer.<br>
“Bitte... so Ihr die Wahrheit sprecht, helft mir in Travias Namen und schützt dies' Gemäuer! Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, ich... bin so unendlich müde!<br>
+
''"Bitte... so Ihr die Wahrheit sprecht, helft mir in Travias Namen und schützt dies' Gemäuer! Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, ich... bin so unendlich müde!"''<br>
 
Er riss die Augen auf.<br>
 
Er riss die Augen auf.<br>
“So Ihr aber doch nicht diejenigen seid, die Ihr behauptet zu sein, dann bitte, macht es schnell. Ich... ich kann nicht mehr... Rurik!<br>
+
''"So Ihr aber doch nicht diejenigen seid, die Ihr behauptet zu sein, dann bitte, macht es schnell. Ich... ich kann nicht mehr... Rurik!"''<br>
 
Aleydis sah hilflos zu Irminella und Gereon.<br>
 
Aleydis sah hilflos zu Irminella und Gereon.<br>
“Was sollen wir tun?, frug er zögerlich, um dann mit ängstlichem Blick auf den Geist hinzuzufügen:<br>
+
''"Was sollen wir tun?"'', frug er zögerlich, um dann mit ängstlichem Blick auf den Geist hinzuzufügen:<br>
"Soll ich nach draussen gehen und mit... mit unseren Leuten draussen die... ähm... Räuber zurückschlagen?<br>
+
''"Soll ich nach draussen gehen und mit... mit unseren Leuten draussen die... ähm... Räuber zurückschlagen?"''<br>
 
Gereon blickte kurz zu Irminella, um sich rückzuversichern, während er sprach:<br>
 
Gereon blickte kurz zu Irminella, um sich rückzuversichern, während er sprach:<br>
“Ja, ich denke, Ihr solltet nochmal nach oben gehen, Hauptmann und die Umgebung mit den Männern sichern; und damit unser Wiederaufstieg gedeckt ist.<br>
+
''"Ja, ich denke, Ihr solltet nochmal nach oben gehen, Hauptmann und die Umgebung mit den Männern sichern; und damit unser Wiederaufstieg gedeckt ist."''<br>
 
Dabei sah er Aleydis direkt in die Augen, um sicherzugehen, dass er beide Teile der Aufgabe verstanden hatte. Der Hauptmann nickte knapp zu Gereon und Irminella, ehe er aus dem Augenwinkel zu dem Geist schielte, der Aleydis zu beunruhigen schien.<br>
 
Dabei sah er Aleydis direkt in die Augen, um sicherzugehen, dass er beide Teile der Aufgabe verstanden hatte. Der Hauptmann nickte knapp zu Gereon und Irminella, ehe er aus dem Augenwinkel zu dem Geist schielte, der Aleydis zu beunruhigen schien.<br>
“Alles klar.”, sprach er sodann.<br>
+
''"Alles klar"'', sprach er sodann.<br>
“Wir werden oben Ausschau halten und die Räuber vertreiben... wenn sie wieder zurück kommen sollten.<br>
+
''"Wir werden oben Ausschau halten und die Räuber vertreiben... wenn sie wieder zurück kommen sollten."''<br>
 
Dann schlug er die Hacken zusammen und eilte zurück zu der Öffnung, durch welche er sich kurz zuvor heruntergelassen hatte. Als der Hauptmann gegangen war, kniete sich Gereon neben den Geist.<br>
 
Dann schlug er die Hacken zusammen und eilte zurück zu der Öffnung, durch welche er sich kurz zuvor heruntergelassen hatte. Als der Hauptmann gegangen war, kniete sich Gereon neben den Geist.<br>
“Seid unbesorgt, Euer Ehren. Eure Wacht war nicht vergebens. In Travias Namen schwöre ich Euch, dass ich persönlich dafür Sorge trage, dass der Schutz des Klosters gewährleistet ist, bis wir die Kunde Eurer tapferen Wacht dem Baron überbracht haben, damit dieser den weiteren Schutz des Klosters organisieren kann. Aber Ihr habt mir nicht Euren Namen gesagt. Wie heißt Ihr, mein Freund?<br>
+
''"Seid unbesorgt, Euer Ehren. Eure Wacht war nicht vergebens. In Travias Namen schwöre ich Euch, dass ich persönlich dafür Sorge trage, dass der Schutz des Klosters gewährleistet ist, bis wir die Kunde Eurer tapferen Wacht dem Baron überbracht haben, damit dieser den weiteren Schutz des Klosters organisieren kann. Aber Ihr habt mir nicht Euren Namen gesagt. Wie heißt Ihr, mein Freund?"''<br>
 
Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über das Gesicht des Verstorbenen.<br>
 
Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über das Gesicht des Verstorbenen.<br>
“Arsan. Ich... heiße Arsan. Nach meiner Weihe will ich den Namen Ganstreu annehmen.<br>
+
''"Arsan. Ich... heiße Arsan. Nach meiner Weihe will ich den Namen Ganstreu annehmen."''<br>
 
Wieder ein Lächeln.<br>
 
Wieder ein Lächeln.<br>
“Ich liebe die Tiere... ihr Geschnatter. Hört Ihr es?<br>
+
''"Ich liebe die Tiere... ihr Geschnatter. Hört Ihr es?"''<br>
 
Dann stutzte er.
 
Dann stutzte er.
“Ich kann sie nicht hören! Ob die Diebe wohl? Oh nein?! Bitte! Bitte, seht auch nach ihnen!"<br>
+
''"Ich kann sie nicht hören! Ob die Diebe wohl? Oh nein?! Bitte! Bitte, seht auch nach ihnen!"''<br>
Arsan wollte sich aufsetzen, schaffte es aber nicht und fällt wieder nach hinten.<br>
+
Arsan wollte sich aufsetzen, schaffte es aber nicht und fiel wieder nach hinten.<br>
“Ich bin so unendlich müde. Bitte seht nach ihnen, kümmert Euch um sie. Ich muss... ich muss schlafen. Ich bin so müde... und es tut weh.<br>
+
''"Ich bin so unendlich müde. Bitte seht nach ihnen, kümmert Euch um sie. Ich muss... ich muss schlafen. Ich bin so müde... und es tut weh."''<br>
 
Er schloss die Augen.<br>
 
Er schloss die Augen.<br>
“Ich höre sie nicht mehr, Rurik. Die Gänse! Ich höre sie nicht mehr...<br>
+
''"Ich höre sie nicht mehr, Rurik. Die Gänse! Ich höre sie nicht mehr..."''<br>
 
In dem Gesicht, das noch vor wenigen Momenten voller Hass war, spiegeln sich nun Angst und Trauer. Alles furchteinflößende ist verschwunden. Gereon sah Irminella mit leidendem Blick an.<br>
 
In dem Gesicht, das noch vor wenigen Momenten voller Hass war, spiegeln sich nun Angst und Trauer. Alles furchteinflößende ist verschwunden. Gereon sah Irminella mit leidendem Blick an.<br>
“Sucht bitte die Gänse!<br>
+
''"Sucht bitte die Gänse!"''<br>
 
Dann drehte er sich wieder zu Arsan um.<br>
 
Dann drehte er sich wieder zu Arsan um.<br>
“Keine Sorge, Arsan Ganstreu, wir finden sie und kümmern uns um sie. Ich bin sicher, die gütige Mutter wird nicht zulassen, dass ihren Tieren etwas passiert.<br>
+
''"Keine Sorge, Arsan Ganstreu, wir finden sie und kümmern uns um sie. Ich bin sicher, die gütige Mutter wird nicht zulassen, dass ihren Tieren etwas passiert."''<br>
 
Gereon lächelte und zwinkerte kurz entschlossen dem Geist zu.<br>
 
Gereon lächelte und zwinkerte kurz entschlossen dem Geist zu.<br>
“Ich glaube, Du kannst durch Deinen Mut und Deine Treue Deine Weihe als sicher betrachten. Du hast Dir Deine Ruhe redlich verdient. Wir kümmern uns um den Rest. Das schwöre ich Dir im Namen der gütigen Mutter.<br>
+
''"Ich glaube, Du kannst durch Deinen Mut und Deine Treue Deine Weihe als sicher betrachten. Du hast Dir Deine Ruhe redlich verdient. Wir kümmern uns um den Rest. Das schwöre ich Dir im Namen der gütigen Mutter."''<br>
 
Irminella nickte nur knapp und wandte sich, wie kurz zuvor der Hauptmann, ebenfalls zum Gehen. Nach einigen Schritten hielt sie noch einmal inne, drehte sich um und sprach Arsan auch noch einmal an, nachdem Gereon geendet hatte:<br>
 
Irminella nickte nur knapp und wandte sich, wie kurz zuvor der Hauptmann, ebenfalls zum Gehen. Nach einigen Schritten hielt sie noch einmal inne, drehte sich um und sprach Arsan auch noch einmal an, nachdem Gereon geendet hatte:<br>
“Eure Wacht endet nun, Ihr habt Großes geleistet im Namen Eurer Herrin. Lasst nun mich und den Herrn von Hauerberg an Eurer statt diese Bürde übernehmen, auf dass Ihr Ruhe finden könnt - und Heilung. Eure Gänse brauchen Euch, wenn wir sie gefunden haben.<br>
+
''"Eure Wacht endet nun, Ihr habt Großes geleistet im Namen Eurer Herrin. Lasst nun mich und den Herrn von Hauerberg an Eurer statt diese Bürde übernehmen, auf dass Ihr Ruhe finden könnt - und Heilung. Eure Gänse brauchen Euch, wenn wir sie gefunden haben."''<br>
 
Sie rang sich noch ein letztes Lächeln ab, bevor sie weiter zur Öffnung schritt.<br>
 
Sie rang sich noch ein letztes Lächeln ab, bevor sie weiter zur Öffnung schritt.<br>
“Danke”, hauchte daraufhin der junge Mann, öffnete wieder die Augen und blickte Irminella kurz nach, bevor er sie fest auf Gereons Antlitz richtete, undendliche Trauer und Schmerz im Blick.<br>
+
''"Danke"'', hauchte daraufhin der junge Mann, öffnete wieder die Augen und blickte Irminella kurz nach, bevor er sie fest auf Gereons Antlitz richtete, undendliche Trauer und Schmerz im Blick.<br>
“Auch Euch... danke! Es... es tut mir Leid, ich dachte nur... die Räuber!<br>
+
''"Auch Euch... danke! Es... es tut mir Leid, ich dachte nur... die Räuber!"''<br>
 
Erneut schloss er die Augen.<br>
 
Erneut schloss er die Augen.<br>
“Ich freue mich schon, die Tiere wiederzusehen. Hetti, Ottilia, Ilsa, Minna, Theo, Barti und wie sie alle heißen.<br>
+
''"Ich freue mich schon, die Tiere wiederzusehen. Hetti, Ottilia, Ilsa, Minna, Theo, Barti und wie sie alle heißen."''<br>
 
Er lächelte.<br>
 
Er lächelte.<br>
“Weckt mich, wenn ihr sie gefunden habt, ja? Denn Ilsa ist schüchtern, vielleicht muss ich helfen. Trotzdem... brauche ich nun Ruhe. Ich brauche wirklich Ruhe... Ruhe...<br>
+
''"Weckt mich, wenn ihr sie gefunden habt, ja? Denn Ilsa ist schüchtern, vielleicht muss ich helfen. Trotzdem... brauche ich nun Ruhe. Ich brauche wirklich Ruhe... Ruhe..."''<br>
 
Noch einmal ertönt das schaurige Stöhnen, das den Hohen Herrschaften vor einigen Augenblicken noch den Schreck durch Mark und Bein gejagt hatte. Doch diesmal klang es nicht mehr aufgeregt, oder gar feindselig. Es klang... nach Erlösung. Für einige Wimpernschläge nur echote der Seufzer durch das Gewölbe, bis es schließlich für immer verlang. Denn mit dem Klang der Stimme verschwand auch der Körper Arsans, der zunächst noch durchscheinender wurde, noch stärker die Konturen verlor, bis er schließlich mit einem zarten Lufthauch verschwand. Zurück blieb für Gereon, der nun ganz allein in dem unterirdischen Gewölbe kniete, das Gefühl, hier tatsächlich jemanden erlöst zu haben - im buchstäblichen wie sprichwörtlichen Sinne gleichermaßen.<br>
 
Noch einmal ertönt das schaurige Stöhnen, das den Hohen Herrschaften vor einigen Augenblicken noch den Schreck durch Mark und Bein gejagt hatte. Doch diesmal klang es nicht mehr aufgeregt, oder gar feindselig. Es klang... nach Erlösung. Für einige Wimpernschläge nur echote der Seufzer durch das Gewölbe, bis es schließlich für immer verlang. Denn mit dem Klang der Stimme verschwand auch der Körper Arsans, der zunächst noch durchscheinender wurde, noch stärker die Konturen verlor, bis er schließlich mit einem zarten Lufthauch verschwand. Zurück blieb für Gereon, der nun ganz allein in dem unterirdischen Gewölbe kniete, das Gefühl, hier tatsächlich jemanden erlöst zu haben - im buchstäblichen wie sprichwörtlichen Sinne gleichermaßen.<br>
 
Gereon kniete regungslos auf dem Boden, innerlich jedoch war er in Aufruhr. Er umfasste sein Peraine-Amulett und verbrachte einige Minuten im stillen Gebet zu den Göttern, um das Erlebte zu verarbeiten. Schließlich erhob er sich wortlos,  ging in die Ecke und hob das metallene Kästchen auf, bevor er den Raum und das untere Stockwerk verließ.<br>
 
Gereon kniete regungslos auf dem Boden, innerlich jedoch war er in Aufruhr. Er umfasste sein Peraine-Amulett und verbrachte einige Minuten im stillen Gebet zu den Göttern, um das Erlebte zu verarbeiten. Schließlich erhob er sich wortlos,  ging in die Ecke und hob das metallene Kästchen auf, bevor er den Raum und das untere Stockwerk verließ.<br>
 
<br>
 
<br>
 
Aleydis half zunächst Irminella und anschließend Gereon dabei, mit dem Seil nach oben zu klettern und erst als auch der Ritter von Hauerberg oben ankam und sich gesammelt hatte, traute der Hauptmann sich, sein Wort aufgeregt an die beiden zu richten:<br>
 
Aleydis half zunächst Irminella und anschließend Gereon dabei, mit dem Seil nach oben zu klettern und erst als auch der Ritter von Hauerberg oben ankam und sich gesammelt hatte, traute der Hauptmann sich, sein Wort aufgeregt an die beiden zu richten:<br>
“Und? Was ist geschehen?<br>
+
''"Und? Was ist geschehen?"''<br>
 
Irminella setzte den Hauptmann soweit ins Bild, sie sie es vermochte, das Ende - wie auch immer es geartet war - hatte sie ebenfalls nicht mitbekommen, hatte sie sich doch zum Schein um die Suche nach den Gänsen, die sie in ihrem knappen Bericht ebenfalls nicht unerwähnt gelassen hatte, kümmern wollen. Als ihr Bericht, dem Drego mit offenem Mund und ungläubigem Blick gefolgt war, endete, sie alles, was sie wusste, mitgeteilt hatte, sah sie zu Gereon.<br>
 
Irminella setzte den Hauptmann soweit ins Bild, sie sie es vermochte, das Ende - wie auch immer es geartet war - hatte sie ebenfalls nicht mitbekommen, hatte sie sich doch zum Schein um die Suche nach den Gänsen, die sie in ihrem knappen Bericht ebenfalls nicht unerwähnt gelassen hatte, kümmern wollen. Als ihr Bericht, dem Drego mit offenem Mund und ungläubigem Blick gefolgt war, endete, sie alles, was sie wusste, mitgeteilt hatte, sah sie zu Gereon.<br>
“Den Bericht könnt nur Ihr beenden”, sagte sie.<br>
+
''"Den Bericht könnt nur Ihr beenden"'', sagte sie.<br>
 
Gereon hob die Schatulle und nickte den anderen zu.<br>
 
Gereon hob die Schatulle und nickte den anderen zu.<br>
“Ich danke Euch, Euer Wohlgeboren. Der Geist..., Gereon zögerte: ... von Arsan Ganstreu konnte durch unser Tun seine Ruhe finden. Wünschen wir ihm, dass er seine geliebten Gänse wieder trifft. Zu Lebzeiten hat er offenbar zusammen mit Rurik von Fischwachttal einen Angriff auf das Kloster erlebt und dieses versucht zu schützen; oder zumindest diese Schatullle.<br>
+
''"Ich danke Euch, Euer Wohlgeboren. Der Geist..."'', Gereon zögerte: ''"... von Arsan Ganstreu konnte durch unser Tun seine Ruhe finden. Wünschen wir ihm, dass er seine geliebten Gänse wieder trifft. Zu Lebzeiten hat er offenbar zusammen mit Rurik von Fischwachttal einen Angriff auf das Kloster erlebt und dieses versucht zu schützen; oder zumindest diese Schatullle."''<br>
 
Er hielt sie noch einmal so, dass sie jeder der Anwesenden betrachten konnte.<br>
 
Er hielt sie noch einmal so, dass sie jeder der Anwesenden betrachten konnte.<br>
“Dabei wurde Arsan offenbar tödlich verletzt und Rurik scheint entweder geflohen zu sein oder er hat versucht Hilfe zu holen. Das ist noch nicht ganz klar.<br>
+
''"Dabei wurde Arsan offenbar tödlich verletzt und Rurik scheint entweder geflohen zu sein oder er hat versucht Hilfe zu holen. Das ist noch nicht ganz klar."''<br>
 
Er unterbrach sich und schaute jeden seiner Begleiter einmal an bevor er fortfuhr.<br>
 
Er unterbrach sich und schaute jeden seiner Begleiter einmal an bevor er fortfuhr.<br>
“Nach Ganstreus Schilderungen ist bei Rurik Feigheit zu vermuten, mehr noch, er scheint dabei seinen Begleiter zum Sterben zurückgelassen zu haben. Was genau damals geschehen ist und was aus Rurik von Fischwachttal wurde, können wir beim Baron oder im Archiv der Baronie nachforschen. Da es sich bei Rurik aber um ein Mitglied des Hauses Fischwachttal, wenn nicht gar einen Verwandten des Barons handeln könnte, ist in der causa fingerspitzengefühl angeraten, meint Ihr nicht auch?<br>
+
''"Nach Ganstreus Schilderungen ist bei Rurik Feigheit zu vermuten, mehr noch, er scheint dabei seinen Begleiter zum Sterben zurückgelassen zu haben. Was genau damals geschehen ist und was aus Rurik von Fischwachttal wurde, können wir beim Baron oder im Archiv der Baronie nachforschen. Da es sich bei Rurik aber um ein Mitglied des Hauses Fischwachttal, wenn nicht gar einen Verwandten des Barons handeln könnte, ist in der causa fingerspitzengefühl angeraten, meint Ihr nicht auch?"''<br>
 
Er blickte in die Runde. Aleydis verzog die Mundwinkel und zuckte mit den Schultern. Mehr als ein zustimmendes Brummen war von ihm jedoch nicht zu vernehmen. Auch Irminella hob, wie so oft, lediglich eine Braue und schwieg zunächst.<br>
 
Er blickte in die Runde. Aleydis verzog die Mundwinkel und zuckte mit den Schultern. Mehr als ein zustimmendes Brummen war von ihm jedoch nicht zu vernehmen. Auch Irminella hob, wie so oft, lediglich eine Braue und schwieg zunächst.<br>
“Desweiteren sollten wir die Schatulle einem Traviatempel zur Verwahrung übergeben. Immerhin sind Gänse gestorben, um es zu schützen.<br>
+
''"Desweiteren sollten wir die Schatulle einem Traviatempel zur Verwahrung übergeben. Immerhin sind Gänse gestorben, um es zu schützen."''<br>
 
Dann wandte sich Gereon an Irminella:<br>
 
Dann wandte sich Gereon an Irminella:<br>
“Euch scheint der Name zumindest vertraut zu sein, Euer Wohlgeboren?<br>
+
''"Euch scheint der Name zumindest vertraut zu sein, Euer Wohlgeboren?"''<br>
 
Direkt angesprochen, nickte sie und sprach dann doch zu diesem Thema:<br>
 
Direkt angesprochen, nickte sie und sprach dann doch zu diesem Thema:<br>
“Ja, ganz Recht. Boso, mein Schwiegervater, ist Truchsess. Von ihm habe ich die ein oder andere Geschichtsstunde erhalten. Rurik ist der jüngere Bruder des damaligen Barons von Tommelsbeuge Rodewald von Fischwachttal. Über sein Schicksal weiß ich nichts.<br>
+
''"Ja, ganz Recht. Boso, mein Schwiegervater, ist Truchsess. Von ihm habe ich die ein oder andere Geschichtsstunde erhalten. Rurik ist der jüngere Bruder des damaligen Barons von Tommelsbeuge Rodewald von Fischwachttal. Über sein Schicksal weiß ich nichts."''<br>
 
Zu guter letzt wandte sich Gereon an Severin und blickte diesen ernst an.<br>
 
Zu guter letzt wandte sich Gereon an Severin und blickte diesen ernst an.<br>
“Severin, der damalige Angriff auf das Kloster hat bis heute ernste Auswirkungen. Der Geist ist nur eine davon. Eine Angelegenheit, die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit erfordert. Drum will ich euch offen gegenüber fragen: Der Schrein der der gütigen Mutter war euer Werk, nachdem Ihr den Geist aufgeschreckt hattet?<br>
+
''"Severin, der damalige Angriff auf das Kloster hat bis heute ernste Auswirkungen. Der Geist ist nur eine davon. Eine Angelegenheit, die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit erfordert. Drum will ich euch offen gegenüber fragen: Der Schrein der der gütigen Mutter war euer Werk, nachdem Ihr den Geist aufgeschreckt hattet?"''<br>
 
Severin war während der Gespräche der Hohen Herrschaften wieder nähergetreten, nachdem er sich zuvor in einem nahegelegenen Gebüsch versteckt hatte. Seine Gesichtsfarbe kam langsam wieder und sein Körper zitterte nicht mehr als Espenlaub.<br>
 
Severin war während der Gespräche der Hohen Herrschaften wieder nähergetreten, nachdem er sich zuvor in einem nahegelegenen Gebüsch versteckt hatte. Seine Gesichtsfarbe kam langsam wieder und sein Körper zitterte nicht mehr als Espenlaub.<br>
“J-J-Ja. Den ha-ha-hab ich gebaut”, triumphierte er, wobei 'gebaut' bei diesem Schrein tatsächlich mehr als euphemistisch ausgedrückt war.<br>
+
''"J-J-Ja. Den ha-ha-hab ich gebaut"'', triumphierte er, wobei 'gebaut' bei diesem Schrein tatsächlich mehr als euphemistisch ausgedrückt war.<br>
 
Gereon nickte.<br>
 
Gereon nickte.<br>
“Und wo lebt Ihr?<br>
+
''"Und wo lebt Ihr?"''<br>
“Drüben in B-B-Brinnen.<br>
+
''"Drüben in B-B-Brinnen."''<br>
 
Er wies dabei mit dem Kopf in eine Richtung, wobei unklar war, ob in dieser das Dorf tatsächlich lag.<br>
 
Er wies dabei mit dem Kopf in eine Richtung, wobei unklar war, ob in dieser das Dorf tatsächlich lag.<br>
“Da hat’s auch ‘n Schrein. ‘S g-g-größer als meiner. Aber net so w-w-wichtig, will ich meinen.<br>
+
''"Da hat’s auch ‘n Schrein. ‘S g-g-größer als meiner. Aber net so w-w-wichtig, will ich meinen."''<br>
 
Nun stemmte er die Fäuste in die Hüfte und nahm eine Heldenpose ein.<br>
 
Nun stemmte er die Fäuste in die Hüfte und nahm eine Heldenpose ein.<br>
“Dann will ich Euch das Angebot machen, Euch zumindest zeitweise in meine Dienste zu nehmen", fuhr Gereon fort.<br>
+
''"Dann will ich Euch das Angebot machen, Euch zumindest zeitweise in meine Dienste zu nehmen"'', fuhr Gereon fort.<br>
“Seht, ich weiß nicht, was der Baron für Pläne mit diesem Ort hat. Dennoch will ich bis zu dem Tag mein Versprechen gegenüber Arsan Ganstreu nicht aufschieben. Die Götter haben’s gefügt, der Mensch soll’s nicht brechen!<br>
+
''"Seht, ich weiß nicht, was der Baron für Pläne mit diesem Ort hat. Dennoch will ich bis zu dem Tag mein Versprechen gegenüber Arsan Ganstreu nicht aufschieben. Die Götter haben’s gefügt, der Mensch soll’s nicht brechen!"''<br>
 
