Tommeltann

Wenige Meilen zu gleichen Teilen gen Praios und Efferd der Baronsburg Burg Fischwacht, gelegen, findet sich mit dem Tommeltann ein relativ kleiner Forst. Im Vergleich zu dem ebenfalls teilweise in Freiherrlich Tommelsbeuge gelegenen Treuklinger Wald ist man geneigt, den Tommeltann "Wäldchen" zu heißen, was der Tommelsbeuger Volksmund auch tut.¹

Unerfahrenen Waldwanderern sei an dieser Stelle dennoch abgeraten, sich einfach in den Wald zu begeben. Neben den in den Wäldern der Baronie ubiquitären Feen, wartet selbst dieser kleine Forst mit Wölfen und Ebern auf. Ein Abkömmling letzterer Spezies hat Seiner Wohlgeboren Balther von Eberbach einst beinahe "die Lebenslichter ausgepustet", wie der Hohe Herr berichtet. Diese Geschichte, so phantastisch sie auch klingen möge, sollte allen zur Mahnung gereichen, die Fauna des Tommeltanns nicht zu unterschätzen – es könnte der letzte Fehler sein, den man begeht.
Ferner gibt es keine Trampelpfade – von einer befestigten Straße ganz zu schweigen -, die eine Passage durch dem Tommeltann vereinfachen würden.
Kurzum: so Ihr kein Jäger oder anderweitig erfahrener Waldwanderer seid, nehmt, so Ihr von Burg Fischwacht gen Gut Gräflich Bösalbentrutz im Norden reisen wollt, den westlich des Waldes gelegenen Karrenweg, der Euch letztlich nach Burg Bösalbentrutz führt. Von dort aus sind dann viele Orte in der Baronie erreichbar. Vielleicht erzählt Euch eben erwähnter Balther ja die Geschichte von ihm und dem Eber, solltet Ihr dort verweilen, immerhin ist die Burg Stammsitz derer von Eberbach.

Verschwiegen werden soll an dieser Stelle aber nicht die Schönheit des Waldes, mit der er vor allem im Frühjahr und im Sommer aufzutrumpfen weiß, wenn Hasel und Linde, Esche und Buche blühen. Dann erwacht der Tommeltann aus seinem Winterschlaf und erfreut Auge und Nase mit Farbenpracht und Düften nach Kräutern und blühenden Bäumen.
Nebst der Schönheit, die der Seele schmeichelt, wartet der Tommeltann auch mit Gaumenfreuden auf. Dabei meine ich nicht nur schmackhafte Kräuter, Bären und Pilze sondern auch die unterschiedlichsten Arten von Wild, allen voran das Reh, der Königin der Fleischspezialitäten – da ich weiß, wie dem geneigten Leser nun das Wasser in Sturzbächen durch den Mund tost, sei hier noch einmal an das geltende Jagdrecht erinnert.
Ebenfalls an dieser Stelle angemerkt sei die Firungefälligkeit, die während der Jagd an den Tag zu legen ist. Wir wollen doch keine harten Winter, nicht wahr? Zudem gibt es einen im Hochmooser Wald in Gut Gräflich Bösalbentrutz lebenden Firutin|Firungeweheiten, der, Gerüchten zufolge, dem Herrn Firun ungefälliges Verhalten "Meilen gegen den Wind riecht". Anschließen möchte ich diesen Eintrag mit einem Zitat eines Bösalbentrutzer Waldbauern zu Firutin, dem besagten Firun-Geweihten:

"Der kommt dann aus’m Unterholz gebrochen wie ne Bache, wenn’s um ihr Kleines geht. Wenn dich dann noch net de‘ Schlach vor Schreck getroffe‘ hat, hält’er dir ne Predigt, dass dir noch drei Tach denach de‘ Kopp wackelt!"

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¹ Wenn man mich fragt, was für gewöhnlich keiner tut, sollte man aufhören die Dinge allein anhand von Größe zu beurteilen. Wir bemessen der Größe viel zu viel Bedeutung zu. Bei Wäldern wie bei Menschen. Allein die Größe als Gütekriterium für positive Eigenschaften zu verwenden, erscheint mir wenig sinnvoll, gehen doch mit steigender Körpergröße andere Eigenschaften verloren: Agilität zum Beispiel. Weiters sagt sie nichts über die geistigen Fähigkeiten aus. Ein Hühne mag unbeschreiblich dämlich sein, wird aber als stattlicher Mann betrachtet! Anders die Frau. Da will man sie nicht so groß und nicht so stimmig – man bezeichnet sie bisweilen als Mannsweiber, wie es bei einer Frau auf Burg Bösalbentrutz Gang und Gäbe war, nur weil sie etwas größer war als andere. Also ist die Größe die vornehmste Eigenschaft der Männer? Soll das dann heißen, kleine Männer sind unmännlich, weiblich gar? Auch da muss ich protestieren, denn…² ² Eine Fußnote in den Fußnoten, ja, das geht. Wer das sagt? Ich sage das und da ich dieses Buch schreibe gelten meine Regeln – größtenteils und zum ersten Mal. Aber… Contenace, Rahjaehr, Contenace. Ich möchte mich an dieser Stelle für meinen kleinen Ausbruch entschuldigen, denn dies hier "soll ja keine Biographie sein, nicht"? Warum ich das in Anführungszeichen schreibe, kann sich der geneigte Leser ja sicherlich selbst.

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Auszug aus "Zwischen Dörfern und Burgen: Eine Entdeckungsreise durch Tommelsbeuge" von Rahjaehr