Gereon breitete die Arme aus, um den Ort und Severin einzubeziehen.<br>
 
Gereon breitete die Arme aus, um den Ort und Severin einzubeziehen.<br>
“Ich will Euch als Wächter dieses Ortes anstellen.<br>
+
''"Ich will Euch als Wächter dieses Ortes anstellen."''<br>
 
Gereon drehte sich um und ging zu den Pferden, während er laut weiter mit Severin sprach.<br>
 
Gereon drehte sich um und ging zu den Pferden, während er laut weiter mit Severin sprach.<br>
“Ich werde Euch dann bald den Schulzen von Hauersroth und zwei seiner Knechte sowie ein paar Gänse vom Gutshof vorbeischicken - zusammen mit einem Wagen mit Material. Sie sollen mit Euch eine Hütte als Unterkunft und für die Gänse einen Pferch bauen. Außerdem will ich zumindest den Schrein überdachen. Eure Aufgabe wird es dann sein, bis der Baron entschieden hat, über den Schrein und das Wohl der Gänse zu wachen, und - sollte Gefahr drohen - in Auroth in Hauersroth oder dem Gutshof Alarm zu schlagen.<br>
+
''"Ich werde Euch dann bald den Schulzen von Hauersroth und zwei seiner Knechte sowie ein paar Gänse vom Gutshof vorbeischicken - zusammen mit einem Wagen mit Material. Sie sollen mit Euch eine Hütte als Unterkunft und für die Gänse einen Pferch bauen. Außerdem will ich zumindest den Schrein überdachen. Eure Aufgabe wird es dann sein, bis der Baron entschieden hat, über den Schrein und das Wohl der Gänse zu wachen, und - sollte Gefahr drohen - in Auroth in Hauersroth oder dem Gutshof Alarm zu schlagen."''<br>
 
Er nahm ein Jagdhorn von seinem Sattel ab und nestelte seine Geldbörse hervor, aus der er vierzig Heller abzählte.<br>
 
Er nahm ein Jagdhorn von seinem Sattel ab und nestelte seine Geldbörse hervor, aus der er vierzig Heller abzählte.<br>
“Sagen wir für ein Handgeld von vierzig Hellern und einen Lohn von zehn Silber im Monat?<br>
+
''"Sagen wir für ein Handgeld von vierzig Hellern und einen Lohn von zehn Silber im Monat?"''<br>
 
Er hielt Severin seine ausgestreckte Hand hin und in der anderen die vierzig Heller und das Jagdhorn.<br>
 
Er hielt Severin seine ausgestreckte Hand hin und in der anderen die vierzig Heller und das Jagdhorn.<br>
“Schlagt Ihr ein?<br>
+
''"Schlagt Ihr ein?"''<br>
 
Während Gereon von dem vielen Geld sprach, wurden die Augen Severins immer größer.<br>
 
Während Gereon von dem vielen Geld sprach, wurden die Augen Severins immer größer.<br>
“Für d-d-des Geld bau ich euch hier auch ‘n Sch-Sch-Schloss hin! Sehr großzügig, m-m-mein Herr”, grinste er, als er sich verneigte und anschließend seine Hand ausstreckte, um offenbar nicht nur sinnbildlich einzuschlagen.<br>
+
''"Für d-d-des Geld bau ich euch hier auch ‘n Sch-Sch-Schloss hin! Sehr großzügig, m-m-mein Herr"'', grinste er, als er sich verneigte und anschließend seine Hand ausstreckte, um offenbar nicht nur sinnbildlich einzuschlagen.<br>
“Sehr gut!<br>
+
''"Sehr gut!"''<br>
 
Gereon schüttelte Severins Hand.<br>
 
Gereon schüttelte Severins Hand.<br>
"Dann würde ich sagen, wir brechen auf! Was meint ihr?<br>
+
''"Dann würde ich sagen, wir brechen auf! Was meint ihr?"''<br>
 
Er blickte in die Runde.<br>
 
Er blickte in die Runde.<br>
“Beim Waldecker Hof will ich noch einen Boten mit Weisung gen Hauerroth senden. Auch sollten wir das hier,er hielt die Schatulle empor, “noch einem Traviatempel übergeben. Hat jemand einen Vorschlag?<br>
+
''"Beim Waldecker Hof will ich noch einen Boten mit Weisung gen Hauerroth senden. Auch sollten wir das hier,"'' er hielt die Schatulle empor, ''"noch einem Traviatempel übergeben. Hat jemand einen Vorschlag?"''<br>
 
Er ging wieder langsam zu den Pferden.<br>
 
Er ging wieder langsam zu den Pferden.<br>
 
Wieder war es Irminella, die antwortete, während sie knapp hinter Gereon zu ihrer Tama lief.<br>
 
Wieder war es Irminella, die antwortete, während sie knapp hinter Gereon zu ihrer Tama lief.<br>
"Der einzige Travia-Tempel, den ich kenne, ist der in Vairningen Stadt. Witzichenberg hat keinen, das weiß ich. Ambelmund? Weiß ich nicht.<br>
+
''"Der einzige Travia-Tempel, den ich kenne, ist der in Vairningen Stadt. Witzichenberg hat keinen, das weiß ich. Ambelmund? Weiß ich nicht."''<br>
 
Sie machte eine kurze Pause und schloss auf.<br>
 
Sie machte eine kurze Pause und schloss auf.<br>
“Einerlei. Wir übergeben alles dem Baron, der darüber entscheiden wird, wie es weitergeht.<br>
+
''"Einerlei. Wir übergeben alles dem Baron, der darüber entscheiden wird, wie es weitergeht."''<br>
 
Bei Tama angekommen, löste sie das Seil, das sie zuvor an einem Baum festgebunden hatte und saß sogleich auf.<br>
 
Bei Tama angekommen, löste sie das Seil, das sie zuvor an einem Baum festgebunden hatte und saß sogleich auf.<br>
“Reiten wir”, nickte sie, wartete aber darauf, dass alle ausreichend Zeit hatten, sich für die Rückreise bereit zu machen, was einen Moment dauerte, da Drego offenbar nicht sonderlich geschult darin war, aufzusteigen und einige Herzschläge brauchte, bis er letztlich sicher im Sattel saß.<br>
+
''"Reiten wir"'', nickte sie, wartete aber darauf, dass alle ausreichend Zeit hatten, sich für die Rückreise bereit zu machen, was einen Moment dauerte, da Drego offenbar nicht sonderlich geschult darin war, aufzusteigen und einige Herzschläge brauchte, bis er letztlich sicher im Sattel saß.<br>
 
Aleydis stand noch bei dem sonderbaren Fremden mit dem Namen Severin und blickte Gereon und Irminella nach. Erst als beide auf ihre Pferde stiegen, schien er sich bewusst zu werden, dass sie diesen Ort verlassen würden. Er nickte Severin wortlos zu und schloss mit schnellen Schritten zu den beiden auf und band sein Pferd los. Noch bevor er sich daran machte aufzusitzen, frug er in die Runde:<br>
 
Aleydis stand noch bei dem sonderbaren Fremden mit dem Namen Severin und blickte Gereon und Irminella nach. Erst als beide auf ihre Pferde stiegen, schien er sich bewusst zu werden, dass sie diesen Ort verlassen würden. Er nickte Severin wortlos zu und schloss mit schnellen Schritten zu den beiden auf und band sein Pferd los. Noch bevor er sich daran machte aufzusitzen, frug er in die Runde:<br>
“Und nun? Zur Burg zurück?<br>
+
''"Und nun? Zur Burg zurück?"''<br>
  
 
==Die Heimkehr==
 
==Die Heimkehr==

Aktuelle Version vom 16. Juni 2024, 20:16 Uhr

Erzählungen aus Tommelsbeuge

Ort: Burg Fischwacht und Wüstung Gänsehof in Freiherrlich Tommelsbeuge

Zeit: 19. Ingerimm 1045 BF

Dramatis Personae:


Der Auftrag

Geribold von Fischwachttal saß hinter seinem wuchtigen Schreibtisch, auf dem sich nebst Schreibmaterialien und einem aufgeschlagenen, mit den Seiten nach unten liegenden Buches aus der Reihe der Gespräche Rohals des Weisen, vier hölzerne Becher und ein Krug mit Wasser sowie einem mit leichtem Wein befanden. Neben den Krügen standen zwei Schalen aus gebranntem Ton, in denen sich jeweils Nüsse und Beeren befanden.

Vor dem Schreibtisch hatten seine Gäste, der Hohe Herr Gereon von Hauerberg, Edler von Rittergut Auroth, Ihre Wohlgeboren Irminella Ermine von Eberbach, Vögtin Gut Gräflich Bösalbentrutz' sowie Aleydis Lartes, Hauptmann der auf Burg Bösalbentrutz stationierten, gräflichen Gardisten, Platz genommen.

"Ich danke Euch für Euer Kommen, Hoher Herr von Hauerberg", nickte Geribold zunächst in Richtung Gereons.
Dann blickte er Irminella an.
"Und Euch danke ich, dass Ihr Euch freiwillig der Sache annehmen wollt - oder sollte ich Boso danken?", schob er grinsend nach.
Mit einem: "Seid auch Ihr bedankt", in Richtung Aleydis beendete er die Begrüßung.

"Wohlgeboren von Eberbach hat durch Ihren Herrn Schwiegervater einen Wissensvorsprung, den ich nun ausgleichen will", fuhr er fort und nickte dabei wieder in Richtung des Herrn von Hauerberg.
"Ich möchte, dass Ihr Euch in der ehemaligen Abtei Gänsehof umseht. Ich kenne die Gerüchte, gebe aber nichts darauf. Ich will sie wieder als Teil der Baronie wissen. Irgendwelche Fragen?"

Irminella nickte wissend, sagte aber nichts, um den anderen den Vortritt zu lassen.

Aleydis Lartes, ein schnittig auftretender Mittvierziger mit gepflegten, dünnen Oberlippenbart und ebensolchem Kinnbart - gemeinhin als Kaiser-Alrik-Bart bekannt -, saß kerzengerade beinahe schon auf der Kante des Stuhls. Das dunkle, schulterlange Haar hatte er hinter die Ohren gekämmt und der Glanz verriet, dass er dem Halt mit Pomade nachgeholfen hatte. Dennoch waren seine Geheimratsecken gut sichtbar.
Er trug einen kurzen Gambeson, auf dessen Vorderseite das gräfliche Wappen prominent auf Brusthöhe angebracht war. Aufgrund der Temperaturen im Ingerimm bildeten sich feine Schweißperlen auf seiner Stirn.
Ayledis Lartes nickte dem Baron knapp zu, dann richteten sich seine Blicke auf den Anführer dieser Expedition, den Ritter Gereon von Hauerberg.

Der solcherart angesprochene Gereon von Hauerberg, der bisher schweigend hinter den Stühlen der beiden anderen gestanden hatte entspannte seine Haltung etwas und begann nachdenklich mit der Federzier seines Jägerhutes zu spielen.
Von Kopf bis Fuß betrachtet ergab der jüngere Mann ein recht uneinheitliches Aussehen ab. Der firungefällige Hut mit Federzier und der kurze, zweckmäßige Schulterumhang hätten auch einem Jäger angestanden. Mit dem offen genestelten Wams aus dem das darunterliegende Hemd hervorlugte, hätte man ihn hingegen ebenso gut für einen höfischen Gecken halten können. Nur der Gürtel, mit nun leeren Schwert- und Dolchscheiden und seine zweifarbigen Beinlinge ließen auf eine kämpferische Natur schließen - auch wenn diese eher zu einem Söldner denn zu einem Ritter passen wollten.
Nach ein paar Sekunden antwortete er während er seinem Schwertherrn zulächelte.
"Ich danke Euch, Euer Hochgeboren, für Euer Vertrauen in der Sache."
Sein Lächeln wurde schelmisch. "In Travias Namen, meine Manieren! Mein Vater wäre erzürnt wenn ich seine Gastgeschenke nicht sofort überreichte. Er lässt Euer Hochgeboren Grüße ausrichten und hat mir diverse Spezereien sowie zwei Folianten für Euch mitgegeben. Er meinte, Ihr wüsstet die Traktate wohl zu schätzen?"

Geribold lächelte erfreut und nahm die gebotenen Geschenke entgegen und hielt die Bücher kurz in Händen, als er antwortete:
"So richtet dem Hohen Herrn bitte meinen vorzüglichsten Dank aus. Ich werde mir die Werke sicher in den kommenden Tagen ansehen."
Dann legte er sie auf die Seite. Er wollte zunächst das 'geschäftliche' erledigt wissen, bevor er sich dem Müßiggang hingab. Einen weiteren, kurzen Blick seinerseits auf die Bücher verrieten allerdings, dass man ihm mit diesen Gaben tatsächlich Freude gemacht hatte.

"Fürwahr gibt es einige Gerüchte, die über den Ort kursieren, doch sind sie sicherlich nichts anderes als Fantastereien. Dass sich dort Goblins eingenistet haben könnten, glaube ich ebenfalls nicht. Sie sind nicht gescheit genug, um sich über längere Zeit nicht sehen zu lassen. Da halte ich Wölfe oder Wegelagerer für wahrscheinlicher. Am wahrscheinlichsten dürfte aber sein, dass Ihr dort rein gar nichts mehr findet als Ruinen. Ich denke daher, dass die Anwesenden ausreichen werden. Solltet Ihr dort doch vor unlösbaren Aufgaben stehen, schickt nach Entsatz."

Er überlegte kurz, während er mit dem Nagel seines rechten Zeigefingers auf den Schreibtisch tippte.
"Ich gebe Euch meinen Hofmedicus mit", nickte er dann schließlich.

Eine avesgefällige Aufgabe also! Gereon straffte sich wieder und fuhr fort:
"Ich selbst kenne nur Sagen und Schauergeschichten über die Abtei. Geisterprozessionen oder verschwundene Jäger, die gar von Sumpfranzen geholt worden sein sollen. Am konkretesten sind für mich die Beschwerden der Köhler über ihre gerissenen Ziegen seit dem letzten Herbst. Wie ich von meinem Bruder höre, finden sich die Kadaver oft in Richtung Gänsehof. Kann etwas, aber auch nichts, bedeuten", sinnierte Gereon.
"Ich will aber nicht geringschätzig klingen, Euer Hochgeboren. Ich halte einen Bären oder Wölfe für nicht unwahrscheinlich. Aber eine kleine Schaar sollte dafür ausreichend sein."
Er nickte jedem in der Runde freundlich zu, während er sprach:
"Aber Euer Wohlgeboren von Eberbach hat neben Ihrem vortrefflichen Schwertarm sicherlich auch einiges beizutragen."

Irminella nickte.
"Was unser Vorhaben betrifft, meint Ihr sicher? Ich verstehe mich aufs Bogenschießen und das Lesen von Fährten. Doch dürfte letzteres nicht vonnöten sein. Immerhin ist die Wüstung nicht schwer zu finden - und das, was darin haust, vermutlich genauso wenig."
Ihre Stimme klang freundlich, dennoch wirkte sie ein wenig reserviert bis distanziert.

Gereon grinste Irminella vergnügt an.
"Da habt Ihr sicherlich recht, dennoch weiß ich die Tatsache, dank der Fährtenleserei bereits vor dem Betreten der Gewölbe zu wissen, ob ich es mit einem Bären oder Wölfen zu tun bekomme, sehr an dieser Kunst zu schätzen."
Der Gedanke die Aufgabe aus eine Art Jagdausflug zu betrachten schien ihn aufzuheitern.
"Aber bei Phex, wir wollen unseren taktischen Verstand nicht außer Acht lassen. Was meint Ihr, Hauptmann Lartes. Ein paar Eurer Gardisten zur Bedeckung?"

Der Hauptmann straffte sich und erhob sich schnell von seinem Stuhl, um sich zackig umzuwenden und den Ritter direkt anzublicken.
"Weitere Gardisten werden nicht vonnöten sein, Hoher Herr."
Die Stimme des Mannes war überraschend hoch, ein Eindruck, der durch seine schnelle Sprechweise eher noch verstärkt wurde. Es folgte ein Blick zum Baron und dann zur Vögtin von Bösalbentrutz.

"Wenn wir auf die Gerüchte etwas geben wollen, dann erwarten uns dort höchstens einige Wölfe, vielleicht auch nur zwei Landstreicher. Nichts, was drei Bewaffnete hoch zu Ross nicht verscheuchen könnten."

Gereon hob zwar eine Braue, sagte aber in der Sache nichts weiter.
"Gut, dann sind wir uns einig. Rondra zum Gefallen. Wir reiten zu viert."

Aleydis nickte und warf einen kurzen Blick zur Vögtin. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er etwas verschwieg.

Diese nickte ihm zu, so als ob sie ihn zum Aussprechen seiner Gedanken zu motivieren versuchte.

Der Blick des Hauptmanns wurde skeptischer. Er legte seinen Kopf leicht schräg und seine Augenbrauen schoben sich zusammen, als er Irminella musterte. Es schien, als sei er sich nicht sicher, was ihr Nicken zu bedeuten hatte.

Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab, während sie leicht den Kopf schüttelte.
"Es scheint, als habt Ihr etwas auf dem Herzen, Aleydis?"

"Nein Euer Wohlgeboren."
Aleydis Lartes verbeugte sich knapp und sprach dann hastig weiter:
"Ich habe meiner Einschätzung nichts hinzuzufügen!"

"Gut", nickte Geribold dann knapp.
"Sollte den Herren - oder Euch -", dabei blickte er kurz zu Irminella, "noch etwas einfallen, lasst es mich wissen. Ich lasse nach Herrn Grabschaufler schicken. Er wird in Kürze zu Euch stoßen."
Er machte eine kurze Pause.
"In Waldeck ist man informiert, dass Hoher Besuch kommt. Man wird Euch entsprechend Empfangen und Euch - wenn nötig - eine ordentliche Unterkunft bieten."
Er hob seinen Becher und hielt ihn den Gästen entgegen.
"Auf gutes Gelingen."

Der Aufbruch

Nachdem die Hohen Herrschaften mit Seiner Hochgeboren auf ein gutes Gelingen der Unternehmung angestoßen hatten, verließen sie die Schreibstube und begaben sich in den Speisesaal der Burg. Hier genossen sie ein vorzügliches Mahl, das Ariana Simis, die Küchenmeisterin hier am Hofe, eigens für die Gäste zubereitet hatte.

Nach rund zwei Stunden führte sie ein Bediensteter in den Burghof, wo die Pferde bereits auf ihre Reiter warteten - offenbar hatte man sie bereits für den Ritt vorbereitet. Neben den Tieren der Hohen Gäste stand ein weiteres bereit, auf dem bereits ein Reiter saß.

Es war ein hoch aufgeschossener Mann von dünner, fast hagerer Statur. Sein blondes Haar hatte er zu einem Dutt gebunden und seine grünen Augen unterstützten das freundliche Lächeln des Mannes, mit dem er die Hohen Herrschaften bei ihrer Ankunft im Hof empfing. Etwas umständlich, ungelenk gar, stieg er von seinem Pferd.
"Ah, die Hohe Dame von Eberbach und ihr… Hauptmann, nicht? Sehr erfreut", hob er an.

Die angesprochene Irminella nickte und lächelte.
"Es ist auch mir eine Freude, Euch wiederzusehen."
Aus der Körpersprache der beiden konnte man erkennen, dass sich die beiden durchaus bekannt waren.

"Herr Medicus!"
Der Hauptmann der gräflichen Garde von Bösalbentrutz, der zwischenzeitlich sein Schwert umgehängt und einen Kürass angelegt hatte, deutete eine Verbeugung an und musterte den neuen Begleiter mit einer nach oben gezogenen Augenbraue, ehe er sich behende auf sein Pferd schwang. Dann setzte er einen Eisenhut mit schmaler, herunter gezogener Krempe und einem kleinen Kamm auf, den er mit einer Schnalle unter dem Kinn befestigte.

"Seid auch Ihr herzlich begrüßt Hoher Herr von Hauerberg. Ich bin Drego Grabschaufler. Der Zuname ist weniger Prophezeiung als vielmehr Zeuge des langjährigen Tätigkeitsfeldes meiner Familie.", witzelte er.
"Ich hoffe Euch und Eurer Familie geht es gut?"

Gereon grinste den Neuankömmling an, während er zu seinem Pferd schritt, das von seinem Begleiter aus Auroth gehalten wurde.
"Die Göttin mit Euch, werter Herr, einen borongefälligen Namen habt Ihr da. Dann will ich es als Ausdruck Eurer Hingabe werten, dass Euer Ruf Euch schneller vorauseilt als Euer Familienname. Und seit der Nachfrage bedankt, alle sind wohlauf. Auch wenn Vater regelmäßig Satinav in die Knochen fährt, so ist dies doch kein Grund zur Klage."
Gereon gürtete den ihm entgegengehaltenen Schwertgurt mit dem Langschwert und wandte sich an seinen Begleiter, einen etwas kleineren aber stämmigen Mann in unauffälliger Reisekleidung. Kurz und knapp gab er die bisherigen Ereignisse wieder und beauftragte den nahezu gleichaltrigen Mann mit den Worten:
"Reit' nach Brinnmühle und gib Vater Bescheid, und informiere auf dem Weg nach Köhlbach meine Brüder. Dort hältst Du Dich bereit, bis ich komme."
Der Angesprochene nickte nur.
"Der Gambeson?",fuhr Gereon fragend fort.
Der dunkelblonde Mann nickte in Richtung der großen Rolle, die hinter dem Sattel des Pferdes verstaut war.
"Ist im Bündel".
"Gut ich danke Dir Berman", entgegnete Gereon, schwang sich auf das Pferd und wandte sich zu seinen Mitstreitern um, während der Angesprochene auf dem Maultier, das zuvor die Folianten transportiert hatte, auf das Burgtor zuritt.
"Nun? Wollen wir aufbrechen?", fragte er in die Runde.

"Voran, Hoher Herr!", antwortete Aleydis Lartes in militärisch knappem Ton und drückte die Schenkel zusammen, woraufhin sich sein Pferd schnaubend in Bewegung setzte.
"Bis zum Einbruch der Dunkelheit sollten wir es zum Gut Waldeck schaffen."

Und so ritten die vier vom Burghof durch den geöffneten Torturm auf den Weg, der sie zunächst durch den Marktflecken Tommelsbrück zu Füße der Burg und schließlich auf die Straße gen Rahja führte. Dieser folgten sie für rund zwölf Meilen und kamen dort, ganz wie es Hauptmann Lartes im Burghof prophezeit hatte, kurz vor Einbruch der Dunkelheit an.

Im Waldeck

Schon von Weitem hatte man die Hopfendolden sehen können, die entlang kunstvoll zu Rundbögen gearbeiteten Kletterhilfen wuchsen. Das größte Gebäude stellte das Gutshaus dar, das heute aus einer Brauerei sowie dem Gasthaus "Zum Eck" bestand. Weiters fanden sich etliche Ställe, aus denen Gegacker und Gegrunze drangen. Ein weiterer, recht großer Stall stand leer.
Die Reiter wurden von einer kleinen Delegation einfacher Leute empfangen, die sich jedoch die größte Mühe machten, den Hohen Herren sowie der Vögtin den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Man nahm ihnen die Pferde sowie das Gepäck ab, bot an, die Kleidung zu waschen und verwies darauf, dass man einen Zuber vorbereitet hatte, den die Hohen Gäste würden in Anspruch nehmen können, sollte ihnen der Sinn danach stehen, bevor man sie zum Essen bitten würde.
Doch zunächst zeigte man den Neuankömmlingen ihre Zimmer - allesamt sauber und ordentlich, nur nicht sonderlich geräumig. Die Möbel waren abgenutzt, sodass davon auszugehen war, dass die eigentlichen Bewohner der jeweiligen Stuben ihre Sachen gepackt und den Platz frei gemacht hatten, um sie den Hohen Herrschaften zu überlassen.

Nach gut zwei weiteren Stundenkerzen, in denen es den Herrschaften freigestanden hatte, sich nach eigenem Gutdünken auf dem Gut zu bewegen, rief man sie zum Essen.
Sonnhild und Folcrad Welhausen, die Betreiber des kleinen Gasthauses "Zum Eck", das man offenbar gänzlich für die Hohen Gäste reserviert hatte, servierten das Mahl mit vielen ehrerbietigen Verbeugungen und geizten auch nicht mit Danksagungen dafür, dass man sie mit solch einem Besuch beehrte.
Das Mahl bestand aus einem Rinderschmorbraten mit grobem, mit Kräutern verfeinerten Kartoffelstampf und Rotkohl mit Apfelstückchen. Dazu reichte man Wasser, Apfelwein und das "Waldecker Helle", das man hier braute.
Da der Gastraum für die Hohen Herrschaften reserviert war und die Gastgeber darauf achteten, sich so rar wie möglich zu machen, um den Gästen nicht zur Last zu fallen, waren die Reisenden nun unter sich und konnten ihr Abendessen in aller Ruhe genießen.

Aleydis Lartes kam sichtlich gut gelaunt in den Schankraum. Er hatte das Angebot, ein Bad zu nehmen, gerne angenommen und sicherlich ein gutes viertel Stundenglas in dem mit warmem Wasser gefüllten Zuber zugebracht. Danach hatte er offensichtlich auch seine längeren Haare wieder gepflegt, denn diese glänzten wie bereits am frühen Mittag bei der Audienz des Barons. Er trug eine knielange, hellblaue Tunika bar jeder Verzierung und darunter ein ungefärbtes Leinenhemd.
Er blickte sich sichtlich überrascht in dem kleinen aber leeren Schankraum um und zuckte dann mit den Schultern. Als er an den Tisch trat, begrüßte er die dort bereits sitzenden Reisebegleiter schmunzelnd.
"Mir scheint, ich reise mit dem Herzog höchstselbst, wenn man die Stube ganz für uns reserviert hält."
Nur Drego saß bislang am Tisch und lachte ob der Bemerkung des Herrn Lartes kurz auf.
"Jaja, die Vorzüge der Reise mit Hohen Herrschaften, nicht? Setzt Euch doch zu mir, die anderen beiden sind sicherlich auch bald da. Bis dahin können wir uns ein wenig kennenlernen, so Ihr mögt? Schließlich sind wir ja nun ein verschworener Haufen."
Er grinste breit, zwinkerte mit dem rechten Auge und deutete mit einer einladenden Geste auf den Stuhl ihm gegenüber.
Schulterzuckend nahm der Hauptmann Platz und spach:
"Gerne, dann können wir gemeinsam auf die hohen Herrschaften warten."

Gereon betrat just in diesem Moment durch eine der Seitentüren den Schankraum, blieb abrupt stehen und sah sich überrascht um. Als sein Blick auf die bereits sitzenden Gefährten fiel, grinse er amüsiert.
"Was ist denn bitte hier los? Habt Ihr den armen Leuten die Kundschaft vertrieben?"
Lachend wischte sich Gerion durch das noch feuchte kurze Haar. Er war offenbar gerade erst dem Badezuber entstiegen und war nur mit einem Leinenhemd sowie einer Filzhose und Pantoffeln gekleidet. Augenscheinlich kam er gerade aus Richtung der Stallungen zurück. Er sprach laut in Richtung der Reisegefährten:
"Ich geselle mich gleich zu euch."
Schnell schlappte er in Richtung seines Zimmers.
"Ausgesprochen gern, Hoher Herr. Darf ich Euch bereits etwas zur Erfrischung bestellen?", rief Drego dem Hauerberger nach.
"Gern werter Herr! Ich glaube, ich lasse den Abend mit einem kühlen Gargelbräu beginnen.", rief Gereon Drego im hinausgehen zu.
"Gute Idee", fügte der Hauptmann hinzu.
"Ich täte ebenfalls eines nehmen."
Mit einem breiten Grinsen nickte er dem Medicus zu.

Auf einen Wink Dregos hin brachte man den erlesenen Gästen wenig später die Getränke, wobei sich der Wirt mehrfach entschuldigte, kein 'Gargelbräu' servieren zu können, gleichsam aber versicherte, dass das hier gebraute 'Waldecker Hell' durchaus nicht zu verachten sei. Und dem Gesicht des Hauptmannes war nach dessen erstem Schluck deutlich zu entnehmen, dass der Wirt völlig richtig lag.
Nur wenig später kehrte Gereon nun entsprechend in eine Leinenhose und ein grünes Wams gekleidet zurück. Um die Unterhaltung nicht zu unterbrechen setze er sich ruhig zu den anderen an den Tisch, nickte Drego dankend zu und begann sichtlich erfreut an seinem Bier zu nippen und sich - sichtlich hungrig - über die mittlerweile dargebotenen Speisen herzumachen. Mit einem breiten Lächeln in Richtung von Folcrad - der von einer Ecke des Gastraumes aus die hohen Herren im Blick behielt - rieb er sich demonstrativ den Bauch, was dem so Signalisierten ein breites, zufriedenes Gesicht entlockte.
"Nun," wandte sich der Hauerberger an seine Begleiter.
"Die Pferde sind gut versorgt, das Waldecker kühl, das Essen bemerkenswert gut und der Zuber war warm. Ich bin vollends zufrieden mit dem Tagwerk und bereit mich einem ruhigen Abend hinzugeben. Wie sieht es bei euch aus?"
Drego nickte und hob den Becher voll Bier, den man ihm erst kürzlich gebracht hatte.
"Wohl gesprochen, wohl gesprochen."
"Kann ich euch nach dem Essen zu der einen oder anderen Runde Boltan und ein paar Helle in der warmen Stube einladen? Ich müsste auch noch eine kleine Garadan Variante im Gepäck haben - falls mir die Figuren nicht wie so oft aus dem Bündel gefallen sind."
Wieder war es Drego, der zuerst antwortete.
"Sehr gern. Ein wenig kurzweiligen Müßiggang begrüße ich. Doch bin ich weder in dem einen, noch in dem anderen Spiel sonderlich bewandert. Solltet Ihr also kein einfaches Würfelspiel spielen wollen, müsstet Ihr mir ein paar Dinge erklären!", lachte er.
"Bei Phex, das lässt sich einrichten".
Mit einem breiten Lächeln im Gesicht, klopfte Gereon dabei kurz auf den Tisch und zwinkerte Drego zu.
"Wie steht es mit Euch aus, werter Herr Lartes?", wandte er sich an Aleydis.
"Und wie sieht es mit Euer Wohlgeboren von Eberbach aus?"
Aleydis zwirbelte mit seiner rechten Hand an seinem akkurat gestutzten Kinnbart entlang und brummte.
"Hmmm, meinen Männern und Frauen habe ich das Glücksspiel verboten."
Ein etwas verstohlener Blick ging zur Burgvögtin.
"Doch weiß ich wohl, dass sie sich nicht immer daran halten. Daher wäre es nur angebracht, wenn ich selbst die Regeln verstünde."
Er rieb beinahe schon aufgeregt die Handflächen aneinander und setzte sich so nah wie nur möglich an den Rand des Tisches.
"Also zeigt uns, wie das Spiel funktioniert, Wohlgeboren!"
"Ich werde den Herren gern dabei zusehen", lehnte die Hohe Dame von Eberbach mit einem freundlichen Lächeln ab.
"Wie Ihr wünscht, Euer Wohlgeboren.", bestätigte Gereon mit einer freundlich angedeuteten Verbeugung.
"Nun denn, Meine Herren, lasst uns beginnen."
Gereon packte sowohl Boltan-Würfel, als auch Karten auf den Tisch und begann in den folgenden Minuten einige Würfelpartien mit Aleydis und Drego, während denen er Drego die Unterschiede und Ähnlichkeiten zur Kartenvariante näher erläuterte. Im Laufe des Abends ergaben sich daraus einige heitere Stunden, währenddessen immer wieder zwischen den Varianten gewechselt wurde, bis Gereon selbst begann - im angetrunkenen Zustand - die Unterschiede zu verwechseln.
Was hingegen recht schnell offenbar wurde, war das Flunkern des Hauptmannes. Denn obwohl dieser völlig ahnungslos tat, schien er die Regeln recht gut zu beherrschen und schob dennoch jeden Sieg breit grinsend auf 'Anfängerglück'.<brS> "Wie ich bemerken muss, werter Herr Aleydis, stammt das Verbot für Eure Männer aus erfahrener Hand."
Gereon blickte Aleydis mit gespielt strenger Miene an, aber dank der Hilfe des Waldecker, begann er direkt darauf zu 'keckern' wie ein Grolm. Offenbar von der eigenen Fähigkeit zu solch Geräuschkulisse überrascht, hielt er kurz inne - und brach schließlich über sich selbst amüsiert in ein brüllend herzhaftes Gelächter aus.
Drego hatte indessen offenbar über seine Unfähigkeiten in Brettspielbelangen nicht übertrieben, verlor er doch eine Partie nach der anderen. Seine schnelle Auffassungsgabe hatte zwar dazu geführt, dass er die grundsätzlichen Regeln der Spiele rasch begriffen hatte. Die Feinheiten, Kniffe und Strategien, die diesen Spielen aber augenscheinlich zugrunde lagen, blieben ihm ein Rätsel, sodass er seinen Mitspielern hoffnungslos unterlegen war. Als Gereon von Hauerberg auf diese eigentümliche Art zu lachen begonnen hatte, musste er grinsen, konzentrierte sich aber darauf, nicht laut darüber zu lachen. Das wäre ihm unschicklich vorgekommen. Nun aber, da der Hohe Herr in schallendes Gelächter ausbrach, musste auch Drego laut lachen. Dass dies so ein ausgelassener Abend werden würde, hatte er nicht erwartet.
"Ich glaube...", japsend versuchte Gereon sich zu beruhigen, "...isch glaube... ICH glaube...".
Sichtlich erfolglos wurde er von erneutem Lachen geschüttelt.
"Ich glaube, werte Gesellschaft, so sehr ich den Abend genieße, sollte das, das Zeichen sein", erneut musste er ein Jucksen unterdrücken, "... eben diesen zu beschließen bevor unser Aufbruch und unsere Aufgabe morgen zu sehr in Verzug gerät."
Irminella von Eberbach lächelte und nickte dem Herrn von Hauerberg zu.
"Ihr sprecht wahr, Hoher Herr von Hauerberg. Die Zeit ist doch recht fortgeschritten. Und auch wenn ich den Abend durchaus genieße, war der Tag ein anstrengender - weshalb ich mich nun zurückziehen werde."
Sie stand auf und neigte noch einmal leicht das Haupt vor Gereon, den anderen beiden nickte sie nur knapp zu.
"Bitte entschuldigt mich, meine Herren. Ich wünsche einen guten Abend und zu späterer Stunde einen geruhsamen Schlaf."
Dann begab sie sich auf ihr Zimmer.
"Dann lasst es uns so beschließen." Gerion sah Drego und Aleydis an.
"Dann sehen wir uns morgen beim Aufgang des Praiosrund."
Er schüttelte beiden Männern noch kurz die Unterarme und begab sich - erfahrene Augen hätten das leichte Wanken wahrnehmen können - die Treppe hinauf zu den Schlafgemächern.
"Eine gute Nacht wünsche ich Euch, Euer Wohlgeboren von Hauerberg.", sagte Drego, neigte sein Haupt vor dem trinkfesten Mann und erhob sich ebenfalls von der Sitzbank.
"Hauptmann!", nickte er Aleydis lächelnd zu und begab sich auf sein Zimmer.
Aleydis Lartes hatte sich den Abend über an einem einzigen Krug Bier geklammert. Entsprechend klar war sein Blick und seine Stimme, als er sich von der Vögtin verabschiedete. Auch den beiden anderen Herren nickte er freundlich zu, und wünschte diesen einen guten Schlaf, als sie den Schankraum verließen.

Als Ruhe in der Stube eingekehrt war und auch das Feuer im Kamin nur noch sacht vor sich hin glomm, entzündete der Hauptmann einen Span an der Glut und fachte damit eine kleine Pfeife an. Dann trat er vor die Türe, sog die klare Nachtluft ein und genoss die Stille ganz für sich.
So ging der gemütliche Abend zu Ende. Noch eine Weile vernahmen die Gäste das gedämpfte Geklapper und Geklirre, das die Eheleute Welhausen beim Aufräumen und Säubern des Gastraumes und der Küche verursachten.
Ansonsten verlief die Nacht ausgesprochen ruhig. Selbst die Geräusche aus den Ställen waren irgendwann erstorben, sodass die Hohen Herrschaften eine durchaus erholsame Nacht im Waldeck verbrachten.

Den nächsten Morgen leitete ein Hahn ein, der sich recht prominent im am Hühnerstall angrenzenden Gatter positioniert hatte. Aus einigen der Fenster konnte man das prächtige Tier sehen, wie es dort mit geschwollenem Kamm das Praiosmal begrüßte.
Erneut drangen Geräusche aus dem Gastraum auf die Zimmer. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass man den Hohen Herrschaften wohl ein ordentliches Frühstück kredenzen wollte.

Gut gelaunt kam der Hauptmann in den Schankraum geschlendert und seine ersten Schritte führten ihn wieder vor die Türe. Im Vorbeigehen grüßte er noch den Wirt, der ihm freudig lächelnd ebenso einen Guten Morgen wünschte, dann verließ er den Schankraum und machte sich auf den Weg zum Brunnen.
Draußen war es zu dieser Morgenstunde weitaus belebter, als in der vergangenen Nacht. Ein recht junger Mann kam gerade aus dem Schweinestall, die Henkel je zwei leerer Eimer in jeder Hand, auf den Hopfenfeldern stand eine Frau und begutachtete beinahe zärtlich die Dolden und eine weitere junge Frau, nein, sicher noch ein Mädchen, stand am Brunnen und schöpfte Wasser. Sie war von großem Wuchs, weshalb man sie auf den ersten Blick und aus weiterer Entfernung wohl regelmäßig älter schätzte, als sie war. Doch ihr kindliches Gesicht verriet ihr noch junges Alter. Sie mochte vielleicht dreizehn, vierzehn Lenze zählen. Aus der Nähe erkannte Aleydis dann auch die frappierende Ähnlichkeit des Mädchens mit der Wirtin, die er gestern Abend kennengelernt hatte.
Freundlich, aber wortlos nickte der Hauptmann der jungen Frau zu und wartete, bis diese ihre Verrichtungen am Brunnen vollendet hatte. Dann zog er sich selbst einen Eimer des klaren, kalten Wassers hinauf und stellte ihn auf den Rand des Brunnens. Zunächst hielt er seine Unterarme hinein. Nach einigen langen Augenblicken folgte dann sein Gesicht. So lange wie er sein Gesicht im Eimer vergrub, konnte man nur dank der unregelmäßigen Blubbergeräusche erkennen, dass er noch am Leben war. Als er dann wieder auftauchte, war sein Gesicht ob des kalten Wassers gerötet, aber ein zufriedenes Lächeln zog sich über seine Lippen. Mit wenigen Handgriffen strich er sich das Wasser aus dem schmalen Bart und machte sich sodann an den kurzen Rückweg zur Schankstube.
Dort angekommen hatte sich Drego, Leibarzt des Barons, ebenfalls im Gastraum eingefunden und plauderte offenbar recht zwanglos mit dem Folcrad.
"Ja! Wenn ich's doch saach! So dick war'er de Finger, so dick!", lachte Folcrad gerade und zeigte mit seinem Daumen und Zeigefinger einen Abstand an, der die gewöhnliche Dicke eines Fingers um mehr als das Doppelte übertraf.
Drego stimmte in das Lachen ein und antwortete:
"Jetzt übertreibst du aber ein wenig, mein guter Folcrad. Eine solche Schwellung ist mir in den vielen Jahren, in denen ich nun schon praktiziere, noch nicht untergekommen."
Als er aus dem Augenwinkel den Hauptmann eintreten sah, nickte er ihm noch immer breit grinsend zu.
"Guten Morgen, Hauptmann."
"Guten Morgen, Herrschaften!", erwiderte dieser freundlich und setzte sich zu den beiden anderen Herren an den Tisch.
"Wir wollten doch früh aufbrechen, wo sind die hohen Damen und Herren?" "Ihrer Wohlgeboren von Eberbach habe ich vor geraumer Zeit Wasser aufs Zimmer gebracht. Ich rechne jeden Moment mit ihrem Eintreffen.", gab Drego zurück.
Dann lehnte er sich zu Aleydis herüber, hielt sich die Hand vor den Mund und raunte:
"Eventuell muss man Wohlgeboren von Hauerberg wecken. Das war… ein langer Abend."
Das schelmische Grinsen, das er dabei zur Schau trug, verriet, dass er das, was er sagte, wohl nicht so ganz ernst gemeint hatte.
Der Hauptmann schmunzelte und zuckte mit den Schultern.
"Dann werde ich diese undankbare Aufgabe übernehmen", sagte er, ehe er sich erhob und zielstrebig in Richtung des Zimmers des hohen Herren schritt.

Durch einen Schrei schrak Gereon nach einer viel zu kurzen Nachtruhe aus dem Schlaf. Verwirrt sah er sich im Zimmer um, zog einen Dolch aus seinem Kleiderstapel neben dem Bett und näherte sich vorsichtig dem Fenster mit dem noch grauen Morgen. Ein weiterer Schrei zerriss die Stille. Verursacht von einem riesigen Hahn, der es sich offenbar auf dem Stück Zaun direkt gegenüber dem Fenster gemütlich gemacht hatte.
Iritiert verzog Gereon das Gesicht, verstaute den Dolch und öffnete das Fenster um den Aufgang des Priosrunds abzuwarten und die kalte Luft einzulassen.
"Kein sterbendes Pferd - aber ein Schreidämon bist Du!", murmelte er dabei dem Hahn zu, querte den Raum und begann mit der morgendlichen Routine, um seinen Kopf von dem Nebel der letzten Nacht zu befreien.
Wie als Kommentar kotete der Hahn auf den Zaun, stieß erneut seinen Ruf aus, der Gereon zusammen fahren ließ. Die nächsten Minuten vergingen im Zweikampf zwischen dem Praioslob des Hahns und den erfolglosen Bemühungen Gereons, sich auf seine Atem- und Leibesübungen zu konzentrieren. Sichtlich geschlagen wischte er sich mit den Fingern über das Gesicht und erhob sich missmutig. Der Raum war mittlerweile in morgendlich helles Licht gebadet, was den verkniffenen Gesichtsausdruck Gereons zur Folge hatte.
Ächzend entrollte er eine kleine Holzstange aus seinem Bündel, beträufelte sie aus einem kleinen Holztiegel mit Nelkenöl, steckte sie sich in den Mund und begann darauf herumzukauen.
Er kleidete sich soweit nötig an. Nahm eines der Leinentücher und machte sich auf den Weg zum Brunnen. Nur wenige Schritte vor seiner Zimmertüre entfernt, traf er stattdessen auf einen offenbar sehr gut gelaunten Aleydis Lartes.
"Hauptmann", nuschelte Gereon mit zusammen gekniffenen Augen und nickte ihm zu, ging aber schnurstracks an dem so Begrüßten vorbei.
Ein paar Schritte nur, denn dann schien er sich anders zu entscheiden, drehte sich um und sprach - den Nelkenstab noch im Mund - den jetzt leicht verwirrt wirkenden Hauptmann an:
"Sheid Ihr auch von dieshem Oga von einem Hahn geweckt worden? Dash Vieh wollte gar keine Ruhe mehr geben!"
Während Gereon sprach, schien er gelegentlich zu schlürfen.
Aleydis sah den Ritter verdutzt an und kratzte sich dabei an der Stirn.
"Ähm…ja, Hoher Herr."
Dann schien ihm noch etwas einzufallen, denn mit großen Augen und erhobenem Zeigefinger fügte er hinzu:
"Frühstück… es gibt Frühstück!"
"Wundeebaa!", kommentierte Gereon die Information, besann sich daraufhin und nahm endlich den Nelkenstab aus dem Mund.
"Ich stoße gleich zu euch; will nur noch kurz zum Brunnen."
Damit beeilte er sich, durch die Hoftüre zu kommen. Die kühle Morgenluft duftete noch nach Moos, als Gereon zielstrebig den Platz überquerte um den Brunnen zu erreichen. Dort angekommen legte er sein Kleidungsbündel zur Seite und begann Wasser heraufzuholen. Noch immer waren die beiden Hausherren damit beschäftigt, das Frühstück zu bereiten. Offenbar hatten sie nach dem langen Abend nicht mit einem so frühen Erwachen der Hohen Herrschaften gerechnet. Deshalb beeilten sie sich, die letzten, für ein ausgiebiges Frühstück benötigten Dinge bereitzustellen. Nach wenigen weiteren Augenblicken war der ohnehin bereits gedeckte Tisch mit vielen kleinen Leckereien versehen. Neben Brot und Butter warteten Eier mit Speck, Käse und Wurst auf die Verspeisung durch die Gäste.
Zwischenzeitlich war auch Irminella von Eberbach die Treppe heruntergekommen - sie hatte sich offenbar schon auf ihrem Zimmer zurechtgemacht.
"Guten Morgen, die Herren", hatte sie die Mitreisenden knapp begrüßt.
Aleydis kannte die Wortkargheit Irminellas nur zu gut. Ganz im Gegensatz zu ihrem Mann, Balther, der jedwede Gelegenheit nutzte, um ein ausladendes Gespräch zu führen. Doch wusste Aleydis ebenso um die Tatsache, dass sie, sobald sie ein wenig 'aufgetaut' war, durchaus auch für den ein oder anderen Plausch zu haben war.
Der Hauptmann nahm stumm Platz und griff sich ein Stück des noch warmen Brotes, in welches er herzhaft biss. Noch während er kaute, frug er in die Runde:
"Machen uns gleich auf, oder?"
Irminella bedachte die Frage ihres Gardehauptmannes lediglich mit einem Nicken, während Drego nervös vom Hauptmann zu seinem Teller blickte, auf dem sich noch Brot, Käse und Wurst befanden.
"Wir sollten… also ich… würde gerne noch aufessen."
Wieder nickte Irminella, diesmal aber in Richtung des Medicus. Anschließend setzte sie sich zu den Herren an den Tisch und nahm sich selbst eine Scheibe Brot, die sie anschließend mit Butter bestrich.
"Hauptmann, was glaubt Ihr, erwartet uns in den Ruinen? Seine Hochgeboren würden uns nicht schicken, wenn wir nur die Fassade neu streichen müssten."
Der Angesprochene zuckte mit den Schultern.
"Ich kann euch dies leider nicht sagen. Ich selbst war noch nie dort. Was man hört, war es einstmals ein kleines Kloster, weder reich noch arm. Das ist aber schon lange her. Ich weiß nicht, ob wir dort überhaupt noch etwas finden werden, als ein paar überwucherte Steine." Dann beugte er sich etwas nach vorne und flüsterte beinahe schon zur Vögtin:
"Diese... Erzählungen, dass es dort spukt, glaubt ihr die?"
Nun war sie es, die mit den Achseln zuckte.
"Ich weiß es nicht", gab sie dann unumwunden zu.
"Aber wenn ich mich festlegen müsste...", sie überlegte nur kurz bevor sie bestimmt den Kopf schüttelte.
"Nein. Ihr etwa?", fragte sie dann mit leichtem Grinsen zurück.
Der Hauptmann schob seine Lippen übereinander und machte mit den Händen eine abwehrende Bewegung.
"Ich weiß es nicht. Könnte schon etwas 'dran sein. Die Ruine liegt an einem großen Wald. Wer weiß, was darin alles haust."

Die Tür zum Gastraum öffnete sich und ein in sichtlich besserer Verfassung sich befindlicher Gereon betrat den Raum. Offenbar hatte er seine Morgenroutine am Brunnen beendet und sich - wenn auch etwas nachlässig - angekleidet. Beim Anblick Irminellas stopfte er sich noch schnell die Reste der Bruche unters Wams und begrüßte dann alle Anwesenden freundlich.
"Guten Morgen, zusammen! Euer Wohlgeboren, Hoher Herr, Hauptmann", nickte er jedem zu.
"Wie ich sehe, bin ich der Letzte", begann er lachend, während er sich sein Essen zusammen raffte.
"Wie lange habe ich bis zum Aufbruch?", hob er fragend in die Runde an, während er mit einer der Brotscheibe wedelte.
Erst jetzt bemerkte er das laufende Gespräch und unterbrach sich.
"Bitte entschuldigt, ich wollte euch nicht unterbrechen"
Gereon neigte den Kopf, setzte sich zur Runde und begann jetzt schweigend sein Frühstück.
"Guten Morgen, Wohlgeboren", antwortete Irminella dem eintretenden Gereon.
"Esst in Ruhe, danach brechen wir auf."

Nachdem die Herrschaften den Morgen für ein ordentliches Frühstück genutzt hatten, ritten sie alsbald weiter. Immerhin wollten sie bei Ankunft an der ehemaligen Abtei noch ein paar Stunden das Licht der Praiosscheibe nutzen, um sich umzusehen.

Gut Waldeck schien tatsächlich nicht nur auf dem Weg, sondern offenbar auf halbem Weg zu liegen, ritten sie doch nur unmerklich kürzer, bevor sich in einigen hundert Schritt Entfernung die Ruinen der Abtei Gänsehof erahnen ließen.

"Da wären wir", erhob zuerst Irminella das Wort und zügelte ihr Pferd, um die Szenerie zu betrachten.

Der Gänsehof

Das verfallene Kloster lag ein wenig abseits des Weges auf einem sanften Hügel, umgeben von den Ausläufern des Treuklinger Waldes. Letzterer hatte schon vor langem begonnen, sich den ehemaligen Kulturort wieder einzuverleiben. Die bis auf die Grundmauern zerfallene Abtei Gänshof, die einst Sinnbild für Gastfreundschaft, Familie und Beständigkeit war, ist nun kaum mehr zu sehen. Man musste sich schon anstrengen, um zwischen all den Büschen und Bäumen in unterschiedlicher Größe eben jene Mauerreste zu erkennen. Immerhin hatten die Reisenden die Strecke recht zügig hinter sich gebracht. So stand die Praiosscheibe noch hoch am Himmel und würde auch nicht allzu zeitnah untergehen.

"Da wären wir", sprach Hauptmann Lartes das Offensichtliche aus und tätschelte gedankenverloren den Hals seines Pferdes.
Gereon führte sein Pferd nach vorne und besah sich die Szenerie.
"Sieht nicht so aus als kämen wir auf den Pferden wesentlich näher heran. Schade."
Seufzend saß er ab und begann sich an dem Bündel auf dem Rücken seines Reittiers zu schaffen zu machen. Zum Vorschein kamen dabei ein im Kosch üblicher Gambeson, ein Paar metallene Beinschienen und der Kopf einer Mordaxt sowie eine wattierte Gugel mit sehr langem Zipfel. Routiniert legte die Rüstung an, um dann den Kopf eines der beiden - an der Seite des Rosses - mitgeführten Jagdspeere gegen den der 'Mordaxt' auszutauschen.
"Was meint Ihr?", sprach er dabei zu den anderen und prüfte die Festigkeit der 'Mordaxt' am Schaft.
"Sollten wir uns aufteilen, oder uns einfach umsehen?"
Zu guter letzt verstaute er sein Schwert wieder im Bündel und behielt nur den Dolch. Er zog die Gugel über und sicherte diese am Kopf mithilfe des Zipfels als eine Art Stoffhelm - auch wenn dieser mehr dazu geeignet schien einem echten Helm als wattierung zu dienen.
"Die Frage ist also: Erwarten wir Probleme?"
Grinsend sah Gereon seine Begleiter an - wieder einmal selbst sehr amüsiert über die Diskrepanz seiner Tätigkeit und Frage.
Hilfesuchend sah Aleydis daraufhin zur gräflichen Vögtin, nachdem er dem Ritter etwas verwundert bei dessen Verrichtungen zugesehen hatte. Er saß noch immer auf seinem Pferd und frug zögerlich:
"Er... erwarten wir denn Pro... Probleme?"
Während der Hohe Herr von Hauerberg sich gerüstet hatte, hatte Drego still die Umgebung betrachtet. Irminella hingegen hatte die Geschäftigkeit des Hohen Herren von Hauerberg beobachtet. Dabei hatten Stirnrunzeln, leichtes Kopfschütteln, das Hochziehen der rechten Augenbraue aber auch immer wieder ein kleines Lächeln Zeugnis ihres Innenlebens gegeben. Als sie nun direkt angesprochen wurde, lächelte sie deutlicher.
"Ich denke nicht, dass wir uns für den Krieg rüsten müssen", antwortete sie.
In ihrer Stimme schwang dabei ein deutlich ironischer Unterton mit und nun lächelten auch ihre Augen. Aleydis kannte diesen Ton 'seiner' Burgvögtin. Das, was sie da sagte, meinte sie humorvoll.
"Aber was uns dort tatsächlich erwartet, weiß ich nicht - von Brombeersträuchern und Brennnesseln einmal abgesehen."
Langsam ließ der Hauptmann sich daraufhin vom Pferd gleiten und nahm dieses dann an den Zügeln. Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte er zu den Ruinen hinüber und strich sich mit der linken Hand gedankenverloren über seinen schmalen Oberlippenbart.
"Hmmm... finden wir es heraus!"
"Muss ja, nicht?", seufzte Drego beim Anblick der vielen Sträucher und saß ab.
"Die Hohen Herrschaften mögen auf die Brombeeren aufpassen."
Er hängte sich seine lederne Tasche um und schickte sich sodann an, auf die Ruinen zuzustapfen. Irminella lachte bei diesem Anblick laut auf.
"Ja, ja. Ins Unbekannte sollten wir allen voran unseren Herrn Medicus schicken."
Kopfschüttelnd und noch immer grinsend gürtete sie sich im Gehen ihr Schwert um, um nicht den Anschluss an Drego zu verlieren. Nach wenigen Schritten wandte sie sich noch einmal um.
"Die Herren?"

Der Hauptmann folgte wortlos und führte sein Pferd nach wie vor am Zügel mit sich. Sein Blick aber striff rastlos über die vor ihm liegenden Ruinen.
Jetzt, da der Frühling machtvoll Einzug gehalten hatte, erwachte auch die Natur um die Ruine herum in lebendiger Pracht. Die Bäume, die einst die Abtei umgeben hatten, blühten in verschiedenen Grüntönen und bildeten einen starken Kontrast zum tristen Anblick der Ruine. Auf den weitläufigen Wiesen wuchsen wilde Blumen und Kräuter, die nicht nur das Auge erfreuten - denn es lag ein deutlich wahrnehmbarer Blumen- und Kräuterduft in der Luft. Vögel sangen fröhlich in den Bäumen, und das Summen, Brummen und Zirpen von Insekten umgab die Hohen Herrschaften.
Die ehemalige Abtei selbst war jedoch ein trauriges Zeugnis vergangener Zeiten. Die ehemaligen Steinmauern des Klosters waren nun von Moosen, Ranken und Efeu überzogen, und zahlreiche Lücken und Risse zeugten von Satinavs Zahn, der hier im Laufe der vergangenen Jahrhunderte seinen Dienst getan hatte. Dennoch strahlte die Ruine noch immer eine gewisse Atmosphäre der Ruhe und des Friedens aus. Nun, da die Sonne durch die Baumkronen schien und das Grün der umgebenden Natur die grauen Steinmauern umrahmte, konnten sich die Hohen Herrschaften gut vorstellen, wie hier einst Priester, Novizen und Tommelsbeuger an diesem Ort der Gemeinschaft verweilten. Die Vögel, die die Ruine heute als Nistplatz gewählt hatten, trugen zur lebendigen Kulisse bei und, auch wenn sie nicht in der Lage waren, den Verfall aufzuhalten, hielten sie, ganz ohne es zu wissen, noch immer die Prinzipien Travias in Ehren: Heim, Familie, Fürsorge und Gemeinschaft.
Somit war die ehemalige Abtei Gänsehof ein Ort der Kontraste - zwischen der Schönheit der erwachenden Natur und dem langsamen Verfall eines einst wichtigen Gebäudes. Es war ein Ort, der die Vergänglichkeit des Menschen und seiner Werke in eindrucksvoller Weise darstellte.
Aleydis suchte nach einem Baum oder Strauch, an welchem er sein Pferd festbinden konnte. Kopfschütteln übersah er dabei die verfallenen und überwachsenen Mauern.
"Glaub’ ja nicht, dass wir hier irgendwas finden."
Schnell hatte Aleydis einen passenden Baum ausgemacht, an dem er sein Pferd festmachen konnte. Irminella von Eberbach und Drego hatten es ihm gleichgetan, wobei Drego das Festbinden Tamas, die Stute Ihrer Wohlgeboren von Eberbach, übernommen hatte. Je näher Aleydis daraufhin der Ruine kam, desto lauter wurde zunächst das Gezwitscher der Vögel, die kurz darauf dann letztlich doch ihr Heil laut protestierend in der Flucht suchten.
Aus der Nähe betrachtet machten die Ruinen im Grunde denselben Eindruck wie aus der Ferne, nur dass man von hier die verschiedenen Blumen, Pflanzen, Sträucher und Bäume voneinander unterscheiden konnte - so man denn wollte.
Drego schien sich offenbar tatsächlich für die Fauna hier zu interessieren. So kniete er sich hier und dort vor ein Gewächs, um es zu befühlen oder daran zu riechen. Den Ausruf des Gardehauptmanns schien er gar nicht vernommen zu haben, so vertieft war er in seine Betrachtungen - wobei er dessen Einschätzung ohnehin nicht geteilt hätte, bei dieser Fülle an Leben. Irminella hingegen schritt, nachdem sie Drego die Zügel ihrer Tama übergeben hatte, mit auf dem Rücken verschränkten Händen durch und über die Mauerreste. Hin und wieder blieb sie stehen und schien etwas auf dem Boden zu suchen, nur um dann wieder weiterzugehen. Erst, als sie an den Mauerresten vorbei ein wenig weiter in Richtung des Treuklinger Waldes geschritten war, verweilte sie ein wenig länger und trat mit dem Fuß gegen etwas auf dem Boden.
"Hier war auch mal was!", rief sie dann über die Schulter.
Gereon betrat als letzter die Wiese und musterte die Überreste. Sich sichtlich entspannend zog er sich die Kapuze seiner Gugel wieder vom Kopf und lauschte den anderen und den vielfachen Vogelstimmen in der Umgebung. Was seinen Argwohn offenbar so weit besänftigte, dass sich ein Lächeln in sein Gesicht schlich. Nahestehende hätten in diesem Moment ein leises Pfeifen vernehmen können, das den empörten Ruf einer aufgeschreckten Totenamsel nachahmte.
"Bei Travia, entschuldige bitte" flüsterte er vor sich hin.
Zwischen den überwucherten Mauerresten erkannte Gereon zwar Wildpfade, bisher schien sich aber nichts durch dieses Unterholz bewegt zu haben, was größer wäre als ein Eber. Der Ausruf Irminellas unterbrach seinen Gedankengang und brachte die Vorsicht zurück in sein Gesicht.
"Was genau meint Ihr euer Wohlgeboren?"
"Ein weiteres Gebäude, ebenfalls komplett verfallen", antwortete sie, ohne aufzusehen.
" Aber wesentlich kleiner."
Dann zuckte sie mit den Achseln und wandte sich zu den Herren um.
"War's das schon?"
"Ich denke nicht, Euer Wohlgeboren", antwortete Gereon.
"Ich meine wir sollten das Gelände einmal organisiert untersuchen und eventuell auch eine Nacht hier verbringen?"
Lauter und an die anderen gerichtet rief er:
"Was halten die Herren davon, das Gelände organisiert von Aves nach Efferd zu untersuchen und uns dabei eine Stätte für das Nachtlager auszusuchen?".
"Hmmm, von mir aus können wir das gerne machen!", pflichtete der Hauptmann dem Ritter bei, sein Gesichtsausdruck verriet im Gegensatz zu seinen Worten jedoch, dass er nicht viel von diesem Vorschlag hielt.
"Also, ich meine, wir sollten das Gebiet absuchen, ja. Wenn wir nichts finden, dann könnten wir es aber heute noch zurück zum Waldecker Hof schaffen!"
Unschuldig zuckte er mit den Schultern. Und machte sich daran, in die Richtung zu schreiten, die der Ritter ihm gewiesen hatte.
Auch Irminella willigte nur zögernd in Gereons Vorschlag ein.
"Auch ich würde vorschlagen, dass wir, sollten wir nichts finden, zum Hof zurückkehren. Dort können wir weitere Überlegungen, ohne dass wir von irgendwelchen Insekten gefressen werden", stellte sie missmutig fest, während sie mit der Hand nach irgendetwas in der Luft schlug.
Doch schickte auch sie sich alsdann an, das Gebiet systematischer zu untersuchen.
"Dann wollen wir es so halten edle Gefährten!", entgegnete Gereon mit einem schiefen lächeln.
"Ich bin überstimmt und will mich wohl einem weiteren Abend mit einem kühlen Waldecker nicht verschließen. Lasst uns noch sicher gehen und dann zurück Reiten zum Hof."

Drego indessen schien tatsächlich nur für den Fall mitgekommen zu sein, dass sich jemand verletzte. Noch immer beobachtete er die Flora und Fauna an diesem Ort beinahe laut- und reglos. Wenn er sich bewegte, dann eher ungezielt - er folgte einem Duft, einem Vogelflug oder einem Rascheln in einem nahegelegenen Strauch in der Hoffnung, etwas Spannendes zu entdecken.
"Also bei mir hier ist nichts!", rief Aleydis hinter einem großen Busch hervor, der ihn vollständig verdeckte.
"Es liegen nur überall verfluchte Steinbrocken herum, die von Gebüsch und Gräsern überwachsen sind. Richtige Stolperfallen sind das!", fügte er empört hinzu.
"Hier dasselbe. Herr Grabschaufler, habt Ihr mehr Glück?", fragte Irminella Drego, der einige Meter von ihr entfernt im Gras umherschritt. Als dieser nur mit einem: "Hm? Wie meinen, Euer Wohlgeboren?", antwortete, winkte sie ab.
"Herr von Hauerberg?"
Nur kurz nachdem Gereon begonnen hatte, das Gebiet zu durchkämmen, stieß er auf einen kleinen Schrein. Wobei Schrein beinahe zu viel gesagt war, denn das, was er hier fand, waren der Herrin Travia gefällige Opfergaben, die jemand auf einem Baumstumpf abgelegt hatte, in den man eine stilisierte Gans geschnitzt hatte. So lagen hier zwischen zwei teilweise herabgebrannten Kerzen, mit deren Wachs man selbige am Baumstumpf befestigt hatte, einige Kartoffeln und Möhren, sowie ein ganzer Kohlkopf.
"Nein, abgesehen von einem kleinen Schrein der Peraine, wie mir scheint, ist nichts erwähnenswertes; und das ist ein göttergefälliges Zeichen will ich meinen", antwortete Gereon.
"Nun gut! Meinem Argwohn ist Genüge getan, wollen wir seinen Niedergang mit einem guten Mahl und Trunk in Waldeck beschließen", lachte Gereon.
"Ich danke Euch für Euren Langmut!", fuhr er zwinkernd in die Runde fort.
"A-a-aba n-n-n-nich' anfass'n, ja!", tönte es plötzlich aus Richtung des Waldes.
Nur wenige Herzschläge später schälte sich ein eingefallenes Gesicht aus dem Blattwerk eines Baumes, das sich kurz danach als zu einem hageren Mann zugehörig entpuppte. Dieser machte sich unter lautem Ächzen daran, den Baum ein Stück herabzuklettern und blieb schließlich auf rund zwei Schritt Höhe auf einem dicken Ast sitzen und ließ die Beine baumeln.
"W-w-was wo-wo-wollt'n ihr hier an mei'm Sch-Schrein, hä?", stotterte der Mann in recht unhöflichem Ton.
Dabei entblößte er kurz seine lichten Zahnreihen. Das, gepaart mit seinen langen, wirr vom Kopf abstehenden Haaren, seinem ungepflegten, langen Bart und seine abgerissene Kleidung, erweckte den Eindruck, es mit jemandem zu tun zu haben, der keinen sonderlich großen Wert auf Reinlichkeit legte.
Mit weit aufgerissenen Augen lief Hauptmann Lartes um den großen Busch herum zu seinen Gefährten, wobei sein Blick nach oben auf den Baum gerichtet war, sodass er einmal kurz stolperte, sich davon jedoch nicht aufhalten ließ. Instinktiv ging seine Hand an seinen Schwertgriff, welchen er jedoch wieder fahren ließ, als es sah, dass der Mann auf dem Baum unbewaffnet war.
"Was zum...", entfuhr es ihm, als er näher kam.
Gereon sprang einen Satz weg vom Baum, als die Stimme des Mannes erklang, und fasste instinktiv seine Waffe mit beiden Händen. Er schien sich aber schnell wieder zu beruhigen und sprach den auf ihn herabblicken Mann mit säuerlicher Miene an.
"Die Zwölfe zum Gruße, Herr Baumschreck! Wir wollten auch nichts verändern. Ich dachte nur selbst an eine kleine Opfergabe, wäre das erlaubt? Immerhin ist es ein Schrein der Gütigen."
Wohl um seine guten Absichten zu bedeuten, lehnte Gereon sogar die Mordaxt an den nächsten Baum und beobachtete den Angesprochenen genau.
"Tut euch k-k-kein'n Zwang an."
Ächzend ließ sich der Mann nun vom Baum herab. Hierfür hielt er sich zunächst mit allen Vieren am Baum fest, löste dann die Beine und ließ diese einen Moment baumeln. Schließlich ließ er auch mit den Händen los und plumpste recht wenig elegant auf den glücklicherweise weichen Boden.
"B-B-Baumschreck heiß’ ich n-n-nich, ne! Severin is’ m-m-mein Name, Severin, jawohl!"
"Hallo, Herr Severin", sagte Gereon.
"Wir sehen uns hier im Auftrag des Barons nur etwas um."
Er drehte sich zur Seite und begann auf die Gefährten zu deuten.
"Das ist Ihre Wohlgeboren Irminella von Eberbach, Burgvögtin von Bösalbentrutz, das ist Aleydis Lartes, Hauptmann der gräflichen Garde, das ist Drego Grabschaufler bekannter und begnadeter Heiler und ich bin Gereon von Hauerberg, der Herr zu Auroth."
Mit den letzten Worten ging Gereon auf Severin zu und bot ihm seine Hand beim Aufstehen.
"Und was hat Euch hierher geführt?"
"Hoho! Ho-hoher Besuch, mhm. Ja, hoher B-B-Besuch."'_
Dann ergriff er die Hand und zog sich hoch.
"Danke."
Er klopfte sich mit seinen schmutzigen Händen ein wenig Dreck vom Hosenboden, bevor er weitersprach.
"Tu' hier m-m-mein' Dienst, jawohl! Pass' auf, d-d-dass er hier bleibt, mhm. W-w-wichtige Aufgabe."
Nach der Nennung seines Namens durch den Ritter hatte der Hauptmann dem Fremden kurz zugenickt. Sein Blick blieb trotz dessen Ausführungen allerdings skeptisch und immer wieder sah er sich um, so als erwarte er, dass gleich der Rest einer Räuberbande aus dem Dickicht hüpfen könnte, die aber ebensowenig auftauchte wie weitere, merkwürdige Personen - wobei dieser Severin wohl an Merkwürdigkeit für ein ganzes Dorf ausreichend war.
Nun trat auch Irminella an die Seite der Herren, selbst Drego hatte sich, offenbar neugierig geworden, vom Anblick der hiesigen Flora loseisen können und war der Vögtin gefolgt.
"Der hat sie ja wohl nicht mehr alle...", raunte Irminella ihrem Hauptmann zu, der bestätigend nickte.
Drego, der diesen Satz wohl ebenso vernommen hatte, stämmte die Fäuste in die Hüften und sah die Dame säuerlich an.
"Solcherlei Beleidigungen verbitte ich mir!", schimpfte er.
"Ja, schon gut, entschuldigt", gab Irminella überraschend kleinlaut zurück und hob abwehrend die Hände.
Aleydis war überrascht davon, dass der Herr Medicus der Hohen Dame so den Mund verbat, ohne dass diese darauf entsprechend reagierte, auch wenn die beiden sich wohlbekannt waren. Drego war schon einige Male auf Burg Bösalbentrutz zugegen gewesen - und nicht nur dann, wenn einer der Eberbacher fiebernd im Bett lag. Es war auch schon vorgekommen, dass selbiger mit der Burgherrin oder ihrem Gatten davon geritten und erst am Folgetag wieder aufgetaucht war - und die Hohen Herrschaften dabei jedes Mal auf Bedeckung verzichtet hatten. Über die genauen Gründe hüllten sich die Herren der Burg immer in Schweigen.
"Aber ist doch so!", nuschelte der Hauptmann daher kleinlaut vor sich hin, ohne dass der Medicus es hören konnte.

Severin hatte den Satz Irminellas wohl nicht vernommen, denn er lächelte nun erneut und trat auf Irminella und Drego zu, wohl in der Absicht, ihnen die Hand zu schütteln - zumindest legte der ausgestreckte Arm, mit dem er auf die beiden zuging, diesen Schluss nahe. Tatsächlich bezog Severin vor der Burgvögtin Stellung und hielt ihr die Hand hin. Diese machte allerdings nicht die kleinsten Anstalten den dargebotenen Gruß zu erwidern, sodass Drego in die Bresche sprang und die Hand stattdessen ergriff.
"Sehr erfreut, Herr... Severin, richtig?"
Der wiederum schüttelte kräftig Dregos Hand und nickte.
"Ja. Ja, genau. Ganz genau!"
Dann schaute er Irminella noch einmal irritiert an und blickte anschließend zu Gereon.
"Dann m-m-macht der Herrin mal eure A-A-Aufwartung, sonst w-w-wird's noch dunk'l."
Dabei klatschte er zweimal auffordernd in die Hände und nickte mit dem Kopf in Richtung des Baumstumpfes.
"Recht habt ihr."
Gereon ging kurz entschlossen zurück zu den Pferden und kam nach kürzester Zeit mit zwei gebundenen Beuteln zurück, in dem er zu kramen begann. Aus dem einen - ein einfacher Lederbeutel - entnahm er ein Paar Wirselkräuter. Aus dem anderen Beutel - gewebt und verziert - brachte er einige Münzen und Muscheln zum Vorschein, von denen er die zwei hübschesten Muscheln und einen Silbertaler auswählte. Als sich Gereon dabei der Blicke der anderen gewahr wurde hielt er ihnen grinsend die offenen Hände entgegen.
"Ich unterhalte mit den Kindern in Brinnmühle und Auroth einen regen Handel an Kräutern und schönen Muscheln, die ich dann gegen Naschwerk tauschen kann und die Schreine in Auroth zieren."
Aleydis Lartes hob abwehrend die Unterarme und die offenen Handflächen vor seine Brust, so als wollte er gar keine weiteren Details hören.
Während er sprach, begab sich Gereon zum Baumstumpf, ließ sich auf ein Knie hinab und verbrachte eine kurze Zeit in stiller Andacht, bevor er die Gaben auf den Stumpf verteilte. Er erhob sich, neigte nochmals das Haupt und kehrte zur Gruppe zurück.
"Nun, Herr Severin, Ihr sagtet, ihr haltet hier Wacht über jemanden, wenn ich euch recht verstanden habe? Von wem spracht ihr da, lebt hier noch jemand?"
Severin blickte nach oben und tippte sich wiederholt mit dem Zeigefinger der linken Hand an die Unterlippe. Dabei gab er ein leises Brummen von sich.
"Ja, ja und nein."
Dann kicherte er. Das brachte ihm einen offen missbilligenden Blick des Hauerbergers ein.
"Severin, jetzt werdet nicht schelmisch! Bei Praios drückt euch verständlich aus! Ihr antwortet einer Gesandtschaft des Barons!", sprach Gereon mit bestimmender aber ruhiger Stimme.
"Ja und nein, aber ihr wacht über 'jemanden'? Bedeutet was? Euer 'Mitbewohner' lebt nicht ständig hier? Geht es etwas klarer als irgendwas zwischen Hüter des Schreins, Zellenwächter, Tierbändiger oder Geisterbeschwörer?"
"H-h-habe ehrlich geantwortet. Ja, ich w-w-wache und ja, Ihr ha-ha-habt richtig verstanden. Aber n-n-nein, der über den ich wach l-l-lebt nicht. Nicht mehr. B-B-Beschwören? Geht s-s-sowas?"
"Aha!", entfuhr es dem Hauptmann, so als sei gerade ein Verdächtiger geständig gewesen.
Er reckte sein Kinn nach oben und hakte nach:
"Und warum lebt er nicht mehr?"
"W-w-weil'er gesch-sch-storben ist!", konnte sich Severin auch diesen Scherz nicht verkneifen.
"Jetzt Sch-sch-spukt'er hier rum!"
Er machte ein erstauntes Gesicht, indem er die Augen weit aufriss, die Brauen hob und den Mund rundete. Dazu wackelte er mit den Händen seitlich neben seinem Kopf.
"Uuuhh... buuuuh..."
Dann kicherte er wieder.
"Sag ich ja!", zuckte Irminella mit den Schultern.
"Nennt es, wie Ihr wollt, Meister Drego. Der Herr ist, wenn Ihr mich fragt, nicht bei Sinnen."
Dieser blickte die Burgvögtin fest an.
"Das habe ich auch mit keiner Silbe in Abrede gestellt. Lediglich die Art, wie Ihr über den Geisteszustand dieser armen Seele hier spracht, behagte mir nicht."
"Geschenkt", antwortete Irminella ein wenig zu schroff.
"Und weiter?", fragte sie dann an Severin gewandt.
Dieser wiederum schien noch immer mit seiner Interpretation eines Geistes beschäftigt.
"Buuh!", lachte er.
Aleydis Lartes schluckte kurz bei der Erwähnung der Spukgestalt, dann aber sammelte er sich schnell wieder und warf dem Verrückten entgegen:
"Ach, und warum ist er tot und spukt hier herum? Da habt ihr doch etwas mit zu tun, nehme ich an!"
"Ich?", wies Severin diese Unterstellung entrüstet zurück.
"Ich pass' auf, dass der Geist b-b-bleibt wo er is'! Isser bisher auch, also m-m-mach ich meine S-S-Sache gut, jawohl gut! Mhm. Das hab' ich dam-m-mit zu tun, ja. Aufpass'n, dasser nich' a-a-abhaut!"
Dann verschränkte er die Arme.
"Aber, aber Hauptmann Lartes, ich verstehe Euren praiotischen Eifer, aber denkt Ihr nicht, dass Herr Severin durchaus Anlaß gibt, ihn nicht sofort zu verdächtigen! Immerhin ist er ein götterfürchtiger Mann der sich aus freien Stücken zu seiner Wacht bekennt!", ergriff Gereon nun das Wort und gleichsam Partei für Severin.
"Und Ihr Herr Severin, seid so gut und sagt uns, wie es zu dieser Wacht kam und um wessen Geist es sich hier handelt. Sofern Ihr das wisst! Immerhin sind wir hier, um etwaige Gefahren für die Baronie und die Einwohner abzuwenden!"
Der Hauptmann zog die Augenbrauen krauß, nickte bei der nachfolgenden Frage an den sonderbaren Fremden jedoch zustimmend und sah diesen Severin, neugierig auf dessen Antwort wartend, an.
"S-S-So nämlich", antwortete Severin und nickte einmal bestimmt.
"Wenn ich hier n-n-nicht aufpassen würde, wer weiß… w-w-wer weiß?"
Dann lockerte er die Arme wieder und verzog das Gesicht, als müsste er angestrengt nachdenken.
"Also, wie er heißt, weiß ich nicht. Er r-r-redet nicht, sch-sch-schreit nur. Ist nämlich sehr, seeeehr wütend, wisst Ihr?"
Dann verzog er die Mundwinkel nach unten und zog ein wenig den Kopf ein.
"In seiner... Be-Be-Behausung steht eine Truhe, die w-w-wollte ich... anschauen, ja anschauen. Da isser au-au-aufgetaucht, seitdem isser da. Hä-hä-hätt' ich n-n-nicht gedacht, dass 'n Travia-Priester so w-w-wütend sein kann."
Aleydis malte mit seiner ausgestreckten rechten Hand hastig ein Schutzzeichen in die Luft. Dann sah er Irminella mit offenem Mund an, die mit verschränkten Armen und hochgezogener Braue auf Severin blickte, seitdem sie von Drego gemaßregelt worden war. Ob der neuesten Entwicklungen entfuhr ihr ein leises: "Hm.""'
Als sie den Blick ihres Hauptmannes sah, grinste sie.
"Die Sache ist soeben spannend geworden, nicht?"
Gereon hatte sich die Schilderung Severins schweigend angehört und nur durch ein kurzes Nicken zu erkennen gegeben, dass er ihm zugehört hatte. Er hatte nachdenklich seinen Unterkiefer vorgereckt und ohne erkennbar auf seine Umgebung zu reagieren, begann er unbewusst nach seinem Hals zu greifen und einen bisher verborgenen Anhänger durch seine Finger gleiten zu lassen. Ein daumengroßes Holzamulett, das einen Unterarm mit Hand darstellt die das Schutzzeichen der Peraine zeigt. Der 'Stumpf' des Armes war an den Seiten mit Ähren verziert und mit einer verzierten silbernen Kappe abgeschlossen, an die ein dünnes Lederband geknüpft war. Endlich schien er sich wieder seiner Umwelt zuzuwenden.
"Gut denn. Und woher wisst Ihr, dass er ein Travia-Priester ist? Und wo genau ist diese Behausung?", fragte er Severin mit skeptischem Blick.
"G-G-Ganz einfach. Er trägt noch immer die Ge-Ge-Gewandung eines Priesters!"
Er schaute dabei über die Schulter zu der Stelle, an der Irminella von Eberbach vor einigen Minuten ein weiteres, verfallenes Gebäude ausgemacht zu haben glaubte. Nun nickte er in die Richtung
"Dort gi-gi-gibt es eine F-F-Falltür, h-h-hab’ Steine draufgelegt, damit er nicht rausk-k-kommen kann."
"Ihr... Ihr... Ihr habt WAS getan?", rief Hauptmann Lartes reflexhaft aus und sah seine Begleiter fassungslos an.
"Na, Sch-Sch-Steine draufgelegt. Richtig f-f-fette Brocken, haha!", lachte er.
"Da kommt keiner raus!"
Triumphierend stemmt er die Fäuste in die Hüfte.
"So-So-Soll ich's Euch zeig’n?"
Hilfesuchend blickte Aleydis zu Gereon und Irminella, die ihre Hände ebenso wie Severin in die Hüften gestemmt hatte. Bei ihr war dies eher eine Geste des überraschten Amüsements. Diesen Eindruck vermittelte zumindest das leichte Grinsen, das auf ihren Lippen lag, während sie, eine Augenbraue gehoben, Severin immer wieder musterte. Ganz so, als versuche sie herausfinden, wie viel Wahrheit in den beinahe unglaublichen Schilderungen des offenbar verwirrten Baumbewohners lag. Gereons Gesicht dagegen zeigte seine vollständige Verblüffung ob dieser triumphalen Offenbarung. Er sah zu Irminella und zu Aleydis, dann zu Severin und setzte zum sprechen an:
"Öhm... bbfff...", war allerdings seine einzige Lautmalerei, die ihm entsprang, bevor er sich offenbar eines Besseren besann.
"Äh... gut. Zumindest kommt so niemand sonst in Gefahr... denke ich."
Etwas lahm und sichtlich darum bemüht, Irminellas erheiterte Miene zu ignorieren, wandte er sich dann direkt an Severin.
"Zeigt uns bitte die Stelle. Wir müssen dem nachgehen...?!"
Während er den letzten Satz beinahe als Frage betonte, drehte sich Gereon zu seinen Gefährten um und sah diese still fragend an.
Aleydis Lartes hatte mittlerweile sein Schwert gezogen, hielt dieses aber gesenkt. Als er den fragenden Blick seiner Begleiter bemerkte, beeilte er sich zu erklären:
"Ähm... für den Fall der Fälle!"
Dann richtete er sein Wort direkt an den Fremden und klang dabei bestimmt und wenig freundlich.
"Gehen wir. Du voraus!"
"Jawohl!", salutierte Severin recht unsauber und entblößte erneut sein ungepflegtes Gebiss in einem schiefen Lächeln.
"Is' nich' weit, mir nach!", bedeutete er den Hohen Herrschaften dann mit einem einladenden Wink zu folgen.
Drego trat kurz auf der Stelle und blickte von Irminella zu Aleydis und zurück. Die Burgvögtin brauchte offenbar keine weitere Einladung, denn sofort setzte sie sich mit einem Kopfnicken in Richtung Aleydis', das offenbar so viel bedeuten sollte wie: 'Los!', in Bewegung. Erst als nun die Vögtin losschritt, entschied sich auch Drego dafür, der Einladung Severins zu folgen und ging hinter Irminella her.

Nur kurz Schritten die auf Geheiß Seiner Hochgeboren zu Tommelsbeuge ausgesandten Herrschaften durch die Ruinen, bis sie wieder vor den wild verstreuten Steinen standen, die die Burgvögtin unlängst gefunden und als weiteres Gebäude ausgemacht hatte. Severin hob den rechten Zeigefinger - sollte das so etwas wie eine Zeichen zum Stehenbleiben sein? Er selbst schritt jedenfalls weiter, stieg über Steine, schob den ein oder anderen Busch auseinander, um sich hindurchzudrücken und blieb dann schließlich stehen.
"Hier!", rief er dann und bückte sich, wodurch er aus dem Blickfeld geriet, zu dicht waren hier die Büsche aneinandergereiht.
Lediglich ein Ächzen verriet, dass er noch an Ort und Stelle war.
Irminella war auf das Zeichnen Severins stehengeblieben, machte nun aber wieder Anstalten loszugehen und sich ebenso durchs Buschwerk zu drängen. Der noch immer misstrauische Hauptmann tat es ihr gleich, jedoch beschritt er, das Schwert noch immer in der Hand, einen leichten Bogen, um seitlich auf den offensichtlich Verrückten zugehen zu können. Gereon hatte sich hinter Aleydis eingereiht und kam - beinahe über einen losen Stein stolpernd - nun ebenfalls durch das Geäst geschritten, die Faust unbewusst wieder um den Schutzanhänger an seinen Hals gelegt.
Auf der anderen Seite des Gebüsches befand sich eine weniger dicht bewachsene Stelle. In deren ansonsten dicht bewachsener Grasnarbe sich eine mit Moos bewachsene Stelle abzeichnete, durch deren Oberfläche nasses Holz zu erkennen war. Offenbar die Bodenluke, auf die jemand mehrere Kopfgroße Steine aufgehäuft hatte. Der Anblick verwunderte Gereon erkennbar, schien doch noch unentschieden, ob die Luke unter dem Gewicht der Steine nicht eher zusammenbrechen würde, als dass die paar Steine geeignet wären, eine entschlossene Person davon abzuhalten, die Luke dennoch auf zu stemmen.
"Hm... jetzt gilt es meine Freunde. Wir müssen hinein, um Antworten zu erhalten."
Gereon ging entschlossen auf die Luke zu und begann damit, die ersten Steine aufzuheben.
Bei dem Wort 'Freunde' hatte Irminella beide Augenbrauen gehoben, aber nichts gesagt. Sie blickte, so wie der Tommelsbeuger Hofmedicus, mit verschränkten Armen vor der Luke. Drego hatte das Buschwerk mittlerweile einige Haare aus dem zum Dutt gebundenen Haupthaar gezogen, sodass seine Frisur nun mit Fug und Recht als wild zu bezeichnen war - ihn selbst schien dies allerdings nicht zu stören. Aleydis Lartes hingegen schien sehr konzentriert und sah sich, das Schwert fest im Griff, nervös um. Severin taperte aufgeregt hin und her.
"S-S-Seit ihr sicher? Nicht dass… da-da-dass der ausbricht! Dann wär' hier alles umsonst... alles u-u-umsonst!"
Bei dem letzten Satz hatte er sich die Hände vors Gesicht geschlagen.
Unbeirrt davon schaufelte Gereon die teils durchaus schweren Steine beiseite und legte so nach und nach die hölzerne Luke frei - die keine war. Jemand - vermutlich Severin - hatte eine Holzplatte über den Zugang in den unterirdischen Raum gelegt, der Zahn der Zeit hatte auch hier genagt. Diese war ebenso rasch beiseite geschoben wie zuvor die Steine, wobei Severin dabei ein gequältes Quieken von sich gab und sich noch immer das Gesicht mit den Händen bedeckte - immerhin schaute er mit dem rechten Auge zwischen den leicht gespreizten Fingern hindurch.

Beim Blick hinab sah man nicht sonderlich viel - lediglich ein mit einfachen Steinfliesen belegter Boden ließ sich erkennen. Eine Leiter war nicht zu sehen.
"Mutige voran!", meldete sich dann Drego wieder zu Wort, wobei er an Ort und Stelle stehen blieb - offenbar hatte er sich selbst schon einmal nicht gemeint.
Dem Hauptmann war die Situation offensichtlich nicht geheuer. Noch immer sah er sich nervös um und schien zu erwarten, dass aus dem nahen Waldrand eine Horde Diebe gestürmt kam.
"Soll er doch zuerst runter gehen", sprach er in die Runde, ohne dabei jemanden anzublicken.
Gereon blickte etwas säuerlich in die Schwärze und dann in die Runde, war aber entschlossen, jetzt nicht zurückzuweichen.
"Hat jemand ein Seil und ein Licht zur Hand?", fragte er in die Runde.
"Hmmmm, wenn ihr meint...", entgegnete Aleydis mit skeptischem Tonfall, ohne den Ritter dabei anzublicken.
"Ich hole ein Seil und eine Laterne."
Dann richtete Gereon seine Worte direkt an Severin:
"In welcher Richtung steht die Truhe da unten?"
"Wie meinen?", kam zur Antwort, während sich auf Severins Gesicht deutlich Verwirrung abzeichnete.
"W-W-Wie welche Richtung? Ihr g-g-geht da runter, dann gerade... geradeaus und dann... links, ne, rechts... oder, ne. Moment, doch!"
Er begann sich am Kopf zu kratzen und auf dem Boden blickend im Kreis zu drehen, offenbar, um sich zu orientieren.
Gereon verzog das Gesicht und kommentierte die Antwort leicht säuerlich:
"Na zumindest nicht hinter mir. Bei Phex, es wäre nur fein, wenn wir nicht ohne Rückweg ins Dunkel springen müssten... wie seid Ihr eigentlich da hinein und hinaus gekommen Severin?"
"Na, m-m-mit 'ner Leiter! Was glaubt ihr denn?", fragt er in einem Ton, der klarmachte, wie dämlich er die Frage zu finden schien. Zumindest ließen auch die ausgebreiteten Arme und der ungläubige Blick darauf schließen.
Unterdessen entfernte sich der Hauptmann vorsichtig und ging zu den Pferden, von wo er nach kurzer Zeit mit einem locker aufgerollten Seit über der Schulter sowie einer Laterne in der linken Hand - in der Rechen hielt er noch immer sein Schwert - zurückkehrte. Das Seil, es mochten gut acht Schritt sein, reichte er Gereon:
"Hier!".
Von der Ansprache überrascht drehte sich Gereon zum Hauptmann um und seine Miene hellte sich sichtlich erfreut auf.
"Ha! Aleydis! Euch hat Hesinde die Gabe der Vorausschau geschenkt! Habt Dank!"
Kurz entschlossen wurde das Seil an einem nahen Baum verknotet und Gereon begann sich in das Loch hinab zu lassen. Unten angekommen zog auch er einen Dolch von seinem Gürtel lauschte kurz und wandte sich dann nach oben.
"Werft mir bitte eine Lichtquelle zu! Einen Zunderbeutel hab ich."
Mit diesen Worten begann er an einer seiner beiden Gürteltaschen zu nesteln. Aleydis stützte sich mit seiner linken Hand auf seinem Knie ab, beugte sich etwas hinab und versuchte im Dunkel etwas zu erkennen.
"Habe nur eine Kerze", rief er entschuldigend hinab und sah sodann fragend zu Irminella und Drego.
Während Irminella mit den Schultern zuckte fühlte sich Drego offenbar angesprochen.
"Ich hätte eine Laterne bei meinen Sachen. Bringt aber ohne ordentliche Lichtquelle auch nicht mehr als die Kerze."
"Ha-Ha-Hab 'ne Fackel", warf dann Severin ein.
"Wollt’er die?"
Aleydis richtete sich auf und sah den fremden Kauz ungläubig an.
"Na, dann her damit!", fuhr er ihn unfreundlich an, was er zu bemerken schien und nach einer kurzen Pause immerhin ein: "Bitte!", ergänzte.
"Mo-Mo-Moment", antwortete er, als er davonstapfte.
Man hörte ihn noch ein wenig murmeln. Satzfragmente wie: 'gemein und unfreundlich' drangen noch an die Ohren der Zurückbleibenden. "Und?", drang Gereons Stimme von unten herauf. "Ich hätte auch noch trockene Birkenrinde in einer Satteltasche, falls nötig."
"Severin holt eine Fackel", kam es von oben von Drego zurück.

Wirklich weit konnte Gereon hier unten tatsächlich nicht sehen. Vielleicht drei, vier Schritt, bis der Gang, auf den er blickte, von der Dunkelheit verschluckt wurde. Linker Hand ließ sich gerade noch so ein Durchgang ausmachen - hier mochte vielleicht einst eine Tür in einen anderen Raum geführt haben. Lud die Dunkelheit hier unten schon nicht zum Verweilen ein, tat der Geruch sein übriges dazu. Die Wände der 'Behausung', wie es Severin vorhin nannte, waren einst holzverschalt gewesen, wovon heute nicht mehr viel übrig war - zurück blieb ein Geruch von Moder und Schimmel.
"Ich traue diesem Irren nicht", sprach Aleydis mehr zu sich selbst als zu den anderen und schüttelte dabei seinen Kopf.
Drego gab einen Zischlaut von sich, der verdeutlichen sollte, dass er diese Art abfälliger Formulierungen auch seitens des Hauptmannes nicht guthieß, sagte aber nichts. Irminella hingegen kommentierte Aleydis' Worte:
"Das müssen wir auch nicht. Wir schauen uns das dort unten an und Ende. Oder fürchtet Ihr etwas genaues?"
"Ein ungutes Gefühl. Mir ist die Sache nicht geheuer", antwortete der Hauptmann vage.
"Mir auch nicht", gab sie leise zu.
"Hilft ja aber nichts. Außerdem: wann trifft man mal einen waschechten Geist?", fragte sie dann grinsend. "Da kommt er, der Bekloppte...", sagte sie dann so leise, dass Drego sie nicht hören konnte.
Severin kam mit großen Schritten und besagter Fackel zurück und hielt zielstrebig auf den Hauptmann zu. Er hielt Aleydis die Fackel hin.
"Wie sagt man?", fragte er dann grinsend.
Zögerlich griff der Hauptmann mit der linken Hand nach der Fackel und bedankte sich knapp bei Severin, sah diesen aber mit zusammengekniffenen Augen noch immer skeptisch an.
"Immer froh wenn ich he-he-helfen kann!", antwortete Severin grinsend und verneigte sich theatralisch.
"Lasst Euch n-n-nicht zu Tode erschrecken!"
Mit der Fackel in der Hand trat Aleydis dann einen Schritt von dem Fremden zurück und rief über die Schulter zu Gereon hinunter:
"Habe eine Fackel. Wollt ihr diese selbst entzünden?"
"Ja, werft sie nur herunter!" rief Gereon.
Der Angesprochene wiederum tat wie geheißen.
"Ach, bleibt einer von euch oben und hält Wacht? Ich möchte ungern später hier fest sitzen, falls es zu einem Einsturz kommt... oder ähnlichem... dann können wir wenigstens hoffen, dass jemand Hilfe holt."
Gereon sprach eine bewusst lange Pause, die hoffentlich den anderen auffiel und verstanden wurde.
"Nun? Wer begleitet mich?"
Fragend sah Gereon zur Öffnung empor ins Gesicht von Aleydis, während er - wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen - zur selben Zeit die Fackel entzündete.
"Ich", antwortete die Vögtin trocken und seilte sich ins Loch herab. Dann blickte sie nach oben:
"Hauptmann!", rief sie. "Ihr seid dran."
"Dann halte ich wohl Wache", erhob daraufhin Drego das Wort, nicht ohne ein Grinsen auf seinen Lippen.
"Viel Glü… Erfolg!"
Aleydis blickte skeptisch zu Drego und sprach leise vor sich hin: "Keine gute Idee."
"Ich schaff’ das schon", wies Drego die Bedenken des Hauptmannes zurück.

Die beiden, die sich nun bereits unter der Erde befanden, konnten nach dem Entzünden der Fackel nun um einiges mehr erkennen als zuvor. Nicht nur linker Hand befand sich ein Durchbruch in der Wand, auch auf der rechten Seite fand sich ein solcher. Geradeaus mochte ebenfalls einmal ein Raum - oder zumindest einige weitere Schritte des Korridors, auf dem Irminella und Gereon nun standen - gewesen sein. Heute war dieser hintere Teil des Erdgewölbes komplett verschüttet.
Von oben drang die Stimme des Hauptmanns herab, der noch einmal nachhakte:
"Euer Wohlgeboren, seid Ihr sicher, dass niemand hier oben bleiben sollte, der Gefahren abwehren kann?"
"Guter Einwand. Schickt den Medicus runter", änderte sie daraufhin ihre Anweisung.
"Och nö...", kam es mit hängenden Schultern von selbigem.
"Muss ich wirklich?"
"Los, Grabschaufler!", insistierte Irminella.
"Na dann, viel Glück", sagte er noch zu sich selbst, bevor er sich abseilte.
Aleydis konnte ein zufriedenes Grinsen nicht unterdrücken, als er dem Medicus dabei zusah, wie dieser sich abseilte.
"Ich halte hier die Stellung und sorge dafür, dass der Zugang offen bleibt. Keine Sorge!", rief er Drego nach.
Allerdings vergaß er dabei nicht, auch den Fremden im Blick zu behalten.

Währenddessen sah sich Gereon unten mit säuerlicher Miene um.
"Zwei Gänge... natürlich... nicht weiter erwähnenswert...", murmelte er, um dann mit lauter Stimme fortzufahren:
"Nun es bleibt uns nicht erspart, uns näher umzusehen, Euer Wohlgeboren. Wollt Ihr vielleicht die Richtung wählen?"
"Das ist im Grunde einerlei, nicht? Irgendwo müssen wir dennoch beginnen, also links", antwortete sie dann bestimmt und ging voran.
Drego drückte sich noch eine Weile in dem Teil des Schachtes herum, in den noch die Strahlen des Praiosmales schienen, bevor auch er losging.
"Nun denn."
Gereon hielt die Fackel vor sich etwas in die Höhe damit der Raum ausgeleuchtet wurde und begleitete Irminella und Drego durch den Durchgang.

Während seine Gefährten in den alten Gewölben der Abtei nach Hinweisen suchten, war Aleydis nun dazu verdammt, hier oben zusammen mit diesem Verrückten Wacht zu halten. Aber alles war besser, als unter der Erde in alten, vermutlich halb eingestürzten Gemäuern umherzukriechen. Und falls es sich um eine Falle handelt, dann wäre er dort unten hilflos. Instinktiv wich er einen Schritt von Severin zurück und auch sein Griff um das Schwert wurde fester. Nachdem die Distanz zu dem Fremden groß genug war, dass dieser ihn nicht mit einigen schnellen Schritten erreichen konnte, sah der Burghauptmann sich um. War irgendwo eine Bewegung zu erkennen?
Aleydis überblickte das Dickicht, in dem sie mittlerweile standen - nicht dicht genug, um nichts mehr sehen zu können, aber doch so, dass man aufpassen musste nicht zu stürzen, wenn man sich zu schnell bewegte. Auf diesem Untergrund würde man zwar vor den wachsamen Augen des Hauptmannes guten Schutz finden, wollte man sich anschleichen, doch müsste man ein wahrer Meister sein, keine verräterischen Geräusche zu verursachen. Also lauschte Aleydis, konnte aber bis auf die üblichen Geräusche, die die üppige Vogel- und Insektenwelt hier am Spätnachmittag verursachte, nichts alarmierendes hören.
Severin schien nervös. Er taperte um den Eingang in die unterirdischen Gewölbe herum, blickte immer wieder hinunter und wrang stetig seine Hände. Aleydis folgte den Bewegungen des Fremden mit skeptischen Blicken.

All das bekamen die Herrschaften unter Tage nicht mit. Irminella führte den kleinen Spähtrupp in den nach links abgehenden Gang, den Gereon mit seiner Fackel rasch ausleuchtete. Es fanden sich hier zwischen vermodernden Säcken noch Holzreste, die einstmals zu einem Schrank gehört haben mochten - doch keine Kiste oder gar Truhe.
"Müsste die nicht sowieso längst genauso verwittert sein, wie der Rest hier unten?", schoss es der Vögtin durch den Kopf.
"Kein Geist, hehe", kicherte Drego ein wenig blöde, ein deutliches Zeichen für seine Nervosität. Oder hatte er sogar Angst?
"Kein Geist", wiederholte Irminella und wollte gerade einen Schritt in Richtung des anderen Ganges machen, als ein leises Seufzen durch den Raum hallte...

Irminellas Kopf rückte suchend umher, während Drego zusammenfuhr wie unter einem Peitschenhieb. Dann stammelte er immer wieder vor sich hin:
"Guter Geist, lieber Geist..."
Gereon fuhr ebenfalls erschrocken zusammen und griff mit der freien Hand nach dem Peraine-Amulett um seinen Hals - das er fest in seine Faust einschloss. Sein durchdringender Blick versuchte die Quelle des Stöhnens ausfindig zu machen. Er atmete hörbar aus und begann sichtlich angestrengt jeden Winkel des Raumes mit der Fackel auszuleuchten, während er leise murmelnd immer wiederholte:
"Herrin, gewähre uns Deinen Segen. Schütze uns vor Gefahren für Leib und Seele...".
Hin und wieder erklang zusätzlich ein: "Darum bitten wir Dich", während er sich alarmiert durch den Raum bewegte.
Irminella tat es ihm gleich, nur dass sie nicht betete - zumindest nicht laut. Drego hingegen schien offenbar nach wie vor wie vom Donner gerührt. Er stand noch immer wie festgewurzelt am selben Ort, an dem er stand, als der Seufzer durch das Gewölbe hallte. Nach einigen Herzschlägen war der Raum durchsucht, jede Ecke einmal ausgeleuchtet, doch gefunden hatten die Hohen Herrschaften nichts. Doch, Moment! War da nicht schon wieder so ein Geräusch? Die eiligen Schritte und die vom Schreck schnellere und lautere Atmung überdeckten es fast - aber, ja! Da war es wieder... und es kam aus dem Raum gegenüber!

Mit versteinerter Miene betrachtete Gereon den Durchgang und schien still mit sich zu ringen, bevor er sich in Bewegung setzte um den Türbogen zum nächsten Raum zu durchschreiten.
"Die Zwölfe zum Gruße, Peraine anempfohlen", stieß er dabei mehr wie eine Beschwörung denn eine Begrüßung aus.
"Was macht ihr da unten denn?", rief Aleydis durch die geöffnete Luke hinab in die Düsternis des alten Gewölbes, nachdem er eine Weile keine Stimmen mehr gehört hatte.
Drego und diesmal auch Irminella fuhren zusammen, als die Frage des Hauptmannes die Stille zerriss. Irminella atmete erleichtert aus, als sie die vertraute Stimme rückwirkend erkannte, Drego hingegen griff sich noch immer schwer atmend mit großen Augen an die Brust.
"Das ist zu viel... viel zu viel...", stammelte der Medicus vor sich hin.
Irminella hatte sich offenbar wieder im Griff und schritt, zaghaft zwar, doch trotz alledem zielstrebig auf den gegenüberliegenden Raum zu, dicht hielt sie sich hinter Gereon und beobachtete aufmerksam die Umgebung.

Mit einem Mal wirbelte Staub auf, bließ den beiden Tapferen direkt ins Gesicht. Beinahe zeitgleich wurde die Stille erneut zerrissen, ein gellender Schrei dröhnte in den Ohren und trieb den Schrecken erneut in die Glieder der Anwesenden.
"HAUT AB, ELENDES RÄUBERPACK! HAUT AAAAAB!", donnerte eine Stimme, die von überall zugleich zu kommen und körperlos zu sein schien.
Gereon sackte vor Schreck auf die Knie und versuchte panisch mit einer Hand den Dolch aus der Scheide zu ziehen. Bevor ihm das durch seine gebückte Haltung aber gelingen konnte, schien er sich wieder zu besinnen und hielt sich stattdessen mit beiden Händen die Ohren zu. Dann richtete er sich unter sichtbarer Anstrengung wieder auf, nun wieder eine Hand um sein Amulett zur Faust geballt, und blickte in Richtung der Gefährten und Dregos Rufen.
"Nein... nein, nein, nein!", hörte man diesen rufen.
Er rannte zurück zum Seil, wo er im immer schwächer werdenden Sonnenlicht stehen blieb und panisch nach oben schaute.

Oben wich Severin brabbelnd und mit nackter Angst in den Augen vom Loch zurück.
"Er ist es! Er ist es!"
Immer weiter schritt er rückwärts, bis er stolperte, auf den Hosenboden fiel und einfach sitzen blieb.
"T... T... Travia hilf!", rief er aus und verbarg sein Gesicht in seinen Händen.
Aleydis wandt sich nach den Rufen erschrocken zu Severin um und hielt diesem sein Schwert entgegen.
"Komm’ nicht auf dumme Gedanken!", zischte er ihn an und als er sah, dass der Fremde auf seinen Hosenboden fiel, schob der Hauptmann hastig sein Schwert in die Scheide am Gürtel und blickte nach unten in das Loch.
Als er dort Drego sah, rief er hinab:
"Haltet Euch fest!", um dann sogleich das Seil zu packen und den Medicus hinauf zu ziehen.
Kaum hatte er Aleydis Aufforderung vernommen, hatte sich Drego fest ans Seil geklammert - so fest, dass seine Fingerknöchel ein blutleeres Weiß annahmen. Kurze Zeit später kam erst der Arm und schließlich nach und nach der ganze Medicus wieder zum Vorschein. Oben angekommen ließ er das Seil los, rollte sich schwer atmend auf den Rücken und murmelte tonlos vor sich hin. Aleydis warf sogleich das Seil wieder hinab, griff dann nach dem Medicus und versuchte ihm auf die Beine zu helfen.
"Was ist passiert? Was ist los? Sagt doch!", redete er aufgeregt auf Drego ein und warf dabei immer wieder einen Blick hinab in die Tiefe.
Drego ergriff die dargebotene Hand und ließ sich aufhelfen - nur um dann die Arme auf den Knien abzustützen und mit weit übergebeugtem Oberkörper hörbar tief zu atmen. Offenbar eine Methode zur Beruhigung, denn nach einem halben Dutzend dieser Atmenzüge hatte er sich sichtlich beruhigt. Dennoch war in seiner Stimme noch deutliche Aufregung zu hören, als er sprach:
"Er... er ist da unten. Der Geist."

Tatsächlich konnten sich Irminella und Gereon, die noch immer in den Gewölben standen, auch keinen anderen Reim auf das soeben Geschehene machen. Der sonst so ruhig und besonnen auftretenden Irminella stand der Schrecken noch immer ins Gesicht geschrieben, als sie Gereon ansah.
"Dann ist es wohl nun an uns beiden. Seid Ihr bereit? Auf drei gemeinsam in den Raum?", fragte sie mit leichtem Zittern in der Stimme.
"Bereit!"
Zu mehr war Gereon, der sich sichtlich zusammenreißen musste, offenbar nicht in der Lage. Nur um kurz darauf fragend hinzuzufügen:
"Äh... reden oder kämpfen?"
"Das sehen wir dann", presste Irminella hervor.
"Also gut. Eins... Zwei... Drei!"
Wie verabredet stürzte sie nun über den Gang in den Raum hinein, den die Hohen Herrschaften bislang noch nicht untersucht hatten. Gereon folgte Irminella dicht auf und rannte beinahe in Ihren Rücken, als er in den Raum stürzte, eine Hand immer noch fest um sein Armulett geklammert. Sie war inmitten des Raumes stehen geblieben, ihr Kopf ruckte suchend umher, die Hand auf dem Knauf ihres Schwertes - offenbar war sie bereit, es jederzeit aus der Scheide zu ziehen.
"Wo... wo bist du?", rief sie zaghaft und mit noch immer bebender Stimme.
"Zeig dich! Komm raus!", setzte sie nach.
Doch nichts geschah. Niemand zeigte sich, niemand schrie. Wieder war es totenstill und der Raum genauso trostlos wie der gegenüberliegende - mit dem einzigen Unterschied, dass hier ein kleines, im Lichtschein der Fackel glänzendes, metallenes Kästchen in einer Ecke des Raumes lag. Als hätte es jemand achtlos weggeworfen und noch einmal kräftig draufgetreten, denn es zeigte eine deutliche Delle, die man selbst auf die drei Schritt Entfernung sehen konnte, die Irminella und das Kästchen trennten, fügte es sich gut ein in diesen vergessenen Ort. Mit einem Kopfnicken deutete Irminella darauf und fragte:
"Ob es das ist?"
Im ersten Moment nicht auf die Ansprache reagierend, musterte Gereon mit einer Mischung aus Furcht, Verblüffung und Nachdenklichkeit den Raum, um dann seine Anspannung blubbernd und schnaubend wie ein Pferd entweichen zu lassen.
"Wisst Ihr, Euer Wohlgeboren, ich war als Page an der Trollpforte. Weit entfernt, aber in Sichtweite des Walls. Ich habe nicht einmal gekämpft! Nur...", Gereon machte eine Pause und schien, um Worte zu ringen, dann fuhr er fort: "... Pagendienste verrichtet. Und doch gibt es im Götterlauf Tage, an denen ich keine Ruhe finde."
Nach einer weiteren Pause sprach Gereon wie zu sich selbst:
"Und das hier fühlt sich anders an."
Dann schien er wieder ins Hier und Jetzt zu finden, blickte und blickte Irminella an.
"Es sieht eher so aus, als hätte Severin versucht, das Kästchen, genannt 'die Truhe' mitzunehmen und hätte sie dann aus Angst weggeworfen!"
Um so mehr er redete, um so mehr schien Gereon seine Haltung zurückzugewinnen.
"Woher hätte er von dem Geist wissen sollen?"
Das laute Nachdenken schien Ihm dabei zu helfen, sich zusammen zu reißen.
"Nennt mich verrückt, aber das Einzige was mir einfällt, ist, dass wir versuchen uns vorzustellen, unsere Intention darzulegen und den Geist im Namen der Göttin auffordern uns zu begegnen?"
Gereon zuckte die Schultern.
"Ich meine, wäre der Geist rachsüchtig oder gefährlich, hätte er Gelegenheit gehabt, uns anzugreifen. Aber ein Geist in der Gewandung eines Travia-Geweihten, der uns Diebe schimpft, scheint mir eher... defensiv? Was meint Ihr?"

"Vögtin? Herr Ritter?", schnitt die Stimme Aleydis' von oben kommend laut hallend durch die Stille der Katakomben, noch bevor Irminella etwas antworten konnte.
"So antwortet doch! Benötigt ihr Hilfe?"
"Kommt runter, Aleydis!", rief die Vögtin zur Antwort zurück, ohne auf Gereons Monolog einzugehen.
Der Hauptmann presste einen Fluch zwischen seinen Zähnen hervor, den Drego nicht verstehen konnte. Dann blickte er dem Medicus, der noch immer um Atem ringend neben ihm stand, direkt in die Augen.
"Lasst Euch von diesem Irren dort...", er wies mit seinem Schwert in die Richtung, in der Severin auf dem Boden kauerte, "...nicht übertölpeln! Wenn er euch überwältigt, dann sind wir verloren!"
Aleydis sah noch einmal kurz auf seine rechte Hand, die nunmehr zitternd sein Schwert hielt, ehe er dieses kurz entschlossen Drego vor die Füße warf.
"Hier, nehmt das!".
Dann ging er in die Hocke, nahm das Seil auf und ließ sich dann ganz langsam in die Tiefe hinab. Das letzte, das Aleydis sah, bevor sein Kopf die Grasnarbe unterschritt war Drego, der mit angewidertem Gesichtsausdruck das Schwert aufhob und es kurz in Händen wog.
"Werd’ ich nicht brauchen!", rief er Aleydis hinterher und erhielt als Erwiderung eine derbe Verwünschung aus der Tiefe.

Unten angekommen stieg nun auch Aleydis der Geruch nach Moder und Schimmel in die Nase. Die Dunkelheit, in die er blickte, als er in den Gang hinein blickte, war für die ersten Herzschläge allumfassend. Doch gab sie, nachdem sich die Augen des Hauptmannes ein wenig an die Düsternis gewöhnt hatten, ihre Geheimnisse preis: ein verschütteter Gang geradeaus und je ein Durchgang linker wie rechter Hand. Es lag eine beinahe fühlbare Stille in der Luft, lediglich aus dem Raum, der sich an den Durchgang auf der rechten Seite befinden musste, hörte Aleydis leise Schritte. Er zog ein langes Messer aus einer kleinen Scheide an seinem Rücken, hielt dies mit ausgestrecktem Arm vor sich und sprach, beinahe schon flüsternd, in den Durchgang:
"Vögtin? Herr von Hauerberg?"
"Rechter Gang!", hörte er die bekannte Stimme der Vögtin flüstern.
Dann hörte der Hauptmann, dass sie weiter flüsterte, jetzt aber offenbar nicht mehr ihn meinte:
"Gute Theorie. Guter Ansatz. Versucht es Gereon.", ging Irminella schließlich doch noch auf die zuvor geäußerte Idee des Hauerbergers ein.
In der Anspannung hatte sie auf die korrekte Anrede verzichtet und den Hohen Herren von Hauerberg mit dem Vornamen angesprochen. Gereon nickte nur knapp und atmete tief ein. Dann begann er zu brüllen:
"BEI ALLEN ZWÖLFEN! Wer wagt es, Ihre wohlgeborene Hohe Dame Irminella von Eberbach und mich als DIEBE zu VERLEUMDEN? In Travias Namen! Wir sind hier auf Geheiß des BARONS PERSÖNLICH, um das Kloster zu besichtigen! Wer WAGT es wider das Gastrecht, Besucher so zu verleumden? Ich bin Gereon von Hauerberg, Hoher Herr und Amtmann von Auroth! Zeigt euch und steht mir Rede und Antwort!"
So plötzlich sein Gebrüll begonnen hatte, so abrupt endete es. Unter Schweißnassen Strähnen, blickte Gereon Irminella kurz an und nickte Ihr zu. Dann lauschte er gespannt in die Dunkelheit. Irminella hatte Gereon mit großen Augen angesehen, als dieser zu schreien begann. Sie hatte sich ihre Vorstellung und das Erklären ihrer Intention ein wenig weniger... aggressiv vorgestellt.
"Einerlei. Hoffentlich hat er Recht mit seiner Theorie...", dachte sie noch und harrte dann der Dinge, die da kamen.
Und wie sie kamen...

Zunächst in Form einer ebenso laut donnernden Antwort auf die lautstark vorgetragene Forderung Gereons.
"IHR DRINGT EIN IN MEIN HEIM UND WAGT ES VON GASTRECHT ZU SPRECHEN? ANMAẞENDES RÄUBERPACK!"
Kurz wallte zu Füßen Staub auf, dann war es wieder still. Irminella wankte ein paar Schritte rückwärts, starrte weiter in die mäßig erhellte Dunkelheit, als sich ihre Augen plötzlich vor Schreck weiteten. Unweit der Stelle, an der sie eben gestanden hatte, schälte sich eine Gestalt aus der Finsternis, als würde sie einfach aus dem Nichts geboren. Er war es! Er musste es sein! Die Gestalt schwebte rasch auf die Vögtin zu und brüllte erneut:
"VERSCHWINDET HIER!"
Der Geist verzog das junge Antlitz, das zu Lebzeiten sicher keine zwanzig Götterläufe gesehen haben mochte, zu einer fürchterlichen Fratze. Irminella blieb beinahe das Herz stehen, sie wankte weitere Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken an einer der Wände stand und schützend eine Hand vors Gesicht hielt. Während sie offenbar das ausgemachte Ziel des Spuks und demnach viel zu verschreckt war, um auf das Aussehen der Erscheinung zu achten, hatte Gereon dazu eine bessere Gelegenheit.
Die Erscheinung hatte die Gestalt eines jungen Mannes, der die Kleider eines Gänsleins trug. Das einst durchaus hübsche Gesicht war nun von Zorn entstellt, einer wütenden Fratze gleich. Das Wesen war vollständig durchsichtig, seine Silhouette wirkte unscharf. Fast schien es, als würde es an den Rändern der Silhouette ausfransen, Nebelfingern gleich, die ein sanfter Windhauch ergriffen hatte - und doch blieb es in Größe und grober Kontur konstant. Gereon konnte sehen, dass die Vögtin schwer verängstigt war, ihr Brustkorb hob und senkte sich in ungewöhnlicher Geschwindigkeit.
Der Hauptmann war ob des lauten Rufens ebenfalls in den Raum geeilt und stand nun wie angewurzelt im Durchgang. Sein Messer hatte er fest umklammert und von sich gestreckt. Sein Blick ging starr zu der Gestalt, die sich Irminella näherte und Aleydis schien für einen Moment unfähig, sich zu rühren.
Mit entsetztem Gesicht hatte Gereon die Szene verfolgt und brachte sich kurz entschlossen zwischen den Geist und Irminella - die er einfach zur Seite schob. Mit einer Hand das Schutzamulett der Peraine vor seiner Brust haltend, sah er den Geist direkt an.
"Verzeiht mir meine Grobheit, Euer Ehren, aber wir sind in der Tat nicht daran gewöhnt, als Diebe tituliert zu werden. Es tut mir Leid, wenn Ihr bestohlen wurdet. De facto kamen wir aber hierher, um diesen Vorfall zu untersuchen. Jetzt, da wir Eure Aufmerksamkeit haben, schlage ich vor, dass Ihr uns den Diebstahl einmal schildert, damit wir den wahren Tätern habhaft werden können."
Gereon trat zu der am Boden liegenden Kiste, machte aber keinerlei Versuch, diese aufzuheben. Stattdessen neigte er den Kopf in Richtung des Geistes.
"So lasst es uns noch einmal versuchen. Unsere Namen kennt Ihr ja bereits. Mit welchem Namen sollen wir Euer Ehren ansprechen?"
Irminella hatte sich problemlos beiseite schieben lassen, noch immer stand sie offenbar unter Schock und rührte sich auch dann nicht, als sie mit großen Augen nun seitlich des Geistes mit dem Rücken an der Wand lehnte. Selbiger hielt einen Moment inne und blickte Irminella nach, dann aber Gereon genauso hasserfüllt ins Gesicht, wie er es zuvor bei der Vögtin getan hatte - dann lachte er schrecklich und triumphal.
"Gestohlen? Mir? Nein! Ich habe bislang jedweden Dieb vertrieben! Die Bande vor einiger Zeit genauso wie den einzelnen Mann! Allesamt sind sie geflohen! Gut, ohne Rurik hätte ich die Bande nicht in die Flucht geschlagen, aber dennoch! Wo ist er? Er müsste bald zurück sein!"
Der Ton, den der Geist nun angeschlagen hatte, war ein wenig leiser, aber nicht minder hart. Bei der Erwähnung des Namen 'Rurik' und dessen baldiger Rückkehr, hatte er sich kurz suchend umgesehen und sich wie beiläufig an die Hüfte gefasst. Als Gereon dieser Geste unweigerlich mit dem Blick folgte, erkannte er, dass die Kleidung, die der Geist trug, an dieser Stelle zerfetzt war. Darunter erahnte man eine klaffende Wunde, die wohl ein Schwert geschlagen haben musste - schemenhaft zwar wegen der unwirklichen Beschaffenheit des Körpers des Verstorbenen und des flackernden Fackelscheins, aber dennoch deutlich.
"Ich wusste es, eine Diebesbande!", entfuhr es dem Hauptmann, der daraufhin seine linke Hand vor den Mund schlug, als wolle er die unbedacht gesagten Worte wieder zurückschieben.
Gereon wies dem Geist mit offener Hand stehen zu bleiben, bis ihm die Sinnlosigkeit der Geste selbst auffiel und er den Arm lahm wieder senkte.
"Rurik? Uns kam zumindest niemand entgegen. Ihr wurdet also angegriffen?"
Er wandte sich Irminella zu.
"Euer Wohlgeboren, könnte Hauptmann Aleydis nicht nach den Räubern suchen?"
"Was?", fragte die Vögtin recht flapsig zurück.
Offenbar war sie noch dabei gewesen sich zu sammeln und ihr Blick war mehr nach Innen denn nach Außen gerichtet. Ihre Konzentration hatte der Beruhigung ihrer Atem- sowie Herzschlagfrequenz gegolten.
"Rurik?", fuhr sie fort, ohne die Frage zu beantworten oder Gereon die Möglichkeit zu geben, sie zu wiederholen.
"Wie... Rurik von Fischwachttal?", fragte Irminella schließlich zögerlich.
"Ja! Wer sonst!", blaffte der Geist sie daraufhin an.
"Lässt sich ordentlich Zeit, der feine Herr! Wo der wohl Hilfe holt! Am Ende rettet er nur sich, lässt sich’s gut gehen, sich vernähen und lässt mich siechend zurück, so wird’s kommen. SO WIRD'S KOMMEN!"
Die Stimme der Erscheinung war während des kurzen Monologes immer lauter geworden, die letzten Worte schrie sie erneut. Doch diesmal zog Irminella nicht den Kopf ein, erschrak auch nicht - den Ausbruch hatte sie wohl kommen sehen. Vielmehr nutzte sie die Lautstärke des Geistes, um Gereon zu zuraunen:
"Über einhundert Jahre tot..."
"Potztausend!", rief Aleydis aus und man konnte im Fackelschein erkennen, dass er sich innerlich für diesen Ausruf schalt.
Dann ging er einen kleinen Schritt zurück und hielt den Geist im Blick. Er rang ganz offenkundig mit sich, ehe er seinen Blick senkte und mit seiner hohen Stimme zu sprechen begann:
"D... das heißt, Ihr... Ihr versteckt Euch hier, bis Hilfe kommt?".
Gereon hatte das Flüstern von Irminella mit enttäuschter Miene vernommen, die sich im Laufe der anschließenden Konversation aber sichtlich aufzuhellen begann. Letztlich blinzelte er Irminella in einem unbeobachteten Moment zu, bevor er mit sehr nachdenklicher Miene zum Sprechen ansetzte.
"Nein so wird es - zumindest jetzt wo wir hier sind - nicht kommen! In Praios Namen, mir scheint, hier weiß die Rechte nicht, was die Linke tut!"
Er wandte sich direkt an den Geist:
"Euer Ehren, scheint es Euch nicht auch auffällig, dass wir vom Baron gerade in der Zeit entsandt werden, um...", Gereon stockte kurz, "'"...im Kloster nach dem Rechten zu sehen, während Ihr hier auf Hilfe wartet?"
Er wandte dem Geist den Rücken zu und Schritt hinüber zu Aleydis, um diesen eindringlich indirekt in die Augen zu blicken und kurz zu nicken, bevor er sich wieder zu dem Geist umdrehte und weitersprach:
"Begleitet von einem Gardehauptmann und ... Weiteren? Ein arger Zufall, will mir scheinen. Mir dräut eher, dass Euer Gefährte zu verletzt war, um genauere Angaben zu machen, weswegen wir mit unbestimmter Weisung entsandt wurden."
Der Geist schwebte nun ganz dicht an Aleydis heran, der wie angewurzelt da stand und sich nicht einmal traute, zu atmen. Wäre der ehemalige Novize noch am Leben, hätten sich seine sowie die Nase des Hauptmannes wohl berührt.
"ICH VERSTECKE MICH NICHT! ICH VERTEIDIGE DIESE ABTEI NOCH IMMER! BIS AUFS LETZTE WERDE ICH SIE VOR PLÜNDERERN VERTEIDIGEN!", brüllte er, um unmittelbar danach zu verschwinden und drei, vier Herzschläge später hinter Gereon aufzutauchen, den er mit gesenkter Stimme, einem Knurren gleich, ansprach:
"Der Baron, hm? Woher weiß ich, dass das keine Lüge ist, um mich auszuspielen?"
In seinem Blick lag nun das erste Mal etwas anderes als Wut - misstrauisch taxierte er den Hohen Herren von Hauerberg. Gereon versuchte den Blick seines Gegenüber einzufangen, was ihm - dessen durchscheinender Gestalt geschuldet - aber nicht gelingen wollte. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, blickte den Geist an und zuckte die Schultern.
"Was erwartet Ihr für einen Beleg? Welchen Sinn hätte eine Täuschung, wo wir Euch drei zu eins über sind und Ihr verwundet!", er zeigte auf die Wunde an der Seite bevor er fortfuhr:
"Als wir hierher kamen, war ich nicht darauf vorbereitet, meinen Leumund nachweisen zu müssen. Wenn Euch der Name oder das Wort derer von Eberbach oder derer von Hauerberg nicht genügen, oder das Wort eines Gardehauptmannes, was wäre dann ausreichend?"
Gereon kniff die Augen zusammen.
"Aber sagt mir, warum sollten wir Euren Worten glauben schenken? Mir liegt es fern, Eure tapfere Haltung gering zu schätzen, aber bisher habt Ihr nichts getan, außer unsere Ehrhaftigkeit in Frage zu stellen."
Er blickte dem Geist nun offen ins Gesicht.
"Etwas, das ich selbst einem hohen Bruder der Traviakirche nicht einfach durchgehen ließe und Ihr seid bisher der Einzige der noch Namen... los... ist..., Euer Ehren. Was außer der Situation und Eurem Wort spricht also für Euch? Mir will scheinen ebenso viel wie für uns!"
Während Gereon gesprochen hatte, war der Geist ein Stück zurückgewichen. Dass er den mutmaßlichen Räubern heillos unterlegen war und nun nicht einmal mehr Rurik an seiner Seite hatte, ließ ihn in seinem Mute offenbar deutlich wanken. Er griff sich erneut an seine Wunde, wich noch einige Finger zurück und entschwand schließlich mit einem lauten Heulen, das gar nicht mehr so wütend klang - eher klagend und voller Furcht.

Kurz war es still, doch dann hörte man die Stimme des Novizen erneut. Diesmal kam sie aus dem Gang hinter den Hohen Herrschaften. Als diese gemeinsam wieder auf den ehemaligen Flur traten, sahen sie den Geist auf dem Erdhaufen des verschütteten Ganges liegen. Er hatte nun beide Hände auf die Wunde gepresst, seine Stimme klang nun noch dünner, noch ätherischer.
"Bitte... so Ihr die Wahrheit sprecht, helft mir in Travias Namen und schützt dies' Gemäuer! Ich weiß nicht, ob ich es schaffe, ich... bin so unendlich müde!"
Er riss die Augen auf.
"So Ihr aber doch nicht diejenigen seid, die Ihr behauptet zu sein, dann bitte, macht es schnell. Ich... ich kann nicht mehr... Rurik!"
Aleydis sah hilflos zu Irminella und Gereon.
"Was sollen wir tun?", frug er zögerlich, um dann mit ängstlichem Blick auf den Geist hinzuzufügen:
"Soll ich nach draussen gehen und mit... mit unseren Leuten draussen die... ähm... Räuber zurückschlagen?"
Gereon blickte kurz zu Irminella, um sich rückzuversichern, während er sprach:
"Ja, ich denke, Ihr solltet nochmal nach oben gehen, Hauptmann und die Umgebung mit den Männern sichern; und damit unser Wiederaufstieg gedeckt ist."
Dabei sah er Aleydis direkt in die Augen, um sicherzugehen, dass er beide Teile der Aufgabe verstanden hatte. Der Hauptmann nickte knapp zu Gereon und Irminella, ehe er aus dem Augenwinkel zu dem Geist schielte, der Aleydis zu beunruhigen schien.
"Alles klar", sprach er sodann.
"Wir werden oben Ausschau halten und die Räuber vertreiben... wenn sie wieder zurück kommen sollten."
Dann schlug er die Hacken zusammen und eilte zurück zu der Öffnung, durch welche er sich kurz zuvor heruntergelassen hatte. Als der Hauptmann gegangen war, kniete sich Gereon neben den Geist.
"Seid unbesorgt, Euer Ehren. Eure Wacht war nicht vergebens. In Travias Namen schwöre ich Euch, dass ich persönlich dafür Sorge trage, dass der Schutz des Klosters gewährleistet ist, bis wir die Kunde Eurer tapferen Wacht dem Baron überbracht haben, damit dieser den weiteren Schutz des Klosters organisieren kann. Aber Ihr habt mir nicht Euren Namen gesagt. Wie heißt Ihr, mein Freund?"
Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über das Gesicht des Verstorbenen.
"Arsan. Ich... heiße Arsan. Nach meiner Weihe will ich den Namen Ganstreu annehmen."
Wieder ein Lächeln.
"Ich liebe die Tiere... ihr Geschnatter. Hört Ihr es?"
Dann stutzte er. "Ich kann sie nicht hören! Ob die Diebe wohl? Oh nein?! Bitte! Bitte, seht auch nach ihnen!"
Arsan wollte sich aufsetzen, schaffte es aber nicht und fiel wieder nach hinten.
"Ich bin so unendlich müde. Bitte seht nach ihnen, kümmert Euch um sie. Ich muss... ich muss schlafen. Ich bin so müde... und es tut weh."
Er schloss die Augen.
"Ich höre sie nicht mehr, Rurik. Die Gänse! Ich höre sie nicht mehr..."
In dem Gesicht, das noch vor wenigen Momenten voller Hass war, spiegeln sich nun Angst und Trauer. Alles furchteinflößende ist verschwunden. Gereon sah Irminella mit leidendem Blick an.
"Sucht bitte die Gänse!"
Dann drehte er sich wieder zu Arsan um.
"Keine Sorge, Arsan Ganstreu, wir finden sie und kümmern uns um sie. Ich bin sicher, die gütige Mutter wird nicht zulassen, dass ihren Tieren etwas passiert."
Gereon lächelte und zwinkerte kurz entschlossen dem Geist zu.
"Ich glaube, Du kannst durch Deinen Mut und Deine Treue Deine Weihe als sicher betrachten. Du hast Dir Deine Ruhe redlich verdient. Wir kümmern uns um den Rest. Das schwöre ich Dir im Namen der gütigen Mutter."
Irminella nickte nur knapp und wandte sich, wie kurz zuvor der Hauptmann, ebenfalls zum Gehen. Nach einigen Schritten hielt sie noch einmal inne, drehte sich um und sprach Arsan auch noch einmal an, nachdem Gereon geendet hatte:
"Eure Wacht endet nun, Ihr habt Großes geleistet im Namen Eurer Herrin. Lasst nun mich und den Herrn von Hauerberg an Eurer statt diese Bürde übernehmen, auf dass Ihr Ruhe finden könnt - und Heilung. Eure Gänse brauchen Euch, wenn wir sie gefunden haben."
Sie rang sich noch ein letztes Lächeln ab, bevor sie weiter zur Öffnung schritt.
"Danke", hauchte daraufhin der junge Mann, öffnete wieder die Augen und blickte Irminella kurz nach, bevor er sie fest auf Gereons Antlitz richtete, undendliche Trauer und Schmerz im Blick.
"Auch Euch... danke! Es... es tut mir Leid, ich dachte nur... die Räuber!"
Erneut schloss er die Augen.
"Ich freue mich schon, die Tiere wiederzusehen. Hetti, Ottilia, Ilsa, Minna, Theo, Barti und wie sie alle heißen."
Er lächelte.
"Weckt mich, wenn ihr sie gefunden habt, ja? Denn Ilsa ist schüchtern, vielleicht muss ich helfen. Trotzdem... brauche ich nun Ruhe. Ich brauche wirklich Ruhe... Ruhe..."
Noch einmal ertönt das schaurige Stöhnen, das den Hohen Herrschaften vor einigen Augenblicken noch den Schreck durch Mark und Bein gejagt hatte. Doch diesmal klang es nicht mehr aufgeregt, oder gar feindselig. Es klang... nach Erlösung. Für einige Wimpernschläge nur echote der Seufzer durch das Gewölbe, bis es schließlich für immer verlang. Denn mit dem Klang der Stimme verschwand auch der Körper Arsans, der zunächst noch durchscheinender wurde, noch stärker die Konturen verlor, bis er schließlich mit einem zarten Lufthauch verschwand. Zurück blieb für Gereon, der nun ganz allein in dem unterirdischen Gewölbe kniete, das Gefühl, hier tatsächlich jemanden erlöst zu haben - im buchstäblichen wie sprichwörtlichen Sinne gleichermaßen.
Gereon kniete regungslos auf dem Boden, innerlich jedoch war er in Aufruhr. Er umfasste sein Peraine-Amulett und verbrachte einige Minuten im stillen Gebet zu den Göttern, um das Erlebte zu verarbeiten. Schließlich erhob er sich wortlos, ging in die Ecke und hob das metallene Kästchen auf, bevor er den Raum und das untere Stockwerk verließ.

Aleydis half zunächst Irminella und anschließend Gereon dabei, mit dem Seil nach oben zu klettern und erst als auch der Ritter von Hauerberg oben ankam und sich gesammelt hatte, traute der Hauptmann sich, sein Wort aufgeregt an die beiden zu richten:
"Und? Was ist geschehen?"
Irminella setzte den Hauptmann soweit ins Bild, sie sie es vermochte, das Ende - wie auch immer es geartet war - hatte sie ebenfalls nicht mitbekommen, hatte sie sich doch zum Schein um die Suche nach den Gänsen, die sie in ihrem knappen Bericht ebenfalls nicht unerwähnt gelassen hatte, kümmern wollen. Als ihr Bericht, dem Drego mit offenem Mund und ungläubigem Blick gefolgt war, endete, sie alles, was sie wusste, mitgeteilt hatte, sah sie zu Gereon.
"Den Bericht könnt nur Ihr beenden", sagte sie.
Gereon hob die Schatulle und nickte den anderen zu.
"Ich danke Euch, Euer Wohlgeboren. Der Geist...", Gereon zögerte: "... von Arsan Ganstreu konnte durch unser Tun seine Ruhe finden. Wünschen wir ihm, dass er seine geliebten Gänse wieder trifft. Zu Lebzeiten hat er offenbar zusammen mit Rurik von Fischwachttal einen Angriff auf das Kloster erlebt und dieses versucht zu schützen; oder zumindest diese Schatullle."
Er hielt sie noch einmal so, dass sie jeder der Anwesenden betrachten konnte.
"Dabei wurde Arsan offenbar tödlich verletzt und Rurik scheint entweder geflohen zu sein oder er hat versucht Hilfe zu holen. Das ist noch nicht ganz klar."
Er unterbrach sich und schaute jeden seiner Begleiter einmal an bevor er fortfuhr.
"Nach Ganstreus Schilderungen ist bei Rurik Feigheit zu vermuten, mehr noch, er scheint dabei seinen Begleiter zum Sterben zurückgelassen zu haben. Was genau damals geschehen ist und was aus Rurik von Fischwachttal wurde, können wir beim Baron oder im Archiv der Baronie nachforschen. Da es sich bei Rurik aber um ein Mitglied des Hauses Fischwachttal, wenn nicht gar einen Verwandten des Barons handeln könnte, ist in der causa fingerspitzengefühl angeraten, meint Ihr nicht auch?"
Er blickte in die Runde. Aleydis verzog die Mundwinkel und zuckte mit den Schultern. Mehr als ein zustimmendes Brummen war von ihm jedoch nicht zu vernehmen. Auch Irminella hob, wie so oft, lediglich eine Braue und schwieg zunächst.
"Desweiteren sollten wir die Schatulle einem Traviatempel zur Verwahrung übergeben. Immerhin sind Gänse gestorben, um es zu schützen."
Dann wandte sich Gereon an Irminella:
"Euch scheint der Name zumindest vertraut zu sein, Euer Wohlgeboren?"
Direkt angesprochen, nickte sie und sprach dann doch zu diesem Thema:
"Ja, ganz Recht. Boso, mein Schwiegervater, ist Truchsess. Von ihm habe ich die ein oder andere Geschichtsstunde erhalten. Rurik ist der jüngere Bruder des damaligen Barons von Tommelsbeuge Rodewald von Fischwachttal. Über sein Schicksal weiß ich nichts."
Zu guter letzt wandte sich Gereon an Severin und blickte diesen ernst an.
"Severin, der damalige Angriff auf das Kloster hat bis heute ernste Auswirkungen. Der Geist ist nur eine davon. Eine Angelegenheit, die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit erfordert. Drum will ich euch offen gegenüber fragen: Der Schrein der der gütigen Mutter war euer Werk, nachdem Ihr den Geist aufgeschreckt hattet?"
Severin war während der Gespräche der Hohen Herrschaften wieder nähergetreten, nachdem er sich zuvor in einem nahegelegenen Gebüsch versteckt hatte. Seine Gesichtsfarbe kam langsam wieder und sein Körper zitterte nicht mehr als Espenlaub.
"J-J-Ja. Den ha-ha-hab ich gebaut", triumphierte er, wobei 'gebaut' bei diesem Schrein tatsächlich mehr als euphemistisch ausgedrückt war.
Gereon nickte.
"Und wo lebt Ihr?"
"Drüben in B-B-Brinnen."
Er wies dabei mit dem Kopf in eine Richtung, wobei unklar war, ob in dieser das Dorf tatsächlich lag.
"Da hat’s auch ‘n Schrein. ‘S g-g-größer als meiner. Aber net so w-w-wichtig, will ich meinen."
Nun stemmte er die Fäuste in die Hüfte und nahm eine Heldenpose ein.
"Dann will ich Euch das Angebot machen, Euch zumindest zeitweise in meine Dienste zu nehmen", fuhr Gereon fort.
"Seht, ich weiß nicht, was der Baron für Pläne mit diesem Ort hat. Dennoch will ich bis zu dem Tag mein Versprechen gegenüber Arsan Ganstreu nicht aufschieben. Die Götter haben’s gefügt, der Mensch soll’s nicht brechen!"
Gereon breitete die Arme aus, um den Ort und Severin einzubeziehen.
"Ich will Euch als Wächter dieses Ortes anstellen."
Gereon drehte sich um und ging zu den Pferden, während er laut weiter mit Severin sprach.
"Ich werde Euch dann bald den Schulzen von Hauersroth und zwei seiner Knechte sowie ein paar Gänse vom Gutshof vorbeischicken - zusammen mit einem Wagen mit Material. Sie sollen mit Euch eine Hütte als Unterkunft und für die Gänse einen Pferch bauen. Außerdem will ich zumindest den Schrein überdachen. Eure Aufgabe wird es dann sein, bis der Baron entschieden hat, über den Schrein und das Wohl der Gänse zu wachen, und - sollte Gefahr drohen - in Auroth in Hauersroth oder dem Gutshof Alarm zu schlagen."
Er nahm ein Jagdhorn von seinem Sattel ab und nestelte seine Geldbörse hervor, aus der er vierzig Heller abzählte.
"Sagen wir für ein Handgeld von vierzig Hellern und einen Lohn von zehn Silber im Monat?"
Er hielt Severin seine ausgestreckte Hand hin und in der anderen die vierzig Heller und das Jagdhorn.
"Schlagt Ihr ein?"
Während Gereon von dem vielen Geld sprach, wurden die Augen Severins immer größer.
"Für d-d-des Geld bau ich euch hier auch ‘n Sch-Sch-Schloss hin! Sehr großzügig, m-m-mein Herr", grinste er, als er sich verneigte und anschließend seine Hand ausstreckte, um offenbar nicht nur sinnbildlich einzuschlagen.
"Sehr gut!"
Gereon schüttelte Severins Hand.
"Dann würde ich sagen, wir brechen auf! Was meint ihr?"
Er blickte in die Runde.
"Beim Waldecker Hof will ich noch einen Boten mit Weisung gen Hauerroth senden. Auch sollten wir das hier," er hielt die Schatulle empor, "noch einem Traviatempel übergeben. Hat jemand einen Vorschlag?"
Er ging wieder langsam zu den Pferden.
Wieder war es Irminella, die antwortete, während sie knapp hinter Gereon zu ihrer Tama lief.
"Der einzige Travia-Tempel, den ich kenne, ist der in Vairningen Stadt. Witzichenberg hat keinen, das weiß ich. Ambelmund? Weiß ich nicht."
Sie machte eine kurze Pause und schloss auf.
"Einerlei. Wir übergeben alles dem Baron, der darüber entscheiden wird, wie es weitergeht."
Bei Tama angekommen, löste sie das Seil, das sie zuvor an einem Baum festgebunden hatte und saß sogleich auf.
"Reiten wir", nickte sie, wartete aber darauf, dass alle ausreichend Zeit hatten, sich für die Rückreise bereit zu machen, was einen Moment dauerte, da Drego offenbar nicht sonderlich geschult darin war, aufzusteigen und einige Herzschläge brauchte, bis er letztlich sicher im Sattel saß.
Aleydis stand noch bei dem sonderbaren Fremden mit dem Namen Severin und blickte Gereon und Irminella nach. Erst als beide auf ihre Pferde stiegen, schien er sich bewusst zu werden, dass sie diesen Ort verlassen würden. Er nickte Severin wortlos zu und schloss mit schnellen Schritten zu den beiden auf und band sein Pferd los. Noch bevor er sich daran machte aufzusitzen, frug er in die Runde:
"Und nun? Zur Burg zurück?"

Die Heimkehr

So ging es für die illustre Runde wieder eiligst zurück. Die Dämmerung hatte mittlerweile längst eingesetzt. Der Hunger, das Dräuen einer ungemütlichen Nacht auf den Wiesen oder in den Wäldern Freiherrlich Tommelsbeuges und das im starken Kontrast dazu winkende, als gemütlich in Erinnerung gebliebene Bett im Gasthaus der Welhausens, hatte die Herrschaften dazu veranlasst, ihre Pferde ordentlich anzuspornen. Dennoch hatten sie das Gasthaus Waldeck” erst zu später Stunde erreicht, nachdem es sich das Praiosmal längst hinter den sanften, waldbewachsenen Hügeln gemütlich gemacht hatte.

Doch hatte man offensichtlich mit der Rückkehr der Hohen Gäste gerechnet. Es hatte noch Licht im Schankraum gebrannt, als Irminella, Gereon, Drego und Aleydis von ihren Pferden abstiegen. Wenig später hatten sie bei einem wärmenden und sättigenden Eintopf gesessen, den man für sie warm gehalten hatte. Um die Familie nicht noch länger von ihrem verdienten Schlaf abzuhalten, hatten sich die Hohen Herrschaften nach dem Essen und einem Nachttrunk schnell verabschiedet - außerdem hatte ihnen der heutige Tag viel zugemutet, sodass dem einen oder der anderen die Lider bereits beim Essen zugefallen waren.

Am nächsten Morgen hatten die Gäste ein wenig länger in ihren Betten verbracht, als sie dies für gewöhnlich taten, zu anstrengend war der Vortag, zu kräftezehrend die Erlebnisse gewesen. Als man schließlich beim Frühstück zusammengesessen und es sich erneut schmecken lassen hatte, wiederholte Gereon seinen Wunsch, einen Brief aufzusetzen. Als auch dies erledigt war, hatte man sich rasch verabschiedet, für die ausgezeichnete Unterbringung und Verpflegung gedankt und sich auf den Weg gen Fischwacht gemacht, um dem Baron den erfolgreichen Abschluss der Mission zu vermelden.
Und so fanden sich Gereon, Irminella, Drego und Aleydis nach weiteren rund dreieinhalb Stunden im Burghof wieder, wo man ihnen die Pferde abnahm und ohne großes Aufheben zu Geribold führte - oder viel mehr ins Empfangs- und Besprechungszimmer der Burg, in dem man die Rückkehrer bat, es sich bis zum Eintreffen des Herren gemütlich zu machen.

Der Raum maß rund sieben auf sieben Schritt und war damit quadratisch. Auf der gegenüberliegenden Seite der Tür, direkt an der Wand, hingen zwei Wandteppiche, von dem einer mit rondragefälligen Symbolen bestickt war, während der andere das Wappen derer zu Fischwachttal zeigte.
Mittig im Raum stand ein wuchtiger runder Holztisch, der den eigentlich recht großen Raum klein erscheinen ließ. Um den Tisch herum standen ein knappes Dutzend Stühle. Alle Stühle waren von guter Qualität, doch fanden sich nur auf einem dieser Sitzmöbel aufwendige Schnitzereien. Dieser Stuhl stand so am Tisch, dass der Eintretende nicht nur direkt auf ihn blickte, sondern die darauf sitzende Person von den beiden Wandteppichen sozusagen flankiert wurde.
An der Wand linker Hand befand sich eine Kommode, auf der, neben ein paar Blumenvasen, Schreibutensilien lagen. Auf der davon gegenüberliegenden Wand befand sich eine offene, hüfthohe Anrichte mit kleinen Aussparungen auf der linken Seite, in denen sich je eine Flasche unbekannten Inhaltes befand. Auf der Anrichte ein kleines, aus Holz gefertigtes Kästchen mit Silberbeschlägen.
Blickten die Herrschaften direkt an der Wand, in der die Tür eingelassen war, durch die sie den Raum betreten hatten, entlang nach rechts, sahen sie zwei gemütlich aussehende, gepolsterte Sessel in blauer Farbe, vor denen ein kleiner Tisch, kaum höher als ein Hocker, stand. Die Sessel waren so ausgerichtet, dass man von ihnen sowohl die Anrichte mit den Flaschen, als auch das gegenüber der Sessel liegende Regal im Blick hatte, in dem einige Bücher standen.

Insgesamt machte das Zimmer einen aufgeräumten Eindruck. Doch auch hier hatte alles seinen Zweck. Bis auf die Wandteppiche und die Vasen suchte man auch hier aufwendige und teure Dekorationen vergeblich.

Gereon wies mit offener Handfläche zu den Sesseln und sah Irminella fragend an.
"Darf ich Euer Wohlgeboren den Sessel überlassen? Ich ziehe eine gerade Rückenlehne vor und werde einen der Stühle mit meiner Anwesenheit zieren."
Dann blickte er zu Aleydis und Drego.
"Und was sagen die Herren?"

Irminella antwortete mit einem knappen:
"Zu großzügig", wobei nicht klar war, ob sie die Antwort ironisch meinte oder ehrlich dankbar war.
Trotzdem setzte sie sich langsam in die entsprechende Richtung in Bewegung.

Drego ging indessen raschen Schrittes auf eine der bequemen Sitzmöbel zu und ließ sich mit einem wohligen Seufzer hineinsinken.
"Diese ganze Reiterei ist schrecklich…"
Kurz nachdem der Medicus saß, ließ sich die Vögtin auf dem zweiten Sessel nieder, während der Hauptmann mit erhobener Hand abwinkte und dann eine Augenbraue hob, als Drego an ihm vorbei auf einen der Sessel zu marschierte. Dann gesellte er sich neben Irminella, und nahm dort stehend Haltung ein.

Gereon beobachtete die beiden erst verwundert, ob der Bedeutung von Irminellas Bemerkung - dann amüsiert, als er Dregos Reaktion bemerkte. Dann begab er sich zum Tisch, hängte seine Umhängetasche über die Lehne und nahm auf einem der Stühle Platz. Er drückte, hörbar entspannend, seinen Rücken gegen die Lehne.

Nur wenige Augenblicke nachdem sich die Herrschaften gesetzt hatten, öffnete sich die Tür, die bislang lediglich angelehnt war, erneut. Statt des Hausherren traten einige Bedienstete ein, die Speisen und Getränke brachten. Neben Brot, Butter, Schinken und Käse gab es Wasser und Bier. Wie beiläufig stellte man alles auf den Tisch und die Bediensteten zogen sich ebenso unaufdringlich wieder zurück.
Einige Zeit später trat Geribold von Fischwachttal ein, nickte den Anwesenden einmal zu und begab sich direkt zur Anrichte, wo er eine Flasche entnahm. Mit der freien Hand ergriff er das hölzerne Kästchen und stellte letztlich beides auf den Tisch. Das Kästchen offenbarte sechs kleine Schnapsgläschen.
"Schön, dass Ihr wohlbehalten wieder hier seid."
Er öffnete die Flasche und goss sich selbst ein. Anschließend blickte er fragend in die Runde.

Aleydis biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. Man konnte ihm ansehen, dass er mit sich rang. Dann entfuhr ihm ein Seufzer und er erwiderte knapp:
"Vielen Dank Euer Hochgeboren, aber ich muss ablehnen."
Auch Gereon sah die Flasche mit einiger Sehnsucht an, schüttelte aber schließlich ebenfalls den Kopf.
"Danke, Euer Hochgeboren, aber auch ich muss ablehnen."

Als er jedem, der wollte, eingeschenkt hatte, hob er das Gläschen und leerte es, nachdem die anderen seine Geste wiederholten, mit einem Zug. Dann setzte er sich auf den verzierten Stuhl und lehnte sich mit aufgestellten Ellenbogen und verschränkten Händen nach vorne. Neugier spiegelte sich in seinem Blick.
"Berichtet, bitte."

Gereon setzte sich gerade und räusperte sich.
"Euer Hochgeboren, wenn Wohlgeboren von Eberbach erlauben?"
Er blickte Irminella kurz auf Zustimmung wartend an.
Die Vögtin, die, genau wie der Medicus, mit Seiner Hochgeboren getrunken hatte, nickte lediglich knapp. Doch hatte sie für Gereon ein kleines Lächeln übrig.
"Natürlich."
"Euer Hochgeboren, wir konnten an den Ruinen des Klosters eine außergewöhnliche Entdeckung machen."
Gereon erhob sich und zog aus der Tasche über der Rückenlehne die mit einem Tuch umhüllte Schatulle, die er auswickelte und vorsichtig auf einen der Beistelltische abstellte, wo jeder der Anwesenden sie sehen konnte, bevor er sich wieder setze.
"Oberhalb des Bodens haben sich nur karge Reste der einstigen Mauern erhalten. Die gute Nachricht ist, dass wir weder gefährliches Getier noch dunkles Gesindel antreffen konnte", fuhr Geron fort.
"Allerdings trieb sich in den Resten des Gemäuers ein Bewohner Brinnens herum, der dort einen kleinen Schrein der gütigen Mutter errichtet hatte. Er hatte sich zuerst aus Furcht bei unserem Eintreffen versteckt, wir konnten ihn aber doch recht schnell aufstöbern."
Gereon erhob sich erneut von seinem Platz und begann bei seiner Erzählung durch den Raum zu streifen.
"Durch ihn wurden wir nun fürdermehr auf unterderische Gewölbe aufmerksam gemacht. Ehemalige Keller, so will mir scheinen, die sich über die Zeit erhalten haben und in denen ein Geist sein Unwesen treiben sollte. Wegen diesem hatte er den besagten Schrein errichtet. Offenbar stammte das alles aus der Zeit eines Überfalls auf das Kloster vor über einhundert Götterläufen."
Gereon unterbrach sich und blickte zum Baron.
"Hier können uns Euer Hochgeboren vielleicht weiterhelfen. Ich war mir der Geschichte des Klosters und des Überfalls nicht gewahr. Wisst Ihr etwas über die damaligen Vorkommnisse?"

Geribold hatte während Gereons kurzer Ausführung gelegentlich verständig geknickt und bei der Erwähnung des Brinners die Stirn in Falten gelegt. Auf die Frage des Hauerbergers hin wanderte sein Blick zur Decke und er rieb sich Wange und Kinn mit der linken Hand, wie er es oft tat, wenn er nachdachte.
"Sicherlich muss ich Euch nicht über die grässlich wütenden Zorganpocken zu jener Zeit aufklären. Was ich weiß, ist, dass die Menschen sich damals in ihrer Verzweiflung bisweilen der Gebote der Götter nicht mehr zu erinnern vermochten, so macht es zumindest den Anschein. Sicherlich kennt Ihr die Geschichten: Überfälle auf Gutshöfe, Raub, Plünderungen."
Wieder fuhr er sich über Wange und Kinn.
"Offenbar blieb auch der Gänsehof nicht verschont - unfassbar, welche Abgründe eine Katastrophe in einzelnen Herzen keimen lässt. Doch noch heute weigere ich mich zu glauben, dass sich damals mehr als ein Dutzend Menschen zu solch götterlästerlichen Taten hinreißen lassen haben. Ein Überfall auf ein Kloster? Seid Ihr Euch sicher?"
Der Zorn über solch eine Tat war in seinen Fragen deutlich zu vernehmen.
"Es spricht alles dafür, Euer Hochgeboren. Der Geist eines ehemaligen Gänsleins namens Arsan schilderte den Angriff entsprechend und verlor offenbar zu diesem Zeitpunkt sein Leben. Sein Wunsch, den Gänsehof vor den Plünderern zu schützen, hinderte ihn jedoch daran, Golgari in die Hallen Borons zu folgen. Er erwähnte auch einen Gefährten. Rurik von Fischwachttal, Euer Hochgeboren, der offenbar abgeschickt worden war, um Hilfe zu holen. Über seinen Verbleib konnten wir zunächst nichts weiter erfahren."
Geribold zog bei der Erwähnung eines Geistes die Stirn kraus. Als der Name Rurik von Fischwachttal fiel, lag Erkenntnis in seinem Blick. Diejenigen, die am Tisch saßen, sahen, dass er etwas sagen wollte, doch da hatte Gereon schon weiter gesprochen. Anstatt den Herrn von Hauerberg zu unterbrechen, schenkte er sich erneut einen Schnaps ein und lauschte dabei weiter den Ausführungen des Hohen Herrn.
"Der Umstand, dass unsere Zusicherung in der Quaestio nachzuforschen, den Gänsehof und damit vermutlich auch die Schatulle zu schützen…", Gereon wies auf den Beistelltisch, "...den Geist von Arsan in die Hallen Borons erlöste, spricht für die Korrektheit seiner Darstellung und dafür, dass die Sache zumindest das Wohlwollen der Götter hat."
Gereon führte das Gläschen zum Mund, trank es erneut in einem Zug aus. Dabei blickte er über den Rand Irminella an, die seinen Blick aufging und ein Nicken andeutete. Als der Baron das Glas wieder senkte, nickte auf er leicht.
"Noch etwas?", frug er dann, woraufhin Gereon von Hauerberg nickte und weiter ausführte.
"Da ich in der Angelegenheit einen persönlichen Schwur auf die gütige Mutter geleistet habe, habe ich bereits vor Ort den Brinner verpflichtet, als zeitweiliger Wächter des Gänsehofes und des Schreines zu fungieren. Ferner habe ich - Eure Zustimmung vorbehalten - ein Schreiben mit weiterer Anweisung nach Hauersroth zu meinen Verwandten geschickt. Sie sollen - natürlich auf Kosten des Hauses Hauerberg - den Schulzen mit Knechten, Baumaterial sowie Gänse zum alten Kloster entsenden, den Schrein entsprechend aufwerten, sowie eine Hütte für den 'Wächter' und einen Pferch errichten. Sollte das nicht in eurem Sinne gewesen sein, Euer Hochgeboren, werde ich sicherlich auch eine andere Lösung finden."

Geribold hob die Hand und unterbrach damit den Redeschwall des Hauerbergers.
"Ich möchte Euch zunächst danken, dass Ihr Euch auch unter den von Euch beschriebenen, überderischen Umständen dieser Sache angenommen und sie offenbar auch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht habt."
Er räusperte sich kurz und setzte dann fort:
"Eure Idee halte ich für gut und will sie umsetzen. Ihr habt genug getan, sodass ich in den kommenden Tagen alles nötige in die Wege leiten und die ersten Männer und Frauen gen Gänsehof schicken werde."
"Selbstverständlich, Euer Hochgeboren. Ich danke euch."
Gereon neigte kurz demütig den Kopf gegenüber dem Baron bevor er zum Ende kam.
"Damit bliebe nur noch die Frage wie es Rurik von Fischwachttal ergangen ist sowie was mit der Schatulle geschehen soll - wir diskutierten die Übergabe an einen Traviatempel. Aber alles weitere obliegt nun natürlich Euer Weisung und Urteil, Euer Hochgeboren."
Am Ende seiner Ausführungen angekommen, nickte Gereon noch einmal knapp und nahm abwartend Platz.
Aleydis hatte das Gespräch sehr aufmerksam verfolgt und sah den Baron fragend an. Die Neugier, was es mit diesem Rurik auf sich hatte, war ihm sichtlich anzusehen, auch wenn er es versuchte zu verbergen.
"Ich denke, da kann ich Abhilfe schaffen", begann Geribold auf die Frage hin zu erzählen.
"Obschon ich sagen muss, dass sich die Geschichte auch für mich erst durch Eure Informationen erschließt. Die Familie von Fischwachttal ist, ich denke, da verrate ich keine Geheimnisse, in den vergangenen Jahren stark dezimiert worden. Ich nutze dieses Wort absichtlich, denn nicht zuletzt mein Vater und mein Bruder starben auf dem Schlachtfeld. Doch auch zuvor waren wir kein großes Geschlecht im quantitativen Sinn. Nicht zuletzt deshalb war - und ist - uns Zusammenhalt, Einigkeit und Treue der Familie gegenüber wichtig."
Er machte eine kurze Pause und schenkte sich erneut ein. Auf seinen fragenden Blick hin schob Irminella ihr Gläschen zu ihm herüber. Als auch dieses gefüllt war, sprach er weiter.
"Das ist der Grund, warum wir Fischwachttaler immer wussten, wo sich ein anderer von uns aufhielt - bis zum letzten Atemzug. Ich könnte Euch den genauen Ort, den Tag und die Stunde des Todes meines Vaters und meines Bruders nennen. Kein Kunststück, will man meinen."
Geribold lächelte, doch spiegelte sich darin noch immer tiefe Trauer.
"Doch könnte ich Euch dies auch über weitere Ahnen sagen. Das mag morbide wirken, doch sehe ich das ein wenig anders. Aber das ist für den Moment nebensächlich."
Er leerte das Gläschen, das er zuvor befüllt hatte, und die Burgvögtin tat es ihm gleich. Geribold verzog das Gesicht und erzählte weiter.
"Von Rurik, dem Bruder des Ur-Großvaters meines eigenen Herrn Vaters, kann ich das nicht."
Er stellte die Ellbogen auf dem Tisch ab und faltete die Hände.
"Was genau hat dieser… Arsan… erzählt?", frug er nach.
Gereon verzog nachdenklich das Gesicht und ergriff das Wort.
"Ich fürchte, Euer Hochgeboren, aus seinen Aussagen ergab sich für uns keine zusammenhängende Geschichte. Leider. Ich denke, wir können dem Gesagten jedenfalls entnehmen - meine Gefährten mögen mich korrigieren - dass es einen Angriff einer Räuberbande auf das Kloster gab. Dieser wurde wohl auch dank der Hilfe von Rurik zurückgeschlagen. Vermutlich war das der Zeitpunkt, an dem Arsan seine Verletzungen erlitten hat."
Gereon erhob sich bereits wieder von seinem Platz und begann erneut durch den Raum zu wandern.
"Seinen wütenden Schilderungen nach, ist Rurik dann aufgebrochen oder wurde entsandt, um Hilfe zu holen. Arsan scheint einige Zeit auf die Rückkehr Ruriks gewartet zu haben, während er seinen Verletzungen erlag. Er war jedenfalls entsprechend… emotional… und beschuldigte Rurik daher auch, ihn im Stich gelassen zu haben."
Gereon blieb stehen und sah alle kurz fragend an, bevor er fortfuhr; etwas hilflos mit den Schultern zuckend.
"Mehr nicht. Keinerlei Hinweise auf das Ziel oder Schicksal von Rurik von Fischwachttal."
"Danke, für Eure Ausführungen", ergriff nun der Baron wieder das Wort.
Dann wies er auf den Stuhl, auf dem Gereon zuvor gesessen hatte.
"Setzt Euch, dann will ich Euch meinen Teil erzählen."
Gereon nickte knapp und beeilte sich, zu seinem Stuhl zurückzukehren. Als sein Vasall ihm Folge geleistet hatte, sprach Geribold weiter:
"Die Geschichte um den Tod Ruriks von Fischwachttal ist nun vollständig. Ich setze dort an, wo Ihr endetet."
Er räusperte sich, als wolle er sich damit auf einen längeren Monolog vorbereiten und setzte sich gerade.
"Rurik ritt vermutlich vom Gänsehof aus direkt nach Burg Fischwacht. Dort wusste er sichere Verbündete in Familie und Garde zu finden. Er blutete aus mehreren Wunden, der Medicus, der ihn damals fand, machte die schlimmste unter dem rechten Arm aus. Doch will ich nicht vorgreifen. So schnell es ihm sein Zustand erlaubte, musste er die Strecke in einem fort zurückgelegt haben, denn sein Pferd, dessen Namen mir leider entfallen ist, schnaubte und hatte Schaum vorm Mund, als es in Tommelsbrück stehenblieb. ‘Doch warum im Städtchen unterhalb der Burg und nicht im Burghof?’, mögt Ihr Euch nun fragen. Die Antwort ist recht simpel. Weil Rurik von Fischwachttal, kaum hatte er Tommelsbrück erreicht, aus dem Sattel rutschte, auf dem Boden aufschlug und nimmermehr aufstand."
Er machte eine Pause, in der er sich erneut etwas vom Schnaps nachgoss.
"Ihr seht, dass Rurik von Fischwachttal in Ausübung seiner Pflicht und mit nichts als Treue im Herzen demjenigen Gegenüber, dem er Hilfe versprochen hatte."
Er leerte das Gläschen.
"Ich danke Euch dafür, dass Ihr mir so unverhofft einen blinden Fleck in meiner Familienhistorie fülltet. Bislang kannte meine Familie nur Ort und Tag des offensichtlich gewaltsamen Todes Ruriks. Das hat sich heute geändert…"
Kurz schien er in Gedanken versinken zu wollen, schüttelte dann aber knapp den Kopf und blickte zur Schatulle.
"Habt Ihr hineingesehen?"
Gereon schüttelte den Kopf.
"Nein, Euer Hochgeboren."
Geribold gab ein leises, nachdenkliches Brummen von sich.
"Hm, hm, hm…"
Dann stand er auf, ging zu dem Beistelltisch, auf dem Gereon die Schatulle abgestellt hatte, nahm sie auf und wog sie in Händen.
"Der nächste Travia-Tempel befindet sich in Stadt Vairningen. Dies hier ist allerdings ein historisches Relikt Tommelsbeuges und gehört zurück an seinen angestammten Platz - sobald er erneuert wurde."
Geribold ging die wenigen Schritte zum großen Tisch, an dem sie Hohen Herrschaften versammelt saßen und stellte das Kästchen darauf ab.
"Ich bin mir sicher, das gehörte einst Bruder Herdan, einem der tapfersten Tommelsbeuger, wenn Ihr mich fragt. Gelebt und gestorben in Ausübung seiner Dienste an der Herrin Travia. Genau wie der verstorbene Novize, den ihr erlöstet. Der erste Schritt wird nun sein, dessen Gebeine zu bergen und gebührend zu bestatten. Ich werde nach unserer Unterredung einen Brief an Ihre Gnaden Borada schicken und ihr den Sachverhalt schildern. Ich denke, sie wird bei der Bergung helfen - und die Beisetzung durchführen. Gab es Hinweise auf den Verbleib der Gebeine?"
"Dazu, mhm", räusperte sich Drego, der der Unterhaltung bislang schweigend zugehört und offenbar gegen die Müdigkeit angekämpft hatte, denn seine Stimme klang kraftlos und seine Wangen und Augen waren deutlich gerötet.
"Wir sprechen hier von über einhundert Jahren, Euer Hochgeboren. Und von nicht sachgerechter sowie göttergefälliger Bestattung. Es würde mich wundern, wenn wir viel mehr fänden als einzelne Knochensplitter."
Geribold zog eine Braue hoch, sagte aber nur:
"Dann korrigiere ich mich. Wir bestatten die nach all' den Jahren noch auffindbaren, sterblichen Überreste des jungen Novizen."
"Das, was wir finden, muss nicht zwingend von Arsan stammen. Sicherlich ist in den über hundert Jahren auch das ein oder andere Tier dort unten verendet. Ganze Knochen könnte ich vermutlich auseinanderhalten, aber Teile? Unmöglich", fuhr Drego dem Baron erneut in die Parade.
Der Baron ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder und rieb sich nachdenklich das stoppelige Kinn, was ein leises Kratzen hervorbrachte.
"Dann warte ich auf die Weisung Ihrer Gnaden Borada in dieser Sache. Ich entsende derzeit einige Männer und Frauen, die das Areal vernünftig begehbar machen."
Dann wandte sich Geribold wieder Gereon zu.
"Haltet Ihr den Brinner für vertrauenswürdig? Er kennt das Areal wie vermutlich derzeit kein anderer und könnte uns nützlich sein, wenn wir den Wiederaufbau beginnen. Ich will Eurem Fingerzeig in dieser Sache folgen."
Gereon nickte knapp.
"Ich würde mich seiner bedienen, Euer Hochgeboren. Der Mann scheint nicht aus niederer Absicht, sondern nur einer hesindianischen Neugier auf die Ruine gestoßen zu sein. Er scheint zwar… sprachlich und vielleicht auch geistig etwas beeinträchtigt, zumindest eigenbrötlerisch."
Gereon begann sich nachdenklich über das Kinn zu streichen.
"Aber gottesfürchtig ist er. Er hat den Travia-Schrein errichtet, um Arsans Geist zu besänftigen."
Gereon wippte nachdenklich mit dem Kopf um dann schelmisch zu lächeln.
"Lasst es mich so sagen: Ich traute dem Mann zu, mir aus einer Grube zu helfen, würde aber sicher gehen, dass ich ihn anweise, das Seil festzuknoten, bevor er es mir zuwerfen soll."
Geribold runzelte die Stirn.
"Wie soll ich das verstehen? Ihr vertraut ihm also im Kern nicht? Oder zweifelt ihr lediglich an seiner Kraft?"
Gereon neigte den Kopf zu einer entschuldigenden Geste.
"Entschuldigt, wenn ich mich zweideutig geäußert haben sollte, Euer Hochgeboren. Ich vertraue dem Mann, ich zweifle nur an seiner Fähigkeit, ohne klare Anweisung selbstständig zu arbeiten."
Geribold nickte.
"Auch in diesem Falle sollten wir ihn sobald wie möglich ersetzen. Für's Erste aber, soll er bleiben. Alles weitere wird sich weisen. Doch nicht mehr heute."
Er stand auf und ging zur Kommode an der Wand und nahm sich dort alles, was er für das Aufsetzen eines Briefes benötigte.
"Ich schreibe Ihrer Gnaden Borada noch und ziehe mich dann zurück. Den Herrschaften ist ein jeweils ein Zimmer bereitet, ein Zuber ließe sich selbstredend ebenso füllen. Fühlt Euch wie Zuhause."
Er ging noch einmal zum Tisch zurück und sah die Anwesenden der Reihe nach an.
"Ich möchte Euch allen noch einmal meinen Dank aussprechen. Das war gute Arbeit."
Er nickte, umrundete den Tisch und öffnete die Tür. Sogleich traten zwei Bedienstete ein.
"Bitte zögert nicht nach dem zu verlangen, was ihr benötigt."

Irminella von Eberbach war mittlerweile aufgestanden und neigte den Kopf.
"Danke für Euer Angebot, Euer Hochgeboren. Doch werden Herr Lartes und ich bald den Rückweg antreten."
Der Hauptmann nickte beiden knapp zu und sah dabei zufrieden aus.
"Wie Ihr wünscht", erwiderte Geribold.
Drego stand ebenfalls bereits und ergriff das Wort nach der Vögtin.
"Ich könnte den Brief an Ihre Gnaden morgen mitnehmen. Ich wollte ohnehin nach Borada sehen."
"Gut, macht das, Grabschaufler."
Dann blickte der Baron noch einmal zu Gereon, als erwarte er auch von diesem eine Reaktion.
"Euer Hochgeboren, ich nehme das Angebot dankend an und werde morgen in aller Frühe ausgeruht den Rückweg nach Auroth antreten."
Gereon nickte dem Baron dankend zu und wählte einen der Bediensteten mit stummem Blick aus, um den Weg zu weisen, sobald der Baron sie entlassen hatte.
"Wenn Euer Hochgeboren es wünschen, kann ich morgen auch zusätzliche Weisung gen Gänsehof über Hauersroth überbringen. Ich plane auf dem Rückweg nach Auroth selbst dort noch nach dem Rechten zu sehen, und mich vom Schulzen auf den neuesten Stand bringen zu lassen, was die von mir Angewiesenen Tätigkeiten beim Gänsehof betrifft."
"Natürlich, tut das. Aber geht sicher, dass dieser Severin auch tatsächlich weiß, was von ihm verlangt wird. Er steht jetzt, wenn auch temporär, direkt in meinem Dienst. Bläut ihm das ordentlich ein, Gereon."
Dann wandte er sich zum Gehen, blieb aber noch einmal stehen.
"Ich lasse Euch heute Abend zum Mahl rufen. Dann besprechen wir die Einzelheiten bezüglich des Neuaufbaus."
Noch ein letztes Mal blickte er in die Runde und nickte dann.
"Nochmals meinen Dank. Ich werde draußen Weisung geben, damit man Eure Abreise vorbereitet, Vögtin. Grüßt mir Euren Gemahl und Euren Sohn."
Dann war er aus der Tür.

Zufrieden sah Aleydis in die Runde und nickte Gereon zu.
"Ihr habt gut gesprochen, Euer Wohlgeboren. Nun findet diese Angelegenheit doch noch ein versöhnliches Ende. Nach all der Zeit…"
Kopfschüttelnd sah er dann zu Irminella und lächelte schmal.
"Wann wollen wir abreisen?"
Die Vögtin wandte sich ihrem Hauptmann zu, Geribold gegenüber hatte sie sich bereits zur Genüge erklärt, wie sie fand.
"Wir gönnen unseren Tieren noch einen Moment der Ruhe und reiten dann zurück. Ruht Euch einen Moment aus, ich lasse Euch wissen, wenn es losgeht."
Aleydis nickte knapp, salutierte mit rondrianischem Gruß vor Gereon und verließ dann zügig den Raum.

Gereon seuftze.
"Schade, dass Ihr bereits heute abreißen wollt."
Er blickte jeden der Anwesenden nochmal an.
"Habt Dank, für eure Begleitung, Hilfe und Einsicht in der Angelegenheit."
Er pausierte kurz bevor er weitersprach:
"Und nicht zuletzt Eure Gesellschaft. Ich bin froh, dass ich der Aufgabe nicht allein gegenübertreten musste. Das wäre anders ausgegangen."
Er lächelte Irminella an.
"Ich hoffe, Euer Wohlgeboren können mir meine joviale Impertinenz nachsehen."
Irminella lächelte knapp und nickte.
"Sie sei verziehen."
Daraufhin verzog Gereon etwas spöttisch den Mund, als er sich umsah.
"Und ruft bitte auch mein Lob und Grüße für unsere rondrianische Begleitung, dem vom Difar getriebenen Hauptmann Aleydis, nach", frotzelte er und kicherte in sich hinein.
"Keine Ruhe, der Mann."
An dieser Stelle musste Irminella tatsächlich kurz lachen und schüttelte dabei den Kopf.
"Unglaublich, der Mann", dachte sie, sagte aber nichts.
"Habt nochmal Dank und - falls ihr in der Nähe sein solltet oder einfach nur den Wunsch verspürt - seid herzlich auf Gut Auroth eingeladen. Ich freue mich darauf, Euch dann entsprechend zu bewirten", endete Gereon sodann.
"Vielen Dank für die Einladung. Sicherlich werde ich eines Tages auf selbige zurückkommen. Auf eine entsprechende Bewirtung bin ich bei all’ der jovialen Impertinenz bereits jetzt sehr gespannt."
Nun begab es sich, dass sich auf Irminellas Gesicht ein seltenes Schauspiel ereignete. Sie zwinkerte Gereon zu und ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen.
"Auf bald, Hauerberg."
Gereon schüttelt noch einmal jedem die Hand und nickt dann einem der Bediensteten zu:
"Dann werde ich den versprochenen Zuber in Anspruch nehmen